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Mittwoch, 25. Mai 2011

Geschlechteridentität


Nachdem ihr Vater und ihr Bruder bei einem grausamen Bootsunfall ums Leben gekommen sind, wächst die kleine Angela bei ihrer schusseligen Tante und ihrem gleichaltrigem Cousin Ricky auf. Angela, damals kaum 6 Jahre alt, ist inzwischen 14, sehr schüchtern und hat eine Aversion gegenüber Wasser entwickelt. In Kooperation mit der Schule sollen die Kinder im Sommer in ein Ferienlager geschickt werden, einem Lager, dem nicht unähnlich, in dem Angelas Vater und Bruder ums Leben kamen. Dort angekommen ist Angela dann diversen Hänseleien der anderen Mädchen ausgesetzt, da sie sich an der Gruppe nicht beteiligt und der frühreifen Meg, die schon die 16-/17-Jährigen für sich zum Tanzen bringt, ein Dorn im Auge ist. Als dem Koch des Camps, der beim Einmarsch der Mädchen noch stolz sein Motto verkündet "Je enger desto besser", ein 100-Liter-Eimer kochender Suppe über den Körper kippt, glauben alle noch an einen tragischen Unfall, doch der nächste Tote lässt nicht auf sich warten.
Der Film ist ein ganz wundervolles Kleinod in dem ansonsten eher mediokren Sumpf der Slasherfilme, die zu diesem Zeitpunkt (noch) entstanden. Er bricht, als wäre es gar nichts, die kolportierte Mär vom reaktionären Killer, der sexuellem und anderweitig deviantem Verhalten ein Ende bereiten möchte*, auf und stopft den Film voll mit Kodierungen und Doppelkodierungen über Genderfragen, sexuelle Entwicklung in der Kindheit und Pubertät und den gewalttätigen Backlash, der sich als Frustration über die Dissoziation mit der Umwelt und ihrer Unfähigkeit zur reflexiven Auseinandersetzung mit dem Gegenstand Sexualität ergibt. Die Vielschichtigkeit des Films besticht durch Aspekte, wie sie sich auch heutzutage im Verhalten von Teenagern noch, oder vielleicht erst recht, zuhauf finden lassen. Verbale Kraftmeierei, ungefilterte Aggression mit permanenten Morddrohungen und adoleszenter Rücksichtslosigkeit. Dass die Darsteller der Kinder und Jugendlichen hier dann, wie man es sonst selten sieht, auch das Alter ihrer Figuren haben, steigert noch den Effekt in die Parallelwelt von Teenagern eingeführt zu werden. So sind dies und die Sexualdiskurse des Films auch die bestechendsten Merkmale. Inszenatorisch dümpelt Hiltziks Film nämlich im üblichen Slasher-Segment umher von Point-of-View-Kamera und dramaturgischen Leerstellen, wobei manche Mordtaten einen gewissen Einfallsreichtum erkennen lassen, werden sie doch, so viel darf verraten werden, von einem Kind ausgeführt. Die Schlusspointe ist dann nicht nur eine solche, sondern verleiht allem Gesehenen die zweite Ebene und erfüllt damit über Gebühr die Funktion eines Plot Twists, der, anders als es in den meisten der sogenannten Mind-Fuck-Movies gemacht wird, uns nicht nur mit der Ätschi-Bätschi-Mentalität klar macht, dass wir 2 Stunden lang verarscht wurden.


* Dass diese Metaebene allen Machern eines Slashers mit so großer Selbstverständlichkeit zugeschrieben wird und vom eigentlichen Film heute nicht mehr zu trennen ist, ist sowieso ein medientheoretisches Kuriosum.

Dienstag, 10. Mai 2011

Ford-Reihe: Doku-Pathos


Orson Welles: "Ich bevorzuge die alten Meister: John Ford, John Ford und John Ford."

Alfred Hitchcock: "Ein Film John Fords war eine einzige visuelle Auszeichnung, in dieser Methode der Klarheit und offensichtlicher Einfachheit."

Akira Kurosawa: "Ich bewunderte ihn von Anfang an: Unnötig zu sagen, dass ich seine Arbeit verfolgt habe und ich denke schon, dass ich von ihm beeinflusst bin."

