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Montag, 31. Januar 2011

Ja wie denn nu'!

Es wird vorsichtig angefangen. Seit langer Zeit quäle ich mich damit 'rum wie es denn nun losgehen soll. Es gibt wohl kaum etwas unbedeutenderes im Sprachengewirr des Internets als einen weiteren Hallodri, der meint seine Ausgüsse in das Datennirwana des nur durch Zentralcomputer fasslichen Raumes senden zu müssen. Und so versuche ich am Anfang, oder eher mit einem Tiefpunkt anzufangen:



BRENNPUNKT LAS VEGAS: Geheime Pläne über eine nicht näher konkretisierte Waffe werden von einem Motorradkiller im Glückspielparadies in Nevada entwendet. Doch dieser ist plötzlich der Meinung, diese nicht an seinen Auftraggeber, sondern an den Meistbietenden zu verkaufen. Daraufhin wird er von einer nicht näher konkretisierten Killergruppe gejagt, welche mit einer arabischen Terrorzelle versteckt in der Wüste vor Las Vegas, aber gut sichtbar am mit der Infrastruktur verbindenden Highway gelegen, zusammenarbeitet, um von dort aus die USA zu erpressen. Womit bleibt lange Zeit ungewiss, doch Raschid, der skrupellose Anführer der Terroristen, schwört auf "den neuen Supermann, der in allen neuesten terroristischen Taktiken unterrichtet ist". Der gläubige Moslem, der von einer Gruppe Holzfällerhemden tragender Red-Necks beschützt wird, muss sich dann mit einer androgyn-herben Ilsa-Darstellerin konfrontiert sehen, die offensichtlich kein Körperteil für Testzwecke der plastischen Chirurgie ausgelassen hat und die auch gleich das Kommando im geheimen Lager vor Las Vegas übernehmen möchte. Gegeben wird unser Ilsa-Plagiat von Brigitte Borghese, einer Jean-Rollin-Veteranin, die hin  und wieder an Urgestein-Transe Romy Haag erinnert und nebenbei auch ein Ninja ist, der sich dann und wann massakrierend durch Las Vegas arbeitet, sollte jemand die Pläne der nicht näher bezeichneten Verbrecherorganisation gefährden.
Doch schnell wird deutlich, dass sie auf eigene Rechnung arbeitet. Kein Mann soll sie unterdrücken, kein Befehl irgendeiner Instanz sie binden. Sie will eine Atombombe und damit ganz Amerika erpressen. Nicht weniger als 1 Milliarde Dollar müssen fließen, damit sie von ihrem größenwahnsinnigen Tun ablässt. All dies lacht sie bajazzohaft in eine Kamera, die eine ihrer Scherginnen in der Wüste vor ihr aufbahrt. Es wird Zeit für Jefferson, dem geheimen Geheimagent der C.I.A. Exklusive Besprechungen in einem weißen Container - vorgeblich der Zentrale in Langley, Virginia - finden statt und instruieren Jefferson, der, ohne es zu wissen, eine stürmische Liebesaffäre mit genau der Frau hat, die doch die gesamten USA vernichten will. Gegeben wird Jefferson von niemand anderem als Dauer-Ninja Richard Harrison. Der Mann, der damals Clint Eastwood als Hauptdarsteller an Sergio Leone für FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR empfahl, hat einen der interessantesten Abstiege in der Filmgeschichte hinter sich. Vom gut aussehenden Gladiator in den Sandalenfilmen des cinema di plagio, über den blonden Recken in den Western der maritimen Hemisphäre, dem Verbrecherjäger in den Polizieschis, bis hin zum Ninja-Fighter in Godfrey Hos "Cut & Paste"-Filmen. Nach seiner Rückkehr in die Staaten drehte er dieses Werk und wusste ganz offensichtlich - seine Mimik verrät es - nicht in was er mitwirkte. Im Gegensatz zu den anderen Schauspielern hat man ihm wenigstens Platzpatronen spendiert, so dass seine Waffe ein Mündungsfeuer aufweist und von alleine knattert, während die anderen gefühlten 395 Darsteller ihre Waffenattrappen in konvulsiven Zuckungen hin und her bewegen. Wird der blonde Mann die blonde Frau aufhalten können?

