Dieses Blog durchsuchen

Donnerstag, 16. Juni 2011

Kurzuskursus

NINJA - IN GEHEIMER MISSION
(THE NINJA MISSION)
Großbritannien / Schweden 1984
Regie: Mats Helge

Mats Helges dritter Film verbindet schwedischen Schwermut, Kalte-Krieg-Agenten-Geschichten und fernöstlichen Ninja-Kitsch zu gar nichts. Vor allem die No-Compromise-Gewalt und die depressive Stimmung erzeugen ein interessant bis befremdliches Erlebnis. Die Gewalt driftet stellenweise schon ins cartooneske, doch der Bierernst, mit dem Geschichte und Verlauf selbiger vorgetragen werden, federt dies immer wieder ab.


PIRATEN
(PIRATES)
Frankreich / Tunesien 1985/86
Regie: Roman Polanski

Diese Swashbuckle-Apotheose in eine Art karnevalesken Realismus gesteigert, war offensichtlich vor ihrer Zeit gedreht. Die schwelgerische Detailgenauigkeit, die schwache Dramaturgie, das chargierende Spiel Walter Matthaus. Ein wunderbares Beispiel für den Übergang vom modernen zum postmodernen Kino, im Gewand einer klassischen Ausgangssituation.


BINGO BONGO
(BINGO BONGO)
Italien / BR Deutschland 1982
Regie Pasquale Festa Campanile

Einmal mehr die One-Man-Show Adriano Celentano. Campaniles Versuche sozialkritisch zu sein wirken unbeholfen, der Film nimmt nie richtig Fahrt auf. Da war Campanile in ALS DIE FRAUEN NOCH SCHWÄNZE HATTEN und WENN DU KREPIERST, LEBE ICH! besser in Form.


DER GEHEIMAGENT
(SECRET AGENT)
Großbritannien 1936
Regie: Alfred Hitchcock

Hervorragend! Hat mir aufgrund seiner Ecken und Kanten sogar noch einen Tick besser gefallen als DIE 39 STUFEN.


EINSATZKOMMANDO WILDGÄNSE
(HUNTER'S CROSSING)
Philippinen 1982
Regie Teddy Page

Schwacher Einstieg, den der philippinische Actionspezialist Teddy Page hier abliefert. Mit Richard Harrison und Bruce Baron "prominet" besetzt, scheitert Page vor allem daran, die Handlungsstränge des Drehbuchs irgendwie zusammenzuführen. Dass er dann auch noch die Inszenierung der Action vergeigt, nehme ich ihm übel.


DEATH WISH III - DER RÄCHER VON NEW YORK
(DEATH WISH III)
USA 1985
Regie: Michael Winner

Ein Fest!


THE WRESTLER
(THE WRESTLER)
USA / Frankreich 2008
Regie: Darren Aronofsky

Zum ersten Mal gesehen und ja, gut, was soll ich sagen. Tief berührt, zweimal geheult, und Randys Sprung über die Kamera ging mir noch Tage danach durch den Kopf. Der Film hat so gut seine Wirkung bei mir erreicht, dass mir wenig an einer Analyse gelegen ist.


PROVINZ OHNE GESETZ
(PROVINCIA VIOLENTA)
Italien 1978
Regie: Mario Bianchi

In der Liste der besten Unfreiwillige-Komik-Filme des Jahres schon jetzt weit vorn, wenn nicht sogar die Nummer 1, womit er BRENNPUNKT LAS VEGAS verdrängen würde. Bianchi kann es ja nun eigentlich besser, aber was er und Produzent Nazzareno Piata, der immerhin Regieassistent von Fellini und Jean-Jaques Annaud war, hier abliefern, habe ich auch schon lange nicht mehr gesehen. Stuntman Calogero Caruana als Hauptdarsteller zu verpflichten ist nur die Spitze des Eisberges an Fehlentscheidungen.


HIT THE DUTCHMAN
(HIT THE DUTCHMAN)
USA 1992
Regie: Menahem Golan

Ganz anständiger Gangsterfilm, der zur Prohibitionszeit spielt und von Golan mit seiner 1990 neu gegründeten 21.Century produziert wurde. Leider lässt sich das spärliche Budget in dem ansonsten gut gespielten Film kaum kaschieren. Golan zeigt, dass er das Bureka-Movie machen noch nicht verlernt hat.


7 SEKUNDEN
(7 SECONDS)
USA / Schweiz / Großbritannien 2005
Regie: Simon Fellows

Banale DTV-Belanglosigkeit mit Wesley Snipes.