Jean Renoir: "Ich habe heute so viel gelernt. Ich weiß jetzt wie ich die Kamera nicht bewegen muss." (Jean Renoir begeistert nach Fords DER VERRÄTER)

Federico Fellini: "Ich liebe ihn."

Satyajit Ray: "Derjenige mit dem ich ihn am ehesten vergleichen kann ist Beethoven in seiner mittleren Phase."

Frank Capra: "Der König der Regisseure."

Weitere Regisseure, die John Ford als ihr Vorbild, als eines ihrer Vorbilder, als einen wichtigen Einfluss oder einfach nur als einen Regisseur sahen/sehen, dessen Arbeit sie bewunderten waren/sind Ingmar Bergman, Elia Kazan, Martin Scorsese, Steven Spielberg, Wim Wenders, Rainer Werner Fassbinder, Peter Bogdanovich, Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Sergio Leone, Sergej M. Eisenstein, David Lean, Luis Bunuel, Howard Hawks, Claude Chabrol...

Nun, es waren nicht zuletzt diese Vorschusslorbeeren, die dazu führten, dass ich mich nie an John Ford herangewagt habe. Natürlich waren mir (Dank des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks) seine Filme, hauptsächlich die Western, schon als Kind bekannt, aber sich dem Mammutwerk eines Mannes einigermaßen entsprechend zu nähern, der mehr als 140 Filme gedreht hat, wurde von mir immer wieder als sinnloses Unterfangen beiseitegeschoben. Vor mehr als einem Jahr begannen wir dann unsere Reihe mit diesem Regisseur, zuerst relativ planlos, um einen ungefähren Überblick über sein Schaffen zu bekommen, doch jetzt fassten wir den Entschluss chronologisch vorzugehen und zwar ab dem 2. Weltkrieg. Den Anfang in diesem Blog macht somit heute:


Die Geschichte ist ebenso simpel wie schnell erzählt: Lieutenant John Brickley ist der Geschwaderführer einer Schwadron von Schnellbooten, die in den Augen der höheren Offiziere ein neues technisches Spielzeug sind, aber für einen tatsächlichen Kriegseinsatz ungeeignet. Als die Amerikaner durch den Angriff auf Pearl Harbor in den 2. Weltkrieg eintreten, bewährt sich Brickleys Schnellbooteinheit, wird aber weitgehend vernichtet und muss sich am Ende durch die Kapitulation der USA im Pazifikkrieg neu formieren.

