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Dienstag, 29. Mai 2012

Weltenkollisionen und Anderes

(THE SEARCHERS)
USA 1956
Regie: John Ford

Aus der Schwärze einer Hütte, Amerika, schreitet die Geliebte, die einen anderen geheiratet hat, durch die Tür in das wilde Land hinaus. Noch lächelt sie, denn sie sieht einen Geist der Vergangenheit. Jenseitig ist Ethan Edwards bereits, doch er muss sich noch durch dieses Land schleppen, welches so rot, wild und zerklüftet ist, wie die Menschen, die es ursprünglich bewohnen. In dieser Marslandschaft wirkt die Farm wie ein Fremdkörper. Sie gehört dort nicht hin und auch Ethan gehört dort nicht hin. Sein Leben wird durch die ständige Bewegung definiert. Stillstand wäre der Tod, würde er ihn mit der Sinn- und Bedeutungslosigkeit seiner Existenz konfrontieren. So flüchtete er in einen Krieg, weil die Frau, die er liebte, einen anderen, seinen Bruder, geheiratet hat. So hatte er keine Chance auf Familie und lebte für den Krieg. Auch da versagt er, stand er auf der Seite der Verlierer, doch kann er vor der Niederlage nicht davon laufen, da sie innerhalb seines eigenen Landes stattfand. So wurde er zum Drifter, hat frisch geprägtes Gold aus dubios erscheinenden Quellen, gibt ungenaue Antworten über Verbleib und Tätigkeit in den Jahren nach dem Krieg. Kinder verstehen ihn, Kinder mögen ihn. Nur die Erwachsenen, die in dieser zivilisierten Welt leben, die versteht er nicht.

Als Fremdkörper in der eigenen Familie hängt er sich an die erstbeste Gelegenheit wieder loszuziehen. Gegen Komantschen geht es. Sehr gut. Das Zwei-Fronten-Prinzip nicht zu vereinigender Kulturen wird widergespiegelt durch sich in Hass wälzenden Vertretern ebendieser. Der Kommantschenhäuptling tötet aus Rache für seine von Weißen getöteten Söhne. Ethan tötet,…, ja, Ethan tötet. Warum? Weil es nichts mehr zu tun gibt. Weil er keine Aufgabe, keine Funktion mehr hat. Er sucht sich einen Grund zum Töten, in dem er die Suche nach seiner Nichte, zu der er keinerlei Verbindung außer die Blutsverwandtschaft hat, zu einer Art Chefsache erklärt. Diese Suche soll ihm wieder einen Sinn geben. Er darf sie nicht finden. Er braucht die Suche nur, um seinen Hass auf das Wilde, das Ungezähmte ausleben zu können. Auf das, was er selbst geworden ist. Was er abgrundtief hasst und gleichzeitig bewundert, weil es in der Struktur der Nomaden als ewige Fortbewegung eins mit dem Land lebend existiert. So wie er es gerne tun würde, aber nicht kann, denn er ist ein Weißer, der nur Okkupation, aber nicht Integration kennt. Doch seine Leute wollen ihn auch nicht. Niemand will ihn. Er war mal zu etwas Nutze, doch jetzt soll er bitte verschwinden. Sein Hass, seine Ausdauer, sein Willen lassen ihn zum Ziel kommen, welches er vernichten will. Vernichten will er seine Nichte, denn sie ist, was er gerne wäre, aber nie sein wird und deshalb hasst, so wie er alles hasst, was er ist, aber nicht sein kann. Passend zum Heyoka-Prinzip des Stammes, den er jagt. Dem Prinzip, das Eine zu sagen und das Gegenteil zu machen. Darin ist Edwards gefangen. Er kann es nicht bewusst leben. Nur unbewusst. Wie ein Tier. Die traurige Bilanz der Pervertierung eines stolzen Kriegers durch zivilisatorische Mechanismen.

HOUSE
(HOUSE)
USA 1985
Regie: Steve Miner

Fast schon virtuos werden die Skills des Horrorkinos in ein postmodernes Gewand gekleidet, zwecks Inkludierung amerikanischer Vergangenheitsbewältigung für einen verlorenen Krieg, Rehabilitierung verlorener Tugenden und Reaktivierung des Mythos, aber gleichzeitig der (fiktionalen) Wahrhaftigkeit über das männliche Prinzip der Errettungsfantasie, um sie so zu einer regressiven Reise in die Manifestationen unbewusster Ängste als Konfrontation mit der physikalischen Verzerrung ebensolcher hochzuspielen und durch humoristische Relativierung mit adoleszenten Vorstellungen von Erwachsenenrealitäten gefügig zu machen. Sehr unterhaltsam.