Buñuel hätte es nicht besser machen können. Der von mir zuletzt mal wieder gesichtete DER DISKRETE CHARME DER BOURGEOSIE  wies nicht einmal annähernd so viel Irritationspotential auf wie Norbert Moutiers - in den USA als N.G. Mount unterwegs - dadaistisches Frontalwerk. Aus dem Anschlussfehler wird ein Konzept gemacht, Personen verschwinden aus dem Bild ohne nähere Begründung, behighheelte Domina-Frauen gehen ins Hotel-Badezimmer und mit Kajal geschminkte Ninjas kommen heraus, Atombomben werden von einer Doppelgängerin gestohlen, die durch eine Autofahrt Flugzeuge entführt. Ganz allgemein versucht uns der Franzose Moutiers eine Welt, in der die Überweiblichkeit das Regiment ergreift, als Welt der Verdammnis zu präsentieren und so kommt der männliche Richard Harrison gerade recht, um mit seiner Spezialeinheit aus dem Weißblechcontainer die Welt, respektive die nevadische Wüste, zu retten. Denn plötzlich wollen die wildgewordenen Furien den Hoover-Staudamm sprengen und nachdem Jefferson/Richard die blonde Anführerin ersäufen konnte, schafft er es plötzlich die weibliche Gruppe von ihrem Tun abzubringen, indem er sich eine herausgreift und ihr anbietet, sie auf seinem Schnellboot mal so ordentlich durchzunehmen. Diese lässt sich auch bereitwillig darauf ein, während alle anderen die Waffen senken. Doch kaum fummelt Richard sich zum Höhepunkt, schießt die blonde Herrscherin mit einem Messer aus dem Wasser empor. Das Ganze noch mit einer Drei-Schnitt-Montage im Standbild. Also doch eine Rache der Frau für den promiskuitiven Lebenswandel von Jefferson? Der Film überlässt dies dem Cliffhanger.

BRENNPUNKT LAS VEGAS ist das katastrophalste Filmprodukt, das ich seit Jahren gesehen habe. Die einzig funktionierende Ebene ist die Musik. Die allerdings auch nur, wenn man auf am Keyboard komponierte Musik steht. Der TB 303 Bass dominiert die Klangwelten und schuf mir somit zumindest eine Vorstellung von der Suggestion eine Stimmung zu empfinden. Als Erlebnis war der Film allerdings schon jetzt ein Highlight des gerade beginnenden Jahres. Viel läuft über die Implikationen, die sich durch die Darsteller ergeben. Ebenso über vertraute Genrekonventionen. Das Originäre wie Unglaubliche besteht darin, dass hier zu jeder Sekunde zu spüren ist wie ernst es die Macher meinten und wie geradezu invertiert eine jede Szene, ja gar jede Einstellung in ihrer Wirkungsweise den angestrebten Rezipienten oder eher den versuchten Film verfehlt. Ergeben die Filme eines Godfrey Ho oder Tomas Tang, in denen Richard Harrison oftmals den Ninja-Meister gab, noch einen erkennbaren Sinn, da sie bemüht sind, die Fragmente aus drei oder vier verschiedenen Filmen, die zu einem neuen zusammengeschnitten wurden, so zu verbinden, dass man meint, ein ursprünglich holistisches Gesamtwerk zu erkennen, gibt es in Moutiers Film nur noch Versatzstücke, die nebeneinander existieren. Nicht einmal die genretheoretische Steigerung in die offene Parodie könnte dies noch toppen, sondern würde im Gegenteil schon wieder einen relativierenden Duktus in sich tragen. Somit steht BRENNPUNKT LAS VEGAS  für ein Werk, welches deswegen so konsternierend wirkt, weil es in seinem Kern auf ein Publikum setzt, das Struktur im Kopf hat. Es dekonstruiert für uns ohne Konzept und wirkt deshalb so erschütternd. Doch gleichzeitig hat es durch seine Konzeptlosigkeit etwas sehr beruhigendes. Nur die Realität erscheint undurchschaubarer. Bei BRENNPUNKT LAS VEGAS meinen wir in unserer gesicherten Beobachterdistanz wenigstens noch zu wissen wo's lang geht.

Erste Betrachtung am 30.01.2011