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Dienstag, 26. November 2013
Magical History Tour 1903
Im Jahr 1903 erfolgte der Durchbruch des narrativen Kinos
durch den amerikanischen Filmpionier Edwin S. Porter mit seinem Film DER GROSSE
EISENBAHNRAUB. Doch neben diesem bahnbrechenden Werk hat Porter natürlich auch
noch anderes gedreht – allein im Jahr dieses Filmes inszenierte er noch 21
weitere – und konnte so auf verschiedene Arten mit der neuen Technik
experimentieren. UNCLE TOM’S CABIN ist eine Verfilmung des berühmten Romans von
Harriet Beecher Stowe und folgt rein strukturell der üblichen Tableau- und
Illustrationsvorgehensweise der Zeit wie sie auch in dem hier zuletzt
besprochenen ALI BABA UND DIE 40 RÄUBER von Ferdinand Zecca genutzt wurde. Der gravierende
Unterschied zwischen dem französischen, allgemeiner dem europäischen, und dem
amerikanischen Kino besteht aus dem stetigen Rückgriff der Amerikaner auf das
Alltägliche. Die Einbettung menschlicher Schicksale ins Alltägliche,
Gegenwärtige oder mit der eigenen Geschichte verknüpfte ist eine direkte Folge
der Denkrichtung des amerikanischen Pragmatismus' wie er von Charles Sanders
Peirce und anderen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts propagiert wurde.
Die selbstverständlich sehr an monetären Erfolgen interessierten
Manufakturanstalten, die in den 1890er Jahren Film an der amerikanischen
Ostküste produzierten, folgten teils wissentlich, teils unwissentlich dem Credo
des amerikanischen Pragmatismus, in dem sie Stilisierung und Entwicklung kleinster
Handbewegungen dem Theater entlehnten, aber doch größtenteils neu entwickeln
mussten, damit sich bei Betrachtung, insbesondere von Spielhandlungen, ein
Empfinden von Realismus ergab. Die Kontrastierung der sehr dem Theater und
großen Gesten verbundenen Spielweise in Zeccas ALI BABA UND DIE 40 RÄUBER und
die bereits bis in kleinste Elemente interaktionistische Spielweise des
Porter-Films UNCLE TOM’S CABIN zeigt im amerikanischen Fall den Hang zu einer
Art Grounding des Zuschauers und eines „In die Szene“-Holens auf
identifikatorischer Basis (siehe den Messer-Slapstick bei 01:40). Ein weiterer
wichtiger Aspekt, der eine direkte Folge des amerikanischen Pragmatismus war,
zeigte sich im Lehrprinzip. Nach dem Sezessionskrieg wurde das Lehren und
Lernen als essentiell für die Entwicklung eines jeden amerikanischen
Individuums angesehen, als wichtig für den Erhalt der Demokratie. Ganz nach der Abwandlung des Prinzips des Horaz "prodesse et delectare", bestand die
amerikanische Erzählung also nicht nur aus einer Bebilderung der Historie,
sondern auch aus einem erzieherischen und moralischen Duktus. Dies wurde durch
die bereits genannten Alltagsdarstellungen in Bewegung und Identifikation
erreicht (Spielberg ist bis heute ein Regisseur der dieser Maxime folgt) und
die ständige Berufung auf die eigene Geschichte. Die Effektgestaltung, wie z.B.
durch Doppelbelichtung, wie sie das Kino George Méliès oder de Chomón verdankt,
wird völlig in den Dienst einer christlichen Botschaft gestellt (siehe 11:25 bei
der seelischen Auferstehung Evas, oder der Errettung Toms durch einen Engel
18:11). Das Ende des Films weist dann schließlich auf den historischen
Zusammenhang der USA – Nord und Süd im Krieg, Abraham Lincoln, der schließlich
den Sklaven die Freiheit bringt, Einigung des Landes – und filmhistorisch auf
David Wark Griffiths, der Regieassistent bei Porter war, megalomanisches Meisterwerk DIE GEBURT EINER NATION (1915) hin.
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