J & M - DYNAMIT IN DER SCHNAUZE
(JOE É MARGHERITO)
Italien / Spanien / Frankreich / BR Deutschland 1974
Regie. Giuseppe Colizzi

Der Mann, der Bud Spencer und Terence Hill zusammengebracht hat, versuchte es nochmal. Diesmal allerdings mit amerikanischen Hauptdarstellern, was manchmal etwas merkwürdig erscheint. Vor allem durch die Rainer-Brandt-Synchro, mit der sich der Gute wohl diesmal selbst ein Denkmal setzen wollte.


DER SCHLITZER
(LA CASA SPERDUTA NEL PARCO)
Italien 1980
Regie: Ruggero Deodato

Auch nach x-ter Betrachtung ergibt sich trotz dieses genialen Terror- und Sleaze-Films und trotz David Hess das Gefühl hier um den letzten Schliff an Abgründigkeit betrogen worden zu sein.


LEBENDIG GEFRESSEN
(MANGIATI VIVI!)
Italien 1979
Regie: Umberto Lenzi

Lenzis zweiter Kannibalenfilm lehnt sich lose an das Guyana-Massaker an und ist damit ungeheuerlicher als jeder graphische Gewalteffekt oder Tiersnuff. Trotzdem sind die Szenen, in denen der schönen Paola Senatore die Brüste abgeschnitten und dann verputzt werden von überfordernder Trockenheit.


KRIEG DER EISPIRATEN
(THE ICE PIRATES)
USA 1984
Regie: Stewart Raffil

Ein nostalgisches Erlebnis aus meiner Kindheit wie kaum ein anderes. Ich musste an einigen Stellen weinen. Those were the days.


DIE MACHT DER NINJA II
(NINJA WARRIORS)
Philippinen 1985
Regie: John Lloyd

Ein weiteres Mal schlüpft Romano Kristoff in das Ninjakostüm. Wir lagen schreiend am Boden vor Lachen. Es gibt Filme, die gibt es gar nicht.


IRON MAN II
(IRON MAN II)
USA 2010
Regie: Jon Favreau

Was war das denn? Schnarchgurke galore, die aber auch wirklich gar nichts zu bieten hat. Wofür wurden hier 200 Mio. Dollar ausgegeben?


PIRANHA 3D
(PIRANHA 3D)
USA 2010
Regie: Alexendre Aja

Ja, Robert Rodriguez hat produziert, man merkt es. Absolut belangloses Filmchen, dass wir mit Bier und viel Lachen begonnen haben, bis dann klar wurde, dass es nur die übliche Scheiße nicht eingehaltener Versprechen ist.


EIN MANN GEHT DURCH DIE HÖLLE - STRIKER II
(STRIKER)
Italien 1987
Regie: Enzo G. Castellari

Enzo, was machst du denn. Dieser Film hat gute Chancen der langweiligste zu sein, den wir in diesem Jahr gesehen haben. Eine Qual und Folter!


TAGE DES DONNERS - DAYS OF THUNDER
(DAYS OF THUNDER)
USA 1990
Regie: Tony Scott

Ein Superlativ nach dem anderen. Das hier war nun das größte Fremdschämwerk des Jahres. Hielt ich TOP GUN nicht für überbietbar, ist dieser postmodernistische Videoclip-Schwachsinn der Gipfel der Volksverblödung. Als hätte man Frankenheimers GRAND PRIX die Eier abgeschnitten.


THE GREEN HORNET
(THE GREEN HORNET)
USA 2009
Regie: Michel Gondry

Das war ja wirklich anständig. Michel Gondry dreht den Superheldenfilm, den ich schon lange sehen wollte. Witzig, etwas schräg und herrlich dämlich verschwenderisch. Manchmal klappt es also doch einem Arthouse-Regisseur ein großes Budget anzuvertrauen.


DELTA FORCE II - THE COLOMBIAN CONNECTION
(DELTA FORCE II - THE COLOMBIAN CONNECTION)
USA 1990
Regie: Aaron Norris

Chuck wird kein Schauspieler, auch wenn man's mit Humor versucht und Bruder Aaron wird kein Regisseur, auch wenn man ihm (für Cannon-Verhältnisse) viel Geld gibt. Trotzdem schön so viele Menschen zur Hölle zu schicken.


TRICKS
(MATCHSTICK MAN)
USA 2003
Regie: Ridley Scott

Und wieder mal ein Beispiel, wie man einen Film in den letzten zehn Minuten versauen kann. Alle Gedankenspiele, alle Zusammenhänge, alle empfundenen Emotionen sind hinfällig, weil ja eh alles nur eine Verarsche war. Herrlich, wie solche Plot-Twist-Movies nicht nur dem Zuschauer, sondern auch sich selbst den Boden unter den Füßen wegziehen und damit gehörig aufs Maul fallen.