Anders als andere Filme Fords ist SCHNELLBOOTE VOR BATAAN kein religiöses oder spirituelles Erweckungserlebnis, oder eine Posse über den alltäglichen Wahnsinn, sondern trägt eindeutig die Handschrift eines Mannes, der, nachdem er in den Rang eines Commanders erhoben wurde, an geheimen strategischen Besprechungen auf höchster Ebene teilnahm, der in der Schlacht von Midway schwer angeschossen Anweisungen brüllte und der seit 3 Jahren ausschließlich Dokumentationen gedreht hatte. Ford, der Meister der Symmetrie, war somit gedanklich weit davon entfernt eine Glorifizierung des Schützengrabens oder ähnlichen Pathos umzusetzen und angeblich hatte er ursprünglich auch nicht viel Lust den Film zu machen. So brachte er in den Film genau die Erfahrungen ein, die kein anderer Regisseur besaß: Er war an der Front, er hatte Hunderte zerschossener Soldaten gesehen, er ließ weiter filmen, auch wenn er selbst bereits schwer verwundet war und gleichzeitig lernte er die nicht minder große Kehrseite des Krieges kennen: langatmige Besprechungen in Offiziersräumen, strategische Planungen, in denen spekuliert wurde, ob man nun 1000 oder 10.000 Soldaten an einer bestimmten Stelle opfern soll. Diese Kehrseite war etwas, was sich nicht sonderlich hollywood-gerecht aufarbeiten ließ, ging ihr doch jegliche Spannung ab. Und so drehte Ford einen Film, der seinen Pathos, insbesondere mit Blick auf die Entstehungszeit, nicht nur äußerst gedämpft präsentiert, sondern ihn oftmals auszuhöhlen scheint. Schon der Originaltitel THEY WERE EXPENDABLE der Romanvorlage verweist darauf und wird von Ford entsprechend seinem symmetrischen Konzept, über das Truffaut sich mal so begeistert äußerte, umgesetzt. Helden, ohne Pathos, Glorifizierung, ohne Ruhm, Schlachten, ohne Abenteuer, Kriegsdienst als (notwendige) Verpflichtung, aber auf Basis einer Arbeit. Dieses dokumentarische Konzept, das den Kriegsfilm im Allgemeinen recht still im Hintergrund beeinflusst hat (deutlicher Epigone ist hier Clint Eastwood mit seinem FLAGS OF OUR FATHERS), wird erst nach mehr als der Hälfte der Spielzeit aufgebrochen, wenn der einzige Moment vollständigen Pathos erlaubt ist. Ford lässt mit Douglas MacArthur den bedeutendsten Strategen des Pazifikkrieges und eine der historisch wichtigsten Personen der Amerikaner des 20. Jahrhunderts die Szenerie betreten und auch die Überführung dieser Person durch das Schnellbootgeschwader wird routiniert erfüllt. Da Ford in der ersten Hälfte sehr das Gruppenprinzip für die Zeichnung seiner Figuren nutzt und mit Lt. Brickley und Lt. Ryan seinen beiden Hauptfiguren sehr geschickt spärlich Raum gibt, verfolgen wir im letzten Drittel des Films dann doch etwas genauer das Schicksal von Lt. Ryan, der gleich drei Niederlagen hinnehmen muss. Die Frau, in die er sich in den Kriegswirren verliebt hat, wird er vielleicht nie wieder sehen, ein guter Freund ist vor seinen Augen verstorben und die USA geben über Radio die Kapitulation bekannt (die bisher einzige offizielle Kapitulation ihrer Geschichte). Er und sein Vorgesetzter werden die philippinischen Inseln verlassen dürfen, aber der große Rest wird zurückbleiben müssen. Da tröstet Douglas MacArthurs historisch verbürgter Ausspruch: "We shall return!" am Ende nur bedingt. Den Film so enden zu lassen, ist schon fast als böser Witz zu bezeichnen. Einen solchen erlaubt sich Ford in der Darstellung des japanischen Gegners zu keiner Zeit. Nie begeht er den Fehler und personifiziert die japanischen Soldaten. Auch erlaubt sich der Dialog nahezu keine Entgleisungen ethnischer Art. Die Japaner sind eben nur die Kriegsgegner und nicht böse aufgrund ihres Japaner-Seins. Und so gibt es tatsächlich nur ein japanisches Gesicht zu sehen. Es ist das Gesicht einer Frau, die im Kimono zusammen mit Amerikanern und Hawaiianern fröhlich getanzt hat, als die Feier jäh unterbrochen wurde durch die Nachricht, dass Japan den USA den Krieg erklärt hat. Während alle durcheinanderlaufen oder sich tuschelnd unterhalten, ist sie plötzlich separiert, setzt sich allein an einen Tisch und spiegelt in ihrem Blick all die Katastrophen wider, die sich nun zwischen beiden Nationen abspielen werden.

Wie Ford bei solch einem dokumentarischen Kriegsfilm auch noch sein visuelles Vorbild Murnau unterbringt, ist schon bewundernswert:

Enklave im Nebel. Gespenstischer Totentanz in der Südsee

Dienstag, 3. Mai 2011

Kurzkurt

NEXT
(NEXT)
USA 2007
Regie: Lee Tamahori

Unterhaltsamer und kurzweiliger Sci-Fi-Thriller über einen Las-Vegas-Magier, der tatsächlich in die Zukunft blicken kann. Allerdings nur für maximal zwei Minuten und auch nur in Bezug auf Vorgänge, die mit ihm in direktem Zusammenhang stehen. Inwiefern dies mit der Theorie über Synchronizität gedeckt ist, erschloss sich mir bei einmaliger Betrachtung nicht, spielte für den Unterhaltungswert aber auch erst mal keine Rolle. Leider ruht sich Tamahori etwas auf der bestechenden Grundidee, die auf Philip K. Dick basiert,  aus und liefert in der Folge dramaturgisch biederstes Thrillerkino um eine Weltbedrohung, die unser Magier verhindern könnte. Die Fragen über Verantwortung gegenüber seinen Mitmenschen, wenn man mit besonderen Begabungen ausgestattet ist, die einen eigentlich daran hindern mit seinen Mitmenschen gut auszukommen, sowie die kognitive Überbelastung, wenn man nie im Moment lebt, sondern immer mehrere Züge voraussieht/-denkt, werden zwar angedeutet, aber nie wirklich in irgendeiner Weise thematisiert.