HOSTEL
(HOSTEL)
USA 2005
Regie: Eli Roth

Enorm verdichtende Zuspitzung eines Isolationszustandes, der in der Liberalität eines Amsterdamer Rotlichtbezirks beginnt und in einem dunklen Kellerraum am Ende eines Ganges endet, bis die neu erworbene Lebensbedeutung auf den kleinsten Nenner fixiert ist und ihrerseits, trotz symmetrischer Retributionsattacken, im ausgelebten Blutrausch als Replik einer narzisstischen Kränkung mündet. Der symbolische Vertreter einer Kapitalismusnation wird mit den pervertierten Auswüchsen seiner von ihm selbst stolz aber unwissend vorgetragenen Kolonialisierungsidee konfrontiert und wird auf deren geistiges Ur-Prinzip zurückgeworfen, dass totale Individuation Isolation bedeutet.  


Zusatz: Da sich zu meinem Text an anderer Stelle eine Diskussion entwickelt hat, werde ich diese in den Kommentaren veröffentlichen. Über eine Teilnahme würde ich mich sehr freuen.

11 Kommentare:

  1. jaZZ schrieb:

    Mir ging noch viel der Aspekt des Nomaden durch den Kopf, mehr noch als der des Pioniers. Es ist eine Suche, die ein Ziel aber keine Richtung kennt, die zwar motiviert aber nicht sinnvoll ist. Ein Pionier erobert Land, stößt vor in unbekanntes Gebiet und vor allem, er schafft eine Basis, um etwas Neues vor Ort zu etablieren. Ethan und Martin hingegen streifen durch Indianerland, Fremdkörper in einer Gegend fern der besiedelten Zivilisation. Sie wollen nichts schaffen, sondern am besten unauffällig bleiben, keine Spuren hinterlassen (Martin > Mädchen zurückholen und verschwinden) oder Zerstören und Vernichten (Ethan > Indianer töten und alles ausmerzen, was mit ihnen zu tun hat. Ich denke da an die befremdliche Szene mit der Büffelherde, als er nur noch verbissen "Töten, alle töten, damit die Indianer nichts zu fressen haben" hervorstößt).

    Die Leere des Films, seiner düstere Stimmung, die Verdichtung und immer aussichtsloser erscheinender Suche nach Debbie (auch als sie sie finden, kommt nicht wirklich eine bessere Stimmung auf) bauen für mich gewisse Parallelen zu Filmen wie "FLUCHTPUNKT SAN FRANCISCO" oder "MIKE - IN 3,8 AUF 100" auf. Es geht darum, immer in Bewegung zu bleiben, keinen Stillstand zu kennen, denn der bedeutet den Tod. Bei "FLUCHTPUNKT S.F." endet es mit Aufprall und Auflösung. In "MIKE" rast sein Gegner in den Freitod, da er zum ersten Mal im Rennen überholt wurde und sein run unterbrochen ist.

    In "DER SCHWARZE FALKE" ist Ethan Edwards eine Figur, die schon alles hinter sich hat, alles gesehen hat und als die Suche schließlich zu Ende ist, kurz innehält, einen letzten, langen Blick der Familie hinterher in das Haus wirft, in das er nicht gehört, sich umdreht und in die Wüste hinausgeht. Die Kamera ist im Inneren des Hauses positioniert, sie und Wayne stehen sich quasi gegenüber wie in einem Duell (das es in diesem Film nie gibt). Er dreht sich um und geht weg, in das Licht, die Tür schlägt zu und er ist nicht mehr zu sehen. Schwärze. Ethan Edwards ist formal wie inhaltlich draußen.

    Wie Kowalski im tautologischen Crash, wie Harry Callahan, der am Ende von "DIRTY HARRY" hinter dem Hügel verschwindet; auch ihre letzten Grenze kann nur noch der Tod sein, metaphysisch zelebriert.