DEATH RACE II
(DEATH RACE II)
USA 2010
Regie: Roel Reiné

Roger Corman hat produziert. Das merkt man ebenfalls, nur im positiven Sinne. Er kennt das Drive-In-Kino der 50er, 60er und 70er halt wirklich.


PREDATORS
(PREDATORS)
USA 2010
Regie: Nimród Antal

Es war wenigstens einigermaßen unterhaltsam was KONTROLL-Regisseur Nimród Antal hier abliefert. Ansonsten dürfen wir uns wohl bald auf die DTV-Fortsetzung freuen.


PRISON
(PRISON)
USA 1987
Regie: Renny Harlin

Renny Harlin, den ich ansonsten für eine Flachpfeife halte, hat hier einen ganz anständigen Horror-Thriller gedreht.


SPECIES II
(SPECIES II)
USA 1998
Regie: Peter Medak

Das muss schon damals Mainstream-Trash gewesen sein.


LOST BOYS: THE TRIBE
(LOST BOYS: THE TRIBE)
Kanada / USA 2008
Regie: P.J. Pesce

Und wieder P.J. Pesce. Nach einem doch schon ganz gutem Beginn, verflacht das Ganze in der budgetbedingten Ereignislosigkeit einer DTV-Produktion.


DIE 9 LEBEN DER NINJA
(9 DEATHS OF THE NINJA)
USA 1985
Regie: Emmet Alston

Sprachlos machender Ninja-Klamauk, der, obwohl auf den Philippinen gefilmt, doch tatsächlich eine amerikanische Produktion ist. Völlig unausgewogen pendelt der Film zwischen Szenen, die so schwachsinnig sind, dass sie in der Wahrnehmung kippen und als offene Parodie erscheinen, im nächsten Moment gibt es wieder Szenen, die den Eindruck vermitteln, man meine es im Großen und Ganzen doch ernst und vorangegangene eventuell als humoristisch zu verstehende Szenen seien nur entspannende Einsprengsel. Der Vater von Red-Hot-Chilli-Peppers-Frontmann Anthony Kiedis, John Kiedis, der hier unter seinem Pseudonym Blackie Demmet spielt, hat seinen Sohn nicht nur im zarten Alter von 12 Jahren mit Sex und Drogen vertraut gemacht, sondern spielt hier auch einen durchgedrehten Alt-Nazi, der vom Styling her an Adolf Hitler erinnert, den man in die poppigen 80er transferiert hat. Mit Damenhandschuhen, Ohrringen und Glitzerarmreifen befehligt er vom Rollstuhl aus mitten im Dschungel eine Armee, deren Soldaten entweder popelnd herumstehen oder im Opiumrausch Frauen vergewaltigen. Glücklicherweise können die beiden 9- und 11-jährigen Söhne von Hauptdarsteller Shô Kosugi, Shane und Kane, einen Großteil der Soldaten - recht blutig und ernst gemeint wohlgemerkt - zusammenschlagen. Als Kane, oder vielleicht doch Shane, einen der Finsterlinge mit einer Handgranate in Tausend fetzen sprengt, erhält er von einer der Geiseln, die von Blackie Hitler gefangen gehalten werden, auf jeden Fall einen Schulterklopfer mit der Bemerkung: "Gut gemacht!". Äh,... ja, sehen heißt glauben. Dass dieser Film anno 1985 noch groß und fett in den deutschen Kinos lief, wollte ich wiederum nicht glauben.