16 BLOCKS
(16 BLOCKS)
USA / Deutschland 2006
Regie: Richard Donner

Es gibt sie also noch. Die furztrockenen Krimis, die ohne Schnick-Schnack auskommen und eine durchs Drehbuch vorgegebene Zeiteinheit als Spannungsbogen verwenden können. Det. Mosley muss, anders als sein Namensverwandter, nicht sein Volk ins gelobte Land führen, sondern lediglich einen Kronzeugen 16 Blocks bis zum Gerichtsgebäude. Allerhand Kollegen Mosleys, die durch die Aussage des Kronzeugen belastet werden könnten, wollen dies verhindern. Schafft Mosley es nicht bis 10 Uhr, wird das Verfahren eingestellt und die Aussage wäre nutzlos. Auf seine alten Tage versucht Donner es mit einer Fingerübung, durch die er den in Ehren gealterten Bruce Willis schickt, der sich mit seinem Schützling natürlich anfreundet und Donner so auch ein wenig über den Buddy-Film resümieren kann, dem er hier ein recht stilles Denkmal setzt. Immer, wenn die Klischeeschraube zu fest angezogen wird, bricht Donner sie doch recht unvermittelt auf und macht damit deutlich, dass er genau weiß was er tut. Die Altersmilde muss es sein, die ihn dann nicht die Konsequenzen aus seiner trostlosen Farbgebung und Stimmung ziehen lässt und er dem Film ein derart aufgesetztes Hollywood-Happy-End spendiert, wie es abgeschmackter kaum sein könnte. Für Ein-Mann-Action-Fans wie mich auf jeden Fall die Reise wert und ein weiterer Beitrag des selbstreflexiven Actionfilms, der in den 2000er Jahren glücklicherweise so deutlich zutage getreten ist und uns den Scheißdreck der 1990er vergessen lässt.

CLASH OF THE NINJAS
(CLASH OF THE NINJAS)
Hongkong 1986
Regie: Godfrey Ho

Einer der beliebtesten Ho-Reißer mit weltweit hohem Kultstatus. Dem kann ich mich nur anschließen.

AEON FLUX - BLICKE DER ZUKUNFT INS AUGE
(AEON FLUX)
USA 2005
Regie: Karyn Kusama

Da ich weder die Zeichentrickserie, noch irgendeine andere Vorlage zu diesem dystopischen Sci-Fi-Action-Film kannte, war die erste halbe Stunde sehr unterhaltsam und interessant. Die Menschheit wurde zu Beginn des 21. Jahrhunderts von einer Seuche dahin gerafft und lebt 400 Jahre später in einer aseptischen Stadt, welche die Natur draußen halten muss. Soweit erinnern die Ausgangssituationen an die Sci-Fi-Serie BUCK ROGERS sowie John Boormans phänomenalen ZARDOZ. Auch weitere Einflüsse sind erkennbar, wie natürlich Orwell, Huxley oder gegenwärtige Inszenierungsstille der "Matrix-Ära". Inhaltlich ist gegen dieses wüste Potpourri nichts einzuwenden und Charlize Theron hat mir in der Rolle der knallharten und erotisch-androgynen Einzelkämpferin wesentlich besser gefallen, als Angelina Jolie in der Rolle der Lara Croft. Leider entscheidet sich Regisseurin Kusama nicht für eine inszenatorische Richtung und scheitert am Spagat ein emotional gefärbtes Sci-Fi-Drama über gestohlene DNA-Codes und den damit verbundenen Identitäten und einen Blockbusterfilm mit Action und Martial-Arts-Choreographie hinzubekommen. Mutiger wäre ersteres gewesen, aber was hat Mut schon in einem Produkt der Massenindustrie zu suchen.