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  2. mono.micha schrieb:


    "Ethan tötet,…, ja, Ethan tötet. Warum? Weil es nichts mehr zu tun gibt. Weil er keine Aufgabe, keine Funktion mehr hat. Er sucht sich einen Grund zum Töten, in dem er die Suche nach seiner Nichte, zu der er keinerlei Verbindung außer die Blutsverwandtschaft hat, zu einer Art Chefsache erklärt. Diese Suche soll ihm wieder einen Sinn geben. Er darf sie nicht finden. Er braucht die Suche nur, um seinen Hass auf das Wilde, das Ungezähmte ausleben zu können. Auf das, was er selbst geworden ist. Was er abgrundtief hasst und gleichzeitig bewundert, weil es in der Struktur der Nomaden als ewige Fortbewegung eins mit dem Land lebend existiert. So wie er es gerne tun würde, aber nicht kann, denn er ist ein Weißer, der nur Okkupation, aber nicht Integration kennt."


    Oh ja. Das habe ich mich bei der letzten Sichtung auchgefragt, woher nur dieser Hass auf die Indianer kommt. Ob das nur ein umgelenkter Selbsthass ist, mit dem er sein Dasein als isolierter Außenseiter zu kompensieren versucht, oder ob das eine Übernahme von traditioneller Fremdenfeindlichkeit ist, weil man sonst eben gar nichts mehr ist in einer Welt, die sich an einem vorbei- und weiterentwickelt hat...

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  3. Der Außenseiter schrieb:

    @ mono.micha

    Ich denke, dass kann man wunderbar miteinander verbinden. Ethan Ewards wird am Anfang ein Mitglied der weißen Siedler gewesen sein, wie alle anderen. Rassistisch, besitzergreifend, borniert und desinteressiert an anderen Kulturen (es hat mir teilweise ganz schön Schwierigkeiten bereitet mit anzusehen, wie Ford seine ganzen über die Jahrzehnte entwickelten Skills der Familienidylle demontiert und die weißen Siedler auf diese Weise geschickt bloßstellt, ohne sich und seine Figuren verraten zu müssen). Doch in Ethan selbst scheint etwas zu stecken, was ihm das Gefühl gab, nicht mit der Gemeinschaft sauber und reibungslos zu funktionieren. Darum wurde er vom Pionier zum Krieger und schließlich zum Nomaden. Aber kein Siedler. Er lebte nie wirklich mit seinesgleichen und deren Riten zusammen und so wurde er zu einem Suchenden, der, so eingeimpft es ihm auch war nichts mit der anderen Kultur zu tun haben zu wollen, sich mit ihr intensiver beschäftigt hat, als alle Anderen. Er kennt nicht nur die Riten der Indianer, er spricht sogar ihre Sprache. Wie viele wissen wir nicht, aber er kann die Stämme unterscheiden und spricht die Sprache der Komantschen fließend. Doch zu ihnen wechseln kann er auch nicht. Er ist die perfekte Manifestation eines schwebenden Zustandes, der das Alte, das ihn so geprägt hat, nicht aufgeben kann und das Neue, von dem eine Faszination ausgeht, eine Alternative möglich scheint, nicht zulassen kann. Das macht diese Ford-Figur auch so enorm negativ, oder sagen wir düster. Es ist der Blick in eine zerrissene Seele und dank Fords Symmetrieprinzip können wir ihn verstehen und gleichzeitig abgestoßen werden, weil wir ihn doch nicht wirklich verstehen. Ethans Selbsthass ist eine psychologische Folge geworden, doch um nicht verrückt zu werden, um nicht an sich selbst zu zerbrechen, verlagert er ihn nach Außen und projiziert ihn auf die Komantschen.

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  4. mono.micha schrieb:

    Interessante Ausführungen, danke. Werde bei der nächsten Sichtung mal darauf achten, wie das mit der Kenntnis der Indianersprache hergeleitet wird, oder ob das in so einem diffusen Erfahrungsschatz des "Mann der Prärie"-Mythoses untergejubelt wird. Verständnis oder sogar fließendes Sprechen, insbesondere einer völlig fremden Sprache, bedeutet ja auch immer Annäherung an die Kultur und die Menschen...