JOHNNY HANDSOME - DER SCHÖNE JOHNNY
(JOHNNY HANDSOME)
USA 1989
Regie: Walter Hill

In unserer seit 3 Jahren laufenden Walter-Hill-Reihe gesichtet. So wie Walter Hill 1979 mit DIE WARRIORS einen Großteil des Inszenierungsstils der 1980er vorweggenommen hat, nimmt er zehn Jahre später mit diesem Film einen Großteil der 1990er vorweg. Die Regisseuren wie Martin Scorsese oder Quentin Tarantino nachgesagten postmodernen Stilmittel wurden von Hill bereits in den 1970ern mit größter Selbstverständlichkeit angewendet und in STRASSEN IN FLAMMEN (1983) zu einer Art Radikalkunstwerk stilisiert. Nach dem kommerziellen Scheitern mit diesem Film ließ Hill es wieder etwas ruhiger angehen und verwendet vieles in JOHNNY HANDSOME reduzierter und konventioneller. S/W-Verfremdungen, slidende Einstellungsbewegungen, die bereits eine Filmhandlung in den Prolog packen und das Ganze noch mit den Credits kombinieren, das Ende der Credits schließlich den eigentlichen, bereits zweiten Film beginnen lässt, der aber nur die Katastrophe bildet, um die dritte Geschichte zu erzählen. Und so haben wir die drei Welten des Johnny Handsome (so auch der Titel des zugrundeliegenden Romans). Seine Freundschaft, seine Rache und schließlich seine Liebe. Hill lockert diesen Stil im Verlauf etwas, 1989 war man eben noch mehr an das konventionellere Erzählkino gewöhnt, und schafft trotzdem mit links einen Film, der die überkonstruiert erzählten Mammutwerke der heutigen Wichtigtuer-Regisseure in die Tasche steckt. Leider geht Hills Film, logischerweise muss man sagen, dabei etwas ab, was auch dem postmodernen Schwachsinnskino seit Ende der 1980er, Anfang der 1990er abgeht: Figurentiefe.


GHOSTHOUSE
(LA CASA III - GHOSTHOUSE)
Italien 1987
Regie: Umberto Lenzi

Eine der Arbeiten, mit der Lenzi so langsam den Herbst seines Schaffens beginnt. Lenzi lehnt sich überwiegend an die britischen Haunted-House-Filme der 1950er und 60er an, kombiniert das Ganze mit einigen Stilmitteln des Giallo und einigen derben Gewalteffekten und gibt das Resultat dann als Fortsetzung der zu diesem Zeitpunkt aus Hollywood kommenden und erfolgreichen House-Reihe aus. Ich habe selten Figuren gesehen, die sich irrationaler, widersprüchlicher und dümmer verhalten als hier. Doch alle Figurenpsychologisierung wird irgendwann uninteressant, wenn man bereit ist zu erkennen, was für brillante Einzelszenen Lenzi inszeniert. Obwohl meine Frau und ich während des Filmes immer wieder Gespräche führten über die Unzulänglichkeiten des Drehbuchs, "Warum geht der Idiot denn jetzt da rein.", "Wieso hauen die nicht ab aus dem Haus, nachdem dort Morde geschehen sind und ein Irrer draußen herumschleicht und alle Beteiligten dort ja auch nur per Zufall vorbeigekommen sind, also gar keine Verpflichtungen dem leer stehenden Haus gegenüber haben und eigentlich nach Hause fahren könnten." usw. ..., war es partout nicht möglich den Spanungskonstruktionen zu entkommen. Das führt einen in eine ähnlich irrationale Dämlichkeit wie die Figuren. Toll! Eines der ganz großen Spooky-Erlebnisse dieses Jahres. Jetzt brauchen wir unbedingt die Fortsetzung, in der Linda Blair, David Hasselhoff und Hildegard Knef (!) die Hauptrollen spielen.


DOMINO
(DOMINO)
Frankreich / USA / Grossbritannien 2005
Regie. Tony Scott

Tony Scott inszeniert einen Film, der mich nach erstmaliger Betrachtung etwas zwiespältig zurücklässt. Zum einen merkt man die inszenatorische Überforderung dem damals 60-jährigen an, zum anderen stecken genug interessante Ideen drin, die den Film nicht nur sehenswert machen, sondern ich sogar so weit gehen würde zu behaupten, dass der Film ein Must-See für die Dekade der 2000er darstellt. Der Film erscheint wie ein Eintopf, bei dem zum Teil die Ingredienzien noch zu gut rauszuschmecken sind. Die Vorgehensweise der "gelogenen Rückblenden" oder des sich Zusammenpuzzlens einer Handlung, die voller Widersprüche und Haken und Ösen steckt, war zum Zeitpunkt der Entstehung auch im Mainstreamkino nicht mehr so neu. Regelrechte Monumente wurden diesem Taschenspielertrick in den 1990ern gebaut, wobei der 1995 entstandene DIE ÜBLICHEN VERDÄCHTIGEN für mich einen der bemerkenswertesten Filme zum Thema darstellt, auch wenn der Film aus heutiger Sicht bei weitem nicht mehr so frisch wirkt, da die Vorgehensweise getürkter Erinnerungen, falscher Rückblenden und Plot-Twist-Spielerien in den 1990ern letztlich bis zum Erbrechen durchexerziert wurde. Somit versucht Scott etwas frischen Wind in diese 2005 etwas abgestandene Narrationsmethode zu bringen, indem er sie von Beginn an als Biopic mit Halbwahrheiten deklariert und uns durch einen Overkill visueller Spielereien in die ständige Unsicherheit überführt. Die ständigen Farbwechsel, Schlieren oder sonstigen "Cinema de Look"-Elemente folgen irgendwann keinem wirklichen System mehr bzw. haben das immer nur bedingt getan und eignen sich somit wunderbar inszenatorische Schwächen zu kaschieren. Denn wirklich viel dazu gelernt, und da steht Tony seinem älteren Bruder Ridley in nichts nach, hat er nicht, was den Umgang mit Figuren angeht. Somit versucht er eben noch konsequenter seine "Unfähigkeit" durchzuziehen und kapriziert sich derart auf die visuellen und akustischen Elemente, dass wir hier eine Baustelle für zukünftig mögliches Kino sehen. Das wirklich wegweisende Werk ist ihm damit nicht gelungen, aber doch ein Hinweis, was möglich ist. Nouvelle Vague im 21. Jahrhundert.