KARATE WARRIOR
(IL RAGAZZO DAL KIMONO D'ORO)
Italien 1986
Regie: Fabrizio de Angelis

In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre war die italienische Kinoindustrie endgültig am Boden. Es war nun leider nicht mehr möglich den geringeren Aufwand, die niedrigeren Budgets und das ewige plagiieren bekannter und/oder erfolgreicher Vorbilder (zumeist aus Hollywood) zu kaschieren und das Aufkommen von Video, Kabelfernsehen und Berlusconi erledigten den Rest. Trotzdem gab man noch nicht auf und der in den 80ern recht erfolgreiche italienische Produzent und Regisseur Fabrizio de Angelis "verwöhnt" uns hier mit einem so gnadenlos langweilig und bauklotzartig inszenierten Karate-Kid-Rip-Off, dass ich vor so viel Chuzpe schon wieder andächtig den Hut ziehe. Ein eher nostalgisches Erlebnis.

WAR
(WAR)
USA 2007
Regie: Phillip G. Atwell

Ein B-Movie das aber keins sein will. Ein Film über vertauschte Identitäten und mit einem in seiner Struktur eher für die 1990er typischen plot twist, der Komplexität geben soll, wo inhaltlich eigentlich keine ist. Funktioniert nicht mal als affirmatives Actionvehikel so richtig.

TERROR FORCE KOMMANDO
(THREE MEN ON FIRE)
Italien / Kamerun 1986
Regie: Richard Harrison

Richard Harrisons zweite Regiearbeit zeigt sowohl ihn als auch Kameruns Actionstar der 1970er Alphonse Beni in den Hauptrollen gegen einen psychisch degenerierten Romano Kristoff, der hier mal nicht den Ninja gibt, sondern den Anführer einer Terrororganisation, die den Pabst bei seinem Besuch auf dem afrikanischen Kontinent aus dem Weg räumen möchte. Ein hanebüchenes Schmankerl, voller dilettantischer Unzulänglichkeiten und damit ein Heidenspaß für alle Freunde unfreiwilliger Komik. Etwas mehr Tempo hätte dem Film gut getan. Wie Richard Harrison sich selbst als "Humphrey Bogart für Arme" inszeniert und auch nicht davor zurückschreckt kleine Kinder in Angst zu versetzen, wenn sie ihn stören, wiegt nahezu alles auf.

EIN MANN WIE SPRENGSTOFF
(THE FOUNTAINHEAD)
USA 1949
Regie: King Vidor

King Vidors Verfilmung des Ayn-Rand-Romans ist einerseits eine handwerklich überzeugende Arbeit, aber andererseits ein typisches Kind seiner Zeit, wobei einige der Dialogpassagen schon damals schwülstig in ihrer Überfrachtung gewirkt haben sollen. Rands Philosophie vom "kapitalistischen Ego-Moralisten", so fasse ich ihre Theorien mal sehr salopp zusammen, werden von Vidor noch stärker an das Individualisierungsprinzip der Amerikaner angepasst und mit dem Mythos vom amerikanischen Aktionismus gekoppelt. Weiterhin arbeitet er mit seinen stilvollen weichen Überblendungen, insbesondere bei den fantastischen Gebäudemodellen, die erkennbar machen, dass er immer noch der Bildsprache des Stummfilms verpflichtet war. Im gleichen Jahr drehte Raoul Walsh SPRUNG IN DEN TOD, dessen Ende wie eine Ironisierung von Vidors Film wirkt. Steht Gary Cooper am Ende von EIN MANN WIE SPRENGSTOFF thronend über den Dächern von New York, fliegt James Cagney in Walshs dreckigem kleinen Meisterwerk mitsamt dem "Dach der Welt" in einer der spektakulärsten Explosionen der Filmgeschichte in die Luft.

MANHUNTER
(MANHUNTER: THE BRASS GANG)
USA 1975
Regie: Martin Beck

Fortsetzung des gleichnamigen Erstlings aus der Produktionsstätte des Red-Neck-Cormans Earl Owensby. Das amerikanische Südstaaten-Autokino wurde von Owensby in den 70er und frühen 80er Jahren mit einigen C-Filmen bedacht, bei dem dieser aufgrund eines gewissen inszenatorischen Gespürs noch herausragt. Die "Nacktheit" einer solchen Produktion schenkt einem einen minimalen Einblick in die Strukturen des Südstaatenmiefs der Zeit.