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  5. Der Außenseiter schrieb:

    Ich glaube, es gibt tatsächlich keine Erklärung für seine z.T. enormen Kenntnisse und Fähigkeiten über die Indianer (sogar sein Gewehrholster ist im Stile der Ureinwohner gehalten). Der Film arbeitet ja auch reichhaltig mit Leerstellen. Ford, dessen Privatbibliothek einer Nationalbibliothek gleichgekommen sein soll und der sich zur Vorbereitung eines Filmes manchmal tage- oder wochenlang in ihr einschloss, Zettelsammlungen anfertigte und soff wie ein Loch, wird dabei bestimmt auch mal den alten Nietzsche bzw. Strindberg gelesen haben: "Wer zu lang gegen Drachen gekämpft hat, wird selbst zum Drachen."

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  6. Zur Hostel Kritik:

    " Der symbolische Vertreter einer Kapitalismusnation wird mit den pervertierten Auswüchsen seiner von ihm selbst stolz aber unwissend vorgetragenen Kolonialisierungsidee konfrontiert und wird auf deren geistiges Ur-Prinzip zurückgeworfen, dass totale Individuation Isolation bedeutet"

    Ich muss das einmal kurz verstehen. Ist das wirklich ersnt gemeint oder ironisch gemeint? Der Logik nach kann es sich eigentlich nur um letzteres handeln.

    Wir haben es hier mit einem typischen Hollywoodhorrorfilm zu tun, welcher nur zu einem Zweck erstellt wurde: Kasse zu machen.

    Ich finde es fast schon obszön soviel pseudo Tiefgang in eine Hollywoodproduktion hineinzuinterpretieren. Hey, solche Filme werden meist von irgendwelchen Typen geschrieben, die in L.A. das Highlife genießen, viel saufen, ficken und den Tag verpennen. Beim Schreiben eines solchen Drehbuchs wird sich einer gedreht und darauf geachtet, dass der kommerziell etwas reißen kann.

    Aber irgendwelche Anspielungen auf die eigene Geschichte oder gar Gesellschaftskritik halte ich für nicht beabsichtigt, sondern gewollt hineininterpretiert.

    LG
    Doc Holliday

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  7. Ich denke, es muss hier erst mal ein Unterschied gemacht werden, zwischen zwei Prinzipien, die für die Rezeption eines Werkes relevant sind.

    Die von Dir ins Feld geführte Herangehensweise ist eine den Positivismus als Basis habende Überlegung der Intentionsfindung. Hierbei wird sich dem Werk auf die Weise genähert, dass die Beweggründe, biographische Hintergründe und Vorstellungen der Schöpfer eines Werkes, die zenralen Elemente sind, die es bei einer Analyse zu berücksichtigen gilt. Berühmtestes Beispiel, zumindest im deutschsprachigen Raum, ist hiefür wohl die Kafka-Forschung. Das Problem an dieser Herangehensweise ist, dass sie reduktionistisch ist. Es wird versucht das Werk im Zusammenhang mit seinem Schöpfer zu sehen, gerade so, als wären seine Gedanken während der Erstellung des Werkes maßstabsgebend für die Integrierung des Werkes in unseren komplexen Kulturkreis.

    Tatsächlich ist ein Künstler aber, egal ob er ein Hungerleider ist, der seine Bilder verkaufen möchte, oder ein Drehbuchautor/Regisseur in L.A., der sich gerade 'ne Prise Koks reingezogen hat, um innerhalb der Industrie, in der er tätig ist, den nächsten Hirnfurz rauszulassen, ein Bestandteil unserer Welt und kann gar nicht bis in letzter Konsequenz abschätzen, was er da macht.