Mittwoch, 8. Juni 2011

Frankenheimer-Reihe: Laufrad



In unserer vor Ewigkeiten begonnenen Frankenheimer-Reihe haben wir seine konzentrierten und fokussierten S/W-Betrachtungen nun verlassen und machen weiter mit dem Film, der eine deutliche Veränderung in seinem Schaffen auf ästhetischer, aber nicht auf persönlicher Ebene bedeutet. Immer noch - hier vielleicht mehr denn je - einem Authentifizierungsprinzip verpflichtet, die stellenweise völlige Erreichung eines dem Erleben der Figuren nach approximativen realistischen Gefühls der Ereignisse, schlicht Frankenheimers Versuch durch Authentifizierung Realismus und so eine Durchbrechung der vierten Wand zu erreichen. Doch anders als die anderen Regisseure mit Fernsehherkunft erleben wir kein den Schweiß der Darsteller schmeckendes Schauspielerkino wie bei Sidney Lumet und keinen am Rande zur Erträglichkeit gehenden Semi-Dokumentarismus eines Robert Altman. Es ist mehr ein Naturalismus, denn ein Realismus, den man in Frankenheimers Filmen zu sehen bekommt.

Das Anliegen des Filmes ist kein geringeres als der Größenwahn. Nachdem wir uns bis DER MANN, DER ZWEIMAL LEBTE in der Intimität der 1.66:1 Breitwand befanden und die S/W-Bilder eine artifizielle Kontemplation ermöglichten, drängt Frankenheimer mit GRAND PRIX in das Gegenteil einer jeden vorhandenen filmischen Möglichkeit. Statt Mono haben wir nun das 70-mm-6-Track-Verfahren, wo allein nur eine Tonspur für die Motorengeräusche reserviert ist. Statt Konzentration des Blicks sollen wir nun schweifen in der Breite und Detailgenauigkeit des Cinerama-Verfahrens. Knallige 60s-Farben, hell ausgeleuchtete Räume, ein international bekannter Cast, Maurice Jarres schwebende und epische Kompositionen und eine Länge von drei Stunden. Das Ganze mit entsprechender Ouvertüre und Intermission, als wären wir in der Oper.

Und so werden uns die inneren Konflikte und Beziehungen auch ähnlich oberflächlich wie in der Oper präsentiert, bei gleichzeitig irritierender Unterspielung der Darsteller. An seiner Schauspielführung hat Frankenheimer nichts geändert. Sie müssen immer noch versuchen in ihren Szenen zurechtzukommen und wirken jetzt auf der Leinwand noch verlorener als vorher. Frankenheimer greift bei seinen Figurenzeichnungen häufig in die Klischeekiste, doch anders als William Friedkin, der das desavouierende Spiel mit den Genreskills und Figuren perfekt beherrscht, überlässt Frankenheimer Figuren und Schauspieler oft sich selbst. Zu interessiert ist er an der Kamera, der reinen Beobachtung von Menschen, um sich dann so schnell wie möglich wieder auf das zu konzentrieren, was ihm wichtig ist: die Action. Weniger in dem dümmlich reißerischen Duktus gemeint, wie er gerne verstanden wird, ist hiermit ganz im Wortsinne die Bewegung, Dynamik und Interaktion gemeint. So wird GRAND PRIX dann auch die große Parabel über das Rad, seine tautologische Gleichförmigkeit, den Kreislauf des Lebens und dem gleichzeitigen Versuch seine Lebenskonflikte über die Bewegung zu transzendentalisieren. Dass alle Beteiligten dabei im Kreise fahren, ist eine schmerzliche Erkenntnis. Einen Ausbruch daraus bringt nur der Tod.

