Die Aufarbeitung eben dieser Zeit durch die Teilnehmer muss in den Filmen der 40er und 50er Jahre schon den schizophrenen Widerspruch in sich tragen. Der Versuch der Schuldigen die Schuld an die weiterzugeben, die schuldig sind, weil sie Schuld auf sich geladen haben, obwohl alle im gleichen Schuldturm wohn(t)en. Der Versuch durch Verdrängung die Widersprüchlichkeit des Deutschen in Humor oder Naturkulisse aufzulösen. Und dann kamen die 60er, wo nun verklemmter deutscher Humor - der seinen Karl Valentin nicht gelernt hatte, wo allenfalls Heinz Erhardt für die Masse und Wolfgang Neuss (zuerst für die Masse, dann für den Interessierten) herausstachen - auf die ersten sexuellen und politischen Befreiungsversuche der Post-Adenauer-Ära traf, wo Manifeste unterzeichnet wurden, um in erstarrtem Deutschtum auf das Undeutsche im Deutschen zu verweisen, wo man alle Hüllen fallen ließ, damit die Moral etwas zu tun bekomme. Diese Schizophrenie des deutschen Kinos wurde in aller Deutlichkeit wohl nur in den 60er und 70er Jahren behandelt und lässt sich auch hier wieder soziodemographisch festmachen, wenn das deutsche Kino in dieser Zeit so viel künstlerische Aufmerksamkeit erhielt wie seit Jahrzehnten nicht mehr und die meistgesehensten deutschen Filme im Inland aus der Lederhose grüßten. Und dann die 80er und die Reaktivierung der Genrefilme. Der Versuch einen auf Ami zu machen und die Spiegel- und Oberflächenästhetik auch im deutschen Film ansässig zu machen. Schließlich kam sie ja auch zu einem nicht unerheblichen Teil von deutschen Künstlern anderer Kunstformen. Wieder einmal der Versuch, die eigene Herkunft zu vertuschen bei gleichzeitigem Versuch es national wie international funktionieren lassen zu wollen? Als Deutsches ausgeben, ohne dass es (zu) deutsch wirkt? Was gibt es nun seit den 90ern? Eigentlich keine wirkliche Veränderung, sondern allenfalls Konglomerate. Der Klamauk lebt, dank Bully Herbig, durchgehend weiter und war nie weg. Helge Schneider steht, wie auch Schlingensief, in der direkten Tradition eines Action-Theaters der 60er. Verwechslungskomödien im Theo-Lingen-Segment werden jetzt einfach um einen Quotenschwulen angereichert. Einzig eine Person aus einem zugewanderten Kulturkreis verspricht das Schizophrene unserer Kultur mal wieder direkter ans Licht zu holen. Ansonsten läuft's im Moment ja prima damit im besten Sinne Adornos unsere nicht-gewollte und nicht-gemochte Vergangenheit zu vermarkten und damit machen wir Deutschen mal wieder das, was wir am besten können: Uns selbst bescheißen.
Die Liste hat nichts, aber auch gar nichts mit einer Wertung zu tun. Es hätte auch völlig andere Filme treffen können. Ich habe einige Tage über sie gebrütet und mich dann schließlich zu einem völlig subjektiven System entschlossen. Die 30er und 40er Jahre habe ich bewusst rausgenommen. Leider sind die 50er etwas zu kurz gekommen. Die 1990er und 2000er erscheinen mir bisher noch zu innovationsarm.
1. DER GOLEM - WIE ER IN DIE WELT KAM
Deutschland 1920
Regie: Paul Wegener / Carl Boese
Als wir noch das Glück und den Mut hatten, uns vom jüdischen Kulturkreis bereichern zu lassen.
2. METROPOLIS
Deutschland 1925/26
Regie: Fritz Lang
Als wir noch Genremaßstäbe definierten.
(es hätte viele Lang-Filme geben können, aber ich habe mich für diesen entschieden)
3. ASPHALT
Deutschland 1929
Regie: Joe May
Als wir noch U und E verbinden konnten.
4. UND EWIG SINGEN DIE WÄLDER
Österreich 1959
Regie: Paul May
Als noch Kitsch und Kunst mit Wucht daherkamen.
5. BÜBCHEN
Deutschland 1967
Regie: Roland Klick
Als wir uns vor uns selbst erschreckten I
(hier hätte jeder Film von Roland Klick stehen können, aber ich habe mich für diesen entschieden)
6. WARUM LÄUFT HERR R. AMOK?
Deutschland 1969
Regie: Rainer Werner Fassbinder / Michael Fengler
Als wir uns vor uns selbst erschreckten II
(es hätte auch jeder andere Fassbinder sein können)
7. SCHULMÄDCHEN-REPORT - WAS ELTERN NICHT FÜR MÖGLICH HALTEN
Deutschland 1970
Regie: Ernst Hofbauer
Als wir uns vor uns selbst erschreckten III:
Als wir uns auf deutsche Art im Dreck wälzten
8. MOSQUITO - DER SCHÄNDER
Schweiz 1976
Regie: Marijn David Vajda
Als es noch Filme ohne Kategorie gab.
9. KAMINSKY
Deutschland 1984
Regie: Michael Lähn
Als wir "Neuer Deutscher Film" und Genre kombinierten.
10. ZONING
Deutschland 1985
Regie: Ulrich Krenkler
Als wir Experimental- und Genrefilm kombinierten.