    Das führt mich zum zweiten Prinzip, ein Werk zu analysieren. Seit den 1950er Jahren gibt es eine Wende in der Rezeption von Kunst, die zur Folge hat, dass weder die Aussagen von Künstlern, noch deren biographischer Hintergrund, eine ausreichende Erklärungskraft besitzen, ein Werk, welches in den öffentlichen, gesellschaftlichen Raum gestellt wurde, zu erfassen. Selbst wenn der genannte L.A-Fuzzie als Intention tatsächlich lediglich daran dachte, einen schnellen Dollar zu machen, so ist er trotzdem ein Mensch geprägt von seinem Kulturkreis. HOSTEL wird dadurch letztlich ein Spiegel für amerikanisches Denken, in diesem Fall für unseren L.A.-Fuzzie, aber darüber muss dieser sich gar nicht im Klaren sein. Schließlich ist er selbst nur ein Teil des Ganzen der nicht mal merkt, dass er auf indirekter Ebene seine Figuren bloßstellt (Ami-Ärsche, die sich amüsieren wollen, kaum wirklich positive Identifikationsfiguren). Aber vielleicht empfindet unser L.A-Fuzzie die Typen als positiv, wer weiß, denn selbst dann stellt er amerikanisches Gedankengut dar/bloß, und das wäre dann ja noch nicht mal seine Intention gewesen. Und eben weil dies alles hochspekulativ ist, ist die Intention eines Künstlers hinreichend, aber nicht ausreichend für eine Werkanalyse. Wenn in 100 Jahren jemand HOSTEL sieht, weiß er nicht mehr, was sich Eli Roth dabei gedacht hat und das ist auch unwichtig. Das Werk wird aber immer noch existieren. Darum wird der Film MAD MAX oder MAD MAX II nachfolgenden Generationen in einigen Jahrhunderten auch mehr über das 20. Jahrhundert (Ressourcenkampf um Öl und Wasser, atomare Bedrohung, das Automobil als DIE Erfindung, die die Welt erobert hat, Rücksturz ins Archaische, trotz Über-Technisierung usw.) erzählen können, als ein Geschichtsbuch. In dieser Großdimension sind die Hintergründe, wie ein Werk entstanden ist und welche Intentionen der Schöpfer hatte zwar nicht unwichtig, aber nicht allumfassend. Dazu fällt mir Achternbuschs geniales Zitat ein: "Aber nur die verkommenste aller Künste, der Film, darf den Versuch wagen, unseren Nachkommen zu sagen, daß auch wir Menschen gewesen sind."

    Außerdem ist es sehr schwer, wenn man derart frei vorgeht, weil man alles genau am Werk belegen muss. Die Intentionsfindung und ihr Wunsch nach Allerklärung ist da der einfachere Weg, denn man verlässt sich auf das, was einem gesagt wird. Gerade bei so etwas schwer zu durchschauendem wie Film ist es nicht verwunderlich, dass so viele Leute sich durch Making-Ofs oder Aussagen des Regisseurs/Drehbuchautors für vollauf informiert halten. Ein Werk in seinen künstlerischen und kulturellen Zusammenhang zu setzen, ist da weit schwerer. Ein "Hineininterpretieren“, wie Du sagst, würde es erst werden, wenn man seine Ausführungen nicht mehr am Werk begründen kann.

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  8. Erst einmal vielen Dank für die ausführliche Antwort. Du hast ein wenig Zeit in sie investiert und das weiß ich zu schätzen.

    Aber warum kommt es mir nur so unglaublich abgehoben vor, was du schreibst. Wir reden hier über Filme und da halte ich Begrifflichkeiten wie etwa "Positivismus" einfach für Fehl am Platze.

    Du siehst dich wahrscheinlich selber als Journalist bzw. als ein Mensch, der seinen Filmgeschmack aus einem gewissen Geltungsbedürfnis heraus mit anderen Menschen teilen möchte. Richtig?

    Aber warum schreibst du so, als würdest du wollen, dass nur sehr wenige Personen deine Texte wirklich verstehen sollen?

    Sehr aufschlussreich und treffend auch, was der werte Ranicki dazu sagt:
    http://www.youtube.com/watch?v=86rD3TrJCyE

    Ab Minute 9:08!

    Die Grundaussage deines Textes finde ich sogar recht annehmbar. Nicht meine Meinung, aber immerhin von dir gut belegt. Aber warum mit einem derartigen Kanonenschwall aus komplizierte Sätzen, wenn die Message auch soviel einfacher zu transportieren wäre?

    Sicher, man kann sagen: Weil ich es kann. Aber dann weise ich noch einmal zaghaft auf den Sinn des Ganzen hier hin: Leute zu erreichen.

    Jenen Part hier halte ich dann aber für viel zu weit gegriffen und hoffe, dass du ihn nicht ernst meinst:

    "Darum wird der Film MAD MAX oder MAD MAX II nachfolgenden Generationen in einigen Jahrhunderten auch mehr über das 20. Jahrhundert (Ressourcenkampf um Öl und Wasser, atomare Bedrohung, das Automobil als DIE Erfindung, die die Welt erobert hat, Rücksturz ins Archaische, trotz Über-Technisierung usw.) erzählen können, als ein Geschichtsbuch."