THE SECRET OF THE LOST EMPIRE
(HANDS OF DEATH)
Hongkong / Thailand 1986
Regie: Godfrey Ho

Diesmal handelt es sich als Grundlage um einen thailändisch produzierten Schatzsucherfilm (dessen Titel ich leider nicht in Erfahrung bringen konnte) mit einigen der abgefucktesten Martial-Arts-Szenen, die ich je gesehen habe und die den gerade erst gesehenen ONG-BAK nur noch dröger wirken lassen. Wahnsinn, was das thailändische Actionkino der 70er und 80er drauf hatte. Ach ja, Richard Harrison spielt auch irgendwie mit. Er wird immer mit Szenen integriert, bei denen er im militärischen Tarnanzug neben einem Ein-Mann-Zelt im Wald sitzt und tödliche Fallen baut, in die dann irgendwelche bunten Ninjas tappen.

ONG-BAK
(ONG-BAK)
Thailand 2003
Regie: Prachya Pinkaew

Zu Beginn vielversprechende, dann ziemlich vorhersehbare x-te Version eines Bauernmelodrams, wie sie in den 70ern und frühen 80ern in Thailand zuhauf produziert wurden. Das leidlich Interessante sollen die so angeblich noch nie dagewesenen Kampfchoreographien sein, was sich schnell als Augenwischerei herausstellt. Choreographierte Film-Fights, bei denen richtig zugeschlagen wurde, gab es auf den Philippinen und in Thailand schon vor mehr als 30 Jahren (u.a. siehe oben). Bleiben also lediglich die Zeitlupensequenzen, die einen kinematographischen Sinn weitgehend vermissen lassen. Der besteht nämlich aus dem Zusammenspiel von Kamera, Blende, Einstellungswinkel, Schnitt und Vertonung und nicht darin eine Kamera abzustellen und dann in ein und derselben Einstellung durchgefilmt eine Zirkusnummer abzulichten, in der die Montage nur dafür dient, dass wir uns das eben Gesehene noch mehrmals hintereinander ansehen dürfen, um zu bestaunen, was das wirklich einzig Bemerkenswerte an diesem Streifen ist: Die artistischen Fähigkeiten der Darsteller.

SMOKIN' ACES II: ASSASSINS' BALL
(SMOKIN' ACES II: ASSASSINS' BALL)
USA / Kanada 2010
Regie: P.J. Pesce

P.J. Pesce war bisher der Garant für fähige DTV-Fortsetzungen, die m.M.n. das fürs Kino konzipierte Original sogar eher übertrafen. Im Falle von SMOKIN' ACES hätte das nicht zu schwer sein dürfen, stellte dieser Streifen doch den größten Dreck dar, den ich in den vergangenen Jahren das Missvergnügen hatte zu sehen. Doch leider besteht die einzige Verbesserung bei der Fortsetzung darin, dass sie mir nicht ganz so auf die Nerven gegangen ist wie ihr Original. Das ist ja auch schon was.

DIE 12 GESCHWORENEN
(12 ANGRY MEN)
USA 1957
Regie: Sidney Lumet

Diesmal habe ich Lumets Kinodebut aus der Sicht gesehen, dass er zu der neuen Gilde an Regisseuren gehörte, die sich ihre Sporen beim Fernsehen verdienten und daher ein neues Verständnis für Bildkader und Montage mitbrachten. Das hat mir den Film noch mal völlig neu erschlossen und ihn für mich wirklich zu dem Meisterwerk werden lassen, als das er bezeichnet wird. Im Grunde ist Lumets Kamerasprache ein ideales Verbindungsstück zwischen Hitchcock, Welles, Aldrich und Frankenheimer.

DER GRENZWOLF
(BORDERLINE)
USA 1980
Regie: Jerrold Freedman

Sehr trockener Krimi, der das immer noch oder sogar mehr als je zuvor brandheiße Thema der illegalen Einwanderer in die USA über die mexikanische Grenze behandelt. In seinem zynischen Stil mit Reportageelementen und der Kombination aus Achsentreue und Handkamera ein interessantes Beispiel für den Endpunkt des Kinos, bevor es in den 1980ern mit Blockbuster und Neo Noir zu einer Rekombination aus Bekanntem kam.