Sonntag, 5. Juni 2011

Ford-Reihe: Mythenpoesie

Ikonisierung des Blicks
Dichtung und Wahrheit, in John Fords zweitem Tonfilm-Western treffen sie so eklatant aufeinander wie in keinem seiner anderen Western. Als wolle er dies von der ersten Einstellung an sichtbar machen, wird derart krass mit einer Hell-/Dunkel-Beleuchtung und manch verkanteter Einstellung gearbeitet, dass schon gleich zu Beginn der Eindruck entsteht, ein episches Gemälde über eine der vielen Geschichten des Wilden Westens habe sich in Bewegung gesetzt.

Der Mensch wird selbst Monument

Die historische Geschichte der Schießerei am O.K. Corral behandelt auch schon in ihrem Grundkonzept das Aufeinandertreffen einer überalteten Zeit, die weichen muss für die neue, die den Fortschritt mitbringt, bzw. wurde nicht zuletzt durch Earps Biographie und Fords Film dazu gemacht. Die Brüder Wyatt, Virgil, Morgan und James Earp möchten eine Rinderherde nach Kalifornien treiben, um sich dann zur Ruhe zu setzen. In der Nähe der Stadt Tombstone wollen sie rasten und treffen gleich zu Beginn auf den alten Clanton und einen seiner Söhne. Sie möchten den Earps die Herde unter Wert abkaufen, was diese ablehnen. Wyatt, Virgil und Morgan reiten daraufhin nach Tombstone und lassen das Nesthäkchen James zur Bewachung der Rinder zurück. Tombstone ist ein wüstes Pflaster und Wyatt sorgt recht schnell für Ordnung, als ein betrunkener Indianer im Saloon wütet. Wyatt Earp kommt zu dem Schluss, dass Tombstone wirklich eine verkommene Stadt sein muss, wenn man hier Indianern ungehindert Alkohol zu trinken gibt (wieder mal eine von Fords unbemerkten Spitzen gegen die Methoden des "Weißen Mannes"), lehnt aber das ihm eifrig angetragene Amt des Marshalls ab. Als die Earps bei ihrer Herde eintreffen, sind die Viecher gestohlen und James ist tot. Jetzt wird Wyatt klar, dass er doch etwas unternehmen muss. Er nimmt das Amt des Marshalls an, doch muss er sich erst mit einem Mann auseinandersetzen, der der Herrscher in Tombstone im Hintergrund ist: Doc Holliday.
Homoerotische Annäherung durch Blicke und Gesten. Man beachte die Hände

Mit FAUSTRECHT DER PRÄRIE hat John Ford nicht nur ein perfektes Verbindungsstück zwischen dem aufkeimenden seriösen Western, den er 1939 mit RINGO selbst geschaffen bzw. reaktiviert hatte, und den so genannten Edel-Western geschaffen, sondern auch eine weitere formale Veränderung oder gar Steigerung hin zu einem perfekt symmetrischen Stil entwickelt, der sowohl inhaltlich als auch formal um die permanente Ausgleichung bemüht ist. Inwiefern Ford der Shakespeare des amerikanischen Kinos ist, lässt sich bei seiner Nutzung des Dualismusprinzips erkennen. Bei Ford ist die Kamera nie Manipulation, nie einfache Suggestion, wie bei Hitchcock und sie lädt auch nicht zur Identifikation ein. Ford ist der Beobachter, der Protokollant und gleichzeitig der Erzähler, der Schöpfer, dessen führende Hand immer spürbar ist. Schon hier lässt sich also der Dualismus ausmachen und so geht es vom großen künstlerischen Rahmen, über die Ausleuchtung, die Mise-en-scène, bis hin zum kleinsten Element eines Jackenknopfes, der, so geht es aus den Aufzeichnungen die Fords akribische Planung im Vorfeld eines Filmes bestätigen hervor (während er am Set selbst das Prinzip des scheinbaren "Aus-der-Hand-gefilmten" vorgab), seinen genauen Platz im Bildkader hatte, um die Transgression einer jeden Einstellung zu vervollständigen. Der Dualismus wird von Ford dann anhand des permanenten Gegenüberstellens von Licht und Schatten, Hell und Dunkel in das sich bewegende Bild eingearbeitet. Egal, ob so subtil, dass Earps verdunkelnder Bart zu den hellen Wolken kontrastiert wird, oder Earp, nachdem er das Amt des Marshalls bekommen hat, ab da für das Positiv steht, rasiert, adrett und etwas linkisch bemüht (Henry Fonda at its best) gesellschaftlich kultivierte Verhaltensweisen zu imitieren und Doc Holliday, mit dem sich Earp anfreundet, das Negativ ist, schwarze Kleidung trägt, seine Szenen häufig bei Nacht spielen und er von Krankheit gekennzeichnet ist. Der geradezu medientheoretische Umgang mit dem Genre wird hier erreicht, wenn Ford die Insignien solcher aus den 2-Reeler-Western bekannten Kontrastierungen verwendet, um Figuren zu intrusionieren, ohne eine Figurenaufbrechung anzustreben, da seine Figuren nie Typen, nie Genreskills, nie Abziehbilder sind, eine Brechung somit nicht nötig ist. Einen vorzüglichen und hoch amüsanten Kulminationspunkt gibt es diesbezüglich, wenn Wyatt Earp plötzlich Liebeskummer hat, da Clementine Carter, die ehemalige Verlobte Doc Hollidays, eigentlich wegen diesem aus dem Osten angereist ist und Earp unsicher ist, wie er sich ihr gegenüber verhalten soll. Er befragt daraufhin den Wirt des Tombstone-Saloons, der, mit einer so komplexen Frage nach der Liebe betraut, verunsichert schaut und angibt, er wäre solange er sich erinnern kann immer nur ein Wirt gewesen. Die Komik dieser Situation, wenn Klischeefiguren über sich selbst hinaus denken müssen, zeigt inwiefern im Ford-Universum auch noch die kleinste Figur angestrengt wird den Horizont erklimmen zu wollen.