    Das greift einfach zu kurz.

    "Gerade bei so etwas schwer zu durchschauendem wie Film"

    Ein Film soll schwer zu durchschauen sein? Der Film ist ein sehr massentaugliches Medium, da er in den meisten Fällen sehr einfach zu konsumieren ist. Camus, Nietzsche, Foucault... Jap, solche Dinge sind schwer zu durchschauen. Aber ein Film ist im Gegensatz zu echter Literatur immer nur ein äußerst kleiner wohl schmeckender Snack, der es oft schafft dort Intellekt vorzugaukeln, wo gar keiner war.

    LG
    Doc Holliday

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  9. Zum Punkt der Verständlichkeit:

    Vielleicht sollte ich erwähnen, dass ich mich selbst als nicht besonders befähigt sehe, Texte zu Filmen knackig und für Jedermann verständlich zu formulieren. Auch gehe ich von mir selbst immer als der wenigst wissende Rezipient aus.

    Ich bin nun mal kein Journalist, ich bin Wissenschaftler. Über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren habe ich aus der Philosophie, der Soziologie, der Psychologie, der Medien- und Kommunikationswissenschaften, der Mathematik und Physik, sowie der Neurowissenschaften, Informationen gezogen, um mir Film Stück für Stück besser erklären zu können. Ich habe Psychologie studiert, u.a. mit dem Schwerpunkt Medien, wo Film in seiner Komplexität und Tiefgründigkeit, sowie natürlich auch Manipulations- und Affektwirkung, ausgiebig behandelt wird. Ich sehe mich eher als jemand, der verzweifelt versucht, die überwältigende Wirkung von Film irgendwie in Worte zu fassen, die dafür nun mal ziemlich unzureichend sind. Was ich schreibe mag abgehoben erscheinen, doch tatsächlich sind es nur verkrüppelte Versuche eines kleinen Geistes, der Multikomplexität der größten Kunstform unserer Epoche irgendwie Herr zu werden. Tatsächlich sehe ich sowohl meine Sprache, als auch meine Form als so dermaßen primitiv an, dass ich mich manchmal schäme, überhaupt über Film zu schreiben. Nach einer mehrjährigen Abstinenz vom Internet habe ich mich wieder zu diesem Schritt durchgerungen.

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  10. Es ist wohl offensichtlich so, dass wir unterschiedliche Bedürfnisse bei einem Filmerlebnis haben, denn was Du zur siebten Säule der Kunst, also Film, schreibst, lässt mir schlicht die Haare zu Berge stehen. Wieso sollte der Begriff Positivismus, ein zentraler epistemologischer Aspekt der Kunstwissenschaft, für die siebte Säule der Kunst unangebracht sein? Nebenbei geht das nicht auf mich zurück, sondern ist lediglich eine Darlegung, wie innerhalb wissenschaftlicher Parameter Kunst rezipiert und analysiert wird. Während es für Literatur inzwischen entsprechende Theorien zur hermeneutischen Analyse gibt, steckt man bei Film noch weitgehend in den Kinderschuhen, weil er in seiner Komplexität kaum zu fassen ist. Balázs, Kracauer, Wertow, Eisenstein, Godard, Sartre, Bazin, Sarris, McLuhan, Deleuze und unzählige andere große Köpfe der Philosophie, Kultur-, Kommunikations-, Medien-, und Filmwissenschaft, Filmtheorie und -Analyse haben sich den Kopf darüber zerbrochen, wie man für den Film eine universale Vorgehensweise theoretisch definieren kann, da er durch seine Abdeckung aller vorherigen Künste – Architektur, Bildhauerei, Malerei, Theater, Literatur und Musik – kaum zu fassen ist. Wenn Du dieses Problem in der Form für Dich löst, dass Film nicht mehr als "ein Snack" ist (für mich ist er in vielerlei Hinsicht komplexer und weitreichender als Literatur, aber das ist natürlich nur meine persönliche Meinung), dann kannst Du dies nicht für Jedermann verlangen. Sicher kannst Du dies so für Dich abpacken und da habe ich auch nichts gegen (würde mir nicht im Traum einfallen). Nur haben wir dann auch keine gemeinsame Diskussionsgrundlage. Das ist schon daran erkennbar, dass Du meine Aussagen immer nur mit dem Argument konterst, dass das ja wohl nicht ernst gemeint sein kann. Wieso sollte es nicht?