DER SUPERTYP
(ECCO NOI PER ESEMPIO...)
Italien 1977
Regie: Sergio Corbucci

Einer der wenigen Nicht-Western Corbuccis, der seine Handschrift trägt. Der wütende Sozialist schmeißt einen verträumten Dichter vom Lande und einen alternden Playboy und Lebenskünstler - er verdient sich seine Brötchen als Fotograf und heißt deshalb nur *Klick* und steht schon jenseits der Armutsgrenze - zusammen, lässt sie sich die gleiche Frau teilen, den Mann oder was man sonst vögeln muss, um an Geld zu kommen. Kalte Kokainwelten in der Disco, männliche Prostitution für den Erfolg, die links-intellektuelle Rhetorik vom bösen bourgeoisen Homosexuellen, die Degeneration der Reichen, die sich stolz ihr Sicherheitssystem von ehemaligen SS-Schergen einrichten lassen. Corbuccis Film hätte eigentlich einen eigenen Eintrag verdient gehabt. :(

DIE 39 STUFEN
(THE 39 STEPS)
Großbritannien 1935
Regie: Alfred Hitchcock

Noch ein Film, der eigentlich einen eigenen Eintrag verdient hätte. Hitchcocks erste Umsetzung seiner Geschichte vom unschuldig Verfolgten, der durch die Durchquerung des Landes, also durch reinen Aktionismus, versuchen muss seine Unschuld zu beweisen. Die Verkettung von Ereignissen durch schwache übergeordnete Hinweise, die Montage und die episodische Struktur erzählen mehrere Einzelfilme, die kurz angerissen und schon wieder verlassen werden, bevor tiefere Gedanken über einen Sinnzusammenhang entstehen. Diese Art von Dynamik erfasst eines der Grundprinzipien von Film. Vielleicht der erste Hitchcock, wo ich mir während der Betrachtung rein gar nichts herleiten musste und ich von der ersten Sekunde an "drin" war. Ein "Augenöffner".

DER UNBEZWINGBARE SUPER-CHAN
(TIAN ZHAN)
Taiwan 1971
Regie: Yang Sun

An diesem Brett werden wir noch lange zu kauen haben. Um ehrlich zu sein, hätte ich nicht gedacht, dass man eine derartige Schlacht inszenieren und sie dann noch Film nennen kann. Allenfalls Schlachtplatte.

ASSO
(ASSO)
Italien 1981
Regie: Franco Castellano / Giuseppe Moccia

Kleine Spielerkomödie mit Celentanos Stammpersonal. Wie groß Celentano in Italien war bzw. ist, merkt man daran, dass er am Ende sogar den Allmächtigen persönlich geben darf.

BLACK HAWK DOWN
(BLACK HAWK DOWN)
USA 2001
Regie: Ridley Scott

Die Langeweile eines perfektionierten Stils, der eben nichts weiter kann als Oberfläche zu produzieren. Die plumpe, rassistische und reaktionäre Message lässt jeden Actionfilm der 1980er wie auseinandersetzungsstarkes Politkino erscheinen.

DAS TURBOGEILE GUMMIBOOT
(UP THE CREEK)
USA 1984
Regie: Robert Butler

Dass der Film so abgedreht ist, wusste ich nicht mehr. Es kommt selten vor, dass mir ein Film in puncto Absurdität immer einen Schritt voraus ist.

MATRIX REVOLUTIONS
(MATRIX REVOLUTIONS)
USA 2003
Regie: Andy Wachowski / Larry/Lana Wachowski

Nachdem die Revision des zweiten Teils so positiv verlief, kann ich für den dritten nur eine Bestätigung meines letzten Eindrucks finden: Müll.

DER BRUMMBÄR
(IL BURBERO)
Italien 1986
Regie: Franco Castellano / Giuseppe Moccia

Celentanos letzter großer Kinofilm weist bereits diverse Abnutzungserscheinungen auf, aber unterhält immer noch damit sich ein herrlich arrogantes Arschloch anzusehen.

DER MANN OHNE GNADE
(DEATH WISH II)
USA 1981
Regie: Michael Winner

Zum ersten Mal im Original gesehen, was den Film mal wieder so richtig frisch machte. Die Kompromisslosigkeit von Diagonalen und elliptischem Schnitt, gekoppelt an Jimmy Pages Gitarrensoundtrack, hat mich angenehm in die Zeit der dreckigen Slums und Hinterhöfe geführt, die man in solch einem Naturalismus im amerikanischem Mainstreamkino leider nicht mehr zu sehen bekommt. Dazu die Ikone Bronson, bei der mir mit weiterem Reisen durch die Filmgeschichte immer klarer wird, warum er so einzigartig war.

FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR
(PER UN PUGNO DI DOLLARI)
Italien / Spanien / BR Deutschland 1964
Regie: Sergio Leone

Da wir gerade eine "John Ford"-Reihe machen und vorher FAUSTRECHT DER PRÄRIE gesehen haben, erschließt sich mir Leone noch mal auf einer völlig neuen Ebene. Auf der einen Seite wirkt Leone jetzt natürlich epigonenhafter, andererseits kann ich ihn noch intensiver genießen. Vor allem Fords long shots und die Wechsel zwischen Totalen und Close-Ups hat Leone für sich und das Scope-Format einzusetzen gewusst. Letzteres war mir bei Leone zwar schon vorher bekannt, aber es nun in eine Tradition zu inkludieren, die zur Entstehungszeit von FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR schon fast ein halbes Jahrhundert zurückreicht (ich denke an Fords 1917 entstandenen STRAIGHT SHOOTING), sorgt für einen aufregenden Kopplungseffekt der (Film-)Geschichte.

ZWEI TOLLE HUNDE IN HONGKONG
(SCHIAFFONI E KARATE)
Italien 1973
Regie: Antonio Margheriti

Eine der diversen Plagiatorenproduktionen, die nach dem phänomenalen Erfolg von ZWEI HIMMELHUNDE AUF DEM WEG ZUR HÖLLE entstand. Faszinierend, wie die Parodie noch mal parodiert wird und das italienische Kino bei sich selbst klaut. Tolle Aufnahmen aus Sidney und Hongkong, Margheriti kann wieder seinem Modellbauwahn frönen, die Italiener greifen die chinesischen Ischen ab und Rainer Brandt sorgt für den entsprechend ordinären Touch. Das ist Völkerverständigung.

DAS ULTIMATUM
(TWILIGHT'S LAST GLEAMING)
USA / BR Deutschland 1976
Regie: Robert Aldrich

Mit unserer 2008 begonnenen Aldrich-Reihe kommen wir nun langsam zum Ende. Aldrichs Geburtstagsgruß an die Nation ist ein Faustschlag in das Gesicht jeden Amerikaners. Dass die mögliche Vernichtung des Erdballs durch "die Bombe" im Originaltitel mit einer passenden Liedzeile aus dem "Star Spangled Banner" angedeutet wird, ist nur einer von vielen Seitenhieben.

TOT UND BEGRABEN
(DEAD AND BURIED)
USA 1981
Regie: Gary Sherman

Die Sichtung dieses wunderbaren kleinen Neuengland-Mystery-Thrillers hat mir diesmal leider keine weiteren Erkenntnisse beschert.

BORN TO RAISE HELL - ZUM TÖTEN GEBOREN
(BORN TO RAISE HELL)
USA 2010
Regie: Lauro Chartrand

Seagals neuster war der perfekte Flasch-Bier-Film, knüpft aber leider nicht an Arbeiten wie URBAN JUSTICE oder DEATHLY WEAPON an. Die Selbstzweifelschiene scheint für Seagal schon wieder weitgehend erledigt und er mäht jetzt wieder mit bestem Wissen und Gewissen alle um. Dass seine DTV-Filme der letzten 10 Jahre in Japan noch alle in den Kinos laufen, ist einer der interessanteren Aspekte an seinem "Schaffen".

ROLLERBALL
(ROLLERBALL)
USA 1974
Regie: Norman Jewison

So überwältigend wie schon lange nicht mehr.

DER TOLLWÜTIGE
(LA BELVA COL MITRA)
Italien 1977
Regie. Sergio Grieco

Die logische Weiterentwicklung von Silvio Narizzanos BLUTRAUSCH (1972) und Lenzis DER BERSERKER (1974). Nur prallt man an der von Kokain durchsetzten Visage Helmut Bergers permanent ab. Ein Alptraum auf allen Ebenen.

FREEDOM STRIKE
(FREEDOM STRIKE)
USA 1998
Regie: Jerry P. Jacobs

Wie BLACK HAWK DOWN, nur gibt's hier wenigstens was zu lachen.