Und so kommt es auch nicht zu dem Aufeinandertreffen der Geschlechter im Stile polternder "Hosen-Frauen" wie Hawks sie uns mit Vorliebe präsentiert, sondern die sexuelle Verschmelzung des Geschlechterdualismuses wird von Ford auch wieder ins mirkroskopische gesteigert, wenn Wyatt Earp Clementine schließlich zum Sonntagsspaziergang führt, stolpernd, eine Imitation des Gentlemans, von dem er sich vorstellt wie er zu sein hat und die kultivierte Clementine aus Boston mit einem permanenten Schmunzeln mehr ihn zum Kirchgang führt, jede seiner ungeschickten Bewegungen ausgleichend. Die Kirche, die nicht mal steht, weil Tombstone erst zu sich finden muss. Archaik wird überwunden durch religiöses Beisammensein. Nicht im kulturell religiösen Sinne, sondern schon im genetischen, im evolutionärem. Das Zusammensein, das Zusammenwirken von Menschen, ist, so oder so, ein feierlicher Moment, bei dem das Gefühl des Höheren entsteht. Egal, ob gemeinsam am Lagerfeuer, in einem spirituell-ideologisch aufgeladenen Gebäude, oder im Ecstasy-Rausch auf einem Rave. Und so ist es dann auch ein Säufer, der grölig die Andacht krakelt, darauf verweisend, das er kein Geistlicher ist, aber das sei wohl nicht so wichtig, wenn die Bürger von Tombstone beginnen wollen zusammenzuarbeiten. Ford, der katholische Ire, der ewige Kommunenjunkie, der die USA im Großen und Tombstone im Kleinen als die ständige Nussschale sieht, in der alle Ethnien zusammenkommen. Brillant gelöst durch immer wiederkehrende Einstellungen von Ureinwohnern, die immer dann, wenn im Vordergrund Dialog gefilmt wird, im Hintergrund als Einheit stehen, fast verwachsen mit der Landschaft. Sie sind das im Hintergrund existierende Totem, zurückgedrängt, aber nie wirklich weg.