    Nehmen wir MAD MAX II: Wir sehen einen Film, wo Menschen sich für einen vollen Benzintank gegenseitig umbringen, um mit ihren Autos durch die Gegend zu heizen, in einer Welt, die nach der unsrigen spielt, aber zerstört und verseucht ist, so dass sie aussieht wie die Zeit vor dem Präkambrium, aber trotz allem immer noch Menschen in ihr existieren. Da muss man noch nicht mal großartig interpretieren, um darauf zu kommen, dass es sich um überspitzte Ängste und Probleme unserer Zeit handelt. Einem nicht unbeträchtlichen Teil der Kritik von damals ist das merkwürdigerweise auch klar gewesen. So abgehoben scheint es also nicht zu sein, wenn auch andere Menschen schon vor Jahrzehnten auf diesen Gedanken verfallen sind.

    Mein Wunsch ist nicht so sehr der, etwas zu schreiben, womit ich den Lesern gut eingehe, sondern was sie zum Nachdenken anregt. Und wenn es nur der Gedanke ist, „was der da fürn abgehobenen Scheiß schreibt“. Mehr will ich nicht. Ich dachte kurz, als ich mich nach Jahren wieder dem Internet zuwandte, ich wolle mehr, aber dann habe ich erkannt, dass das sinnlos ist. Die Leser wollen entweder affirmativen Scheiß lesen, wie er auf unzähligen Seiten zu lesen ist, die sich mit Film beschäftigen, oder sie wollen nachdenken. Dass die Zahl meiner Blogeinträge hier extrem nachgelassen hat, macht doch deutlich, dass mich selbst das "Geltungsbedürfnis", wie Du es nennst, kaum noch heimsucht. Du bist seit langem der Erste, der wieder mal direkt Interesse zeigt und dafür danke ich Dir. Auch wenn das Internet fleißig daran arbeitet: Die Kommunikation zwischen Menschen ist also doch noch nicht tot. :)

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  11. Schöne Diskussion, die sonst in dieser Form ja meist unglaublich redundant verläuft, dich hier aber zu einer für mich 'angenehm' zu lesenden Positionierung zwingt. Ich besitze zwar nicht deine Erfahrung im Umgang mit Film, sowie deine intelektullen und wissenschaftlichen Kapazitäten, würde aber alles was du sagst grundsätzlich fett unterstreichen wollen. Daher werde ich auch gerne wiederholt redundant wenn ich wie immer darauf Hinweise, dass ich deinen Blog sowie deine Gedanken zu Filmen immer mit hohem Genuss lese, und du von mir aus bis in alle Zeiten weiterschreiben kannst (zumindest würde ich mir das wünschen). Wie gesagt ist aber das Internet so wie es sich mehrheitlich darstellt meiner Meinung nach ein relativ unbrauchbarer Ort für Kommunikationsversuche (beim Gedankenaustausch sieht es natürlich ganz anders aus). Daher bin ich auch heilfroh, dass ich mit ET einen "Gemeinschaftsblog" (oder wie man das nennen will) gefunden habe, weil alle meine sonstigen Bemühungen eigene Blogs oder Foren oder sonstwas aufzubauen im Grunde alle wegen Vereinsamung(sgefühlen) kläglich gescheitert sind. Die Kraft muss man also erstmal haben die Stille über längere Zeit (also jahre hinweg) auszuhalten. Vermute das ist dann auch der Grund, warum die meisten Blogs über Belangloses bzw. affirmative Kommentare hervorrufenden schreiben: Das ist für die eigene Psyche kurzfristig schlichtweg befriedigender. Dass dabei aber langfristig nichts rauskommt, bzw. es sinnvoller wäre dann gleich im Kino mit seinem Sitznachbarn Smalltalk zu betreiben steht auf einem anderen Blatt.

    Wie auch immer, und auch wenn ich nicht alle wissenschaftlichen Ansätze für sinnvoll erachte (was im grunde ja auch nur heißt, dass sie ür mich nicht nachvollziehbar sind bzw. nicht ergiebig genug): Danke dass es deinen Blog gibt. Ist immer wie eine Oase in der Wüste für mich. Also, weiter so! ;-)

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