Travestie eines Kirchgangs

Earp und Wirt überfordert. Clementine in der Unschärfe

Ureinwohner in der Tiefe des Bildes
Das Freundschaftsverhältnis zwischen Wyatt Earp und Doc Holliday wird von Ford schon zu Beginn mit einem Bruch versehen. Nahezu schweigend werden sie Freunde, erkennen die Seelenverwandtschaft, doch wenn sie dann gemeinsam einen Trinken, bricht Ford mehrmals die Achse, zeigt schon formal durch die tiefliegende Affektdesorientierung des Achsensprungs, dass das Verhältnis der Männer, obwohl sich sofort sympathisch, im tiefsten Inneren einen Riss hat. Als Clementine Carter kommt, zeigt sich auch warum. Sie kennt Holliday noch aus Boston, wo er ein anerkannter Arzt war und eines Tages plötzlich in den Westen verschwand. Der gebildete und gesellschaftlich auch in höchsten Kreisen anerkannte Holliday zog es vor das wilde Land aufzusuchen. In Tombstone schließlich hurt er rum, trinkt und gibt sich einer Travestie als Herrscher hin. Als das örtliche Theater Shakespeare aufführen will, aber der Hauptdarsteller im Suff die Zeilen vergisst, springt Holliday ein, bringt für einen kurzen Moment östliche Hochkultur in den westlichen Saloon und beeindruckt Earp damit zutiefst. Den tatsächlich einzig positiven Ausgang eines Westerns zeigt uns Ford in RINGO. Der Gunfighter und die Hure dürfen, gedeckt von einem gutmütigen Marshall, entkommen. Ringo hat etwas Land und möchte eine Farm betreiben. Ford schenkt ihnen und dem Zuschauer noch die Hoffnung, dass dies funktionieren könnte. In FAUSTRECHT DER PRÄRIE ist vieles indifferenter. Auch wenn der Dualismus durch die S/W-Gestaltung und die Aufsplittung Earp/Holliday noch als solcher erkennbar ist, so sind hier doch schon diverse Kehrseiten von Fords selbstgeschaffenen Mythen zu entdecken. Earp wird noch einmal als Figur gezeichnet, die es schaffen kann ihren Platz in der "Neuen Welt" einzunehmen, die es durch die Hilfestellung einer Frau (von Ford immer als eigentlich regulierende Instanz der Zivilisation dargestellt) schaffen kann aufgenommen zu werden, trotz seiner Rohheit und potenziellen Gefährlichkeit. Doch schon hier wird das Schicksal Ethan Edwards aus DER SCHWARZE FALKE Doc Holliday zu teil. Er hatte es eigentlich geschafft, er war ganz oben, doch sein Hang zum Exzess, sein Wunsch aus der Zivilisation auszubrechen, führte ihn zurück in den archaischen Westen. Dort kommt er mit der mexikanische Hure Chihuaha zusammen und entscheidet sich im Verlauf des Films, als Clementine ihn aufsucht, tatsächlich auch nicht für eine Rückkehr in die Zivilisation, sondern er möchte mit Chihuaha zusammenleben. Und so wird auch hier wieder Dualismus zusammengeführt. Der ungebildete, aber bemühte Cowboy-Trampel Earp wird von Clementine akzeptiert, der einstmals angesehene Arzt Holliday möchte lieber mit einer Hure leben, als ein Leben in besseren Kreisen zu führen. Fords Bitterkeit, dass eine "Auf-den-Kopfstellung" solcher Verhältnisse in puritanischen Kreisen nicht möglich ist, wird daran deutlich, dass er Chihuaha und Holliday sterben lässt. Der existenzialistische Übergang in die Auflösung des Todes scheint der einzige Weg für beide zu sein. Doch auch das Verhältniss zwischen Earp und Clementine ist unsicher. Ford gibt seinem Helden noch einmal die Möglichkeit in der Zivilisation seinen Platz zu finden, sie nicht nur zu sichern, sondern auch in ihr leben zu dürfen. Clementine wird in Tombstone bleiben. Die Clantons sind tot, Earp hat seine Aufgabe erfüllt, doch die Arbeit liegt nun bei ihr. Sie will in Tombstone eine Schule gründen, möchte den Bürgern, die zumeist Analphabeten sind, das Lesen und Schreiben beibringen. Earp spricht davon, dass er vielleicht wieder kommt, um eine Farm zu führen, aber zwischen beiden ist die Ungewissheit.

Holliday und Clementine können nicht mehr zusammenkommen
Earp und Clementine haben mehr Chancen, auch wenn der Zaun der Zivilisation zwischen sie drängt
Es gäbe noch so viel zu schreiben, wie z.B. Fords Kapitalismuskritik durch die Clantons. Eine nur aus Männern bestehende Familie von Viehbaronen, schwer reich, den amerikanischen Geschäftsweg gegangen und nun degeneriert und verwahrlost. Hier lassen sich schon viele Elemente für Hawks späteren RED RIVER finden und immer wieder Hoopers THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE. In vielen Western Fords wird die Degeneration des amerikanischen Pioniers und Siedlers gezeigt, als ständige eingebaute Kehrseite seiner eigenen Werte und Wünsche. Ein Amerika, gestört und kulturlos, ohne feste Wurzeln, aber das ist Stoff für einen anderen Text.