MIT VOLLDAMPF VORAUS
Tonfilm Nr. 18 ist in mancherlei Hinsicht ein Film des Abschieds. Es ist
der letzte Film, den John Ford mit Will Rogers gedreht hat bzw. ist es
der letzte Film Rogers überhaupt, da er wenige Wochen nach den
Dreharbeiten bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Es ist der letzte
Film, den Ford für die Fox Film Corporation realisiert hat, da William
Fox entmachtet worden war und die FOX und die Twentieth Century Pictures
zur Twentieth Century Fox fusioniert wurden. Die neue
Produktionsleitung hatte nun Darryl F. Zanuck inne. Und es ist ein
Abschied bzw. das Ende der frühen Tonfilm-Phase Fords. Da dieser Film
vertraglich noch festgelegt war, wurde er realisiert, doch der alles
überstrahlende Erfolg von Fords DER VERRÄTER sorgte dafür, dass Zanuck
anderes mit ihm vorhatte. Ford sollte endlich weg von diesen "kleinen"
Filmen. Und so lässt sich sagen: zu einem wunderbareren Abschluss dieser
Phase hätte Ford kaum finden können.
Erzählt wird die Geschichte des Quacksalbers "Doc" John Pearly, der
seine Wundermedizin "Pocahontas" flussauf und flussab an die Leute
verhökert. Sein Neffe Duke ist Steuermann eines Mississippi-Raddampfers
und "Doc" und Duke haben ihre Ersparnisse zusammengelegt, um sich selbst
einen Dampfer zu kaufen. Das "alte Mädchen" ist in einem furchtbaren
Zustand, doch "Doc" ist guter Dinge. Als Duke schließlich verspätet bei
"Doc" eintrifft, hat er eine Frau, fast noch Mädchen, im Schlepptau. Es
ist Fleety Belle, ein Mädchen aus den Sümpfen. Vom Sumpf-Volk hält "Doc"
nicht viel, bezeichnet sie sogar als Abschaum und es gibt sofort Krach
zwischen "Doc" und Fleety. Doch Duke hat ernste Probleme. Er ist mit
einem Mann in Streit geraten, wegen Fleety, und beim Handgemenge ist der
Andere ums Leben gekommen. Eigentlich war es Notwehr, da der Andere
Duke mit einem Messer angegriffen hat, aber das hat nur eine Person
gesehen und die ist nicht ganz dicht. Es handelt sich um den Prediger
"New Moses", der flussauf, flussab Seelen rettet. Kann er bezeugen, dass
Duke in Notwehr gehandelt hat? Ein irrsinniges
Schaufelraddampfer-Rennen kann darauf als einziges eine Antwort geben.
Berton Churchill. In allen drei Ford-Rogers-Kollaborationen spielt er
einen Vertreter irgendeiner Rubrik, die gutgläubige Bürger aufs Kreuz
legen. Bei DR. BULL spielte er den gewinnsüchtigen Geschäftsmann und
Kapitalisten. In JUDGE PRIEST spielte er den Senator, der ins Weiße Haus
will und der typische Bauernfänger ist. In MIT VOLLDAMPF VORAUS ist er
nun der salbadernde "Himmelskomiker", der glaubt der neue Prophet zu
sein
"Doc" verkauft sein hochprozentiges "Pocahontas"
Duke kommt in einer regnerischen Nacht mit Fleety Belle auf die Claremore Queen
Duke stellt sich dem Sheriff wegen Mordes. Dieser ist zu faul die
Treppen runterzugehen und bittet Duke sich selbst einzusperren. Danach
soll "Doc" den Schlüssel an den Nagel vor der Tür hängen
Belles Hinterwälderfamilie macht jedem Backwood-Horror-Film Ehre. Ihr
Vater meint, er hätte sie schon an einen anderen Mann verkauft. Sie
könne nicht bei diesem Abschaum vom Fluß leben. Sie seien schließlich
Sumpf-Leute
Verdrehte Welt. Belle möchte mit "Doc" den Fluß befahren, da sie ein
Museum auf dem Schiff errichtet haben und so Geld für einen guten Anwalt
zusammenbringen wollen. Belle verabschiedet sich, weil ihr Schiff
ausläuft
Ohne entlastenden Zeugen schlägt der Prozess fehl. Duke wird zum Tode
durch Erhängen verurteilt. Vorher heiraten sie im Gefängnis in einer
Mischung aus Feier und Toten-Feier. Der Sheriff berichtet noch freudig,
dass das schon seine 14. Ehe ist, die er schließt, bevor der Mann am
nächsten Tag aufgehängt wird. Jetzt noch eine und er hält den Rekord
Das Irrsinnsrennen beginnt. Ford karikiert hier das Hollywood-Prinzip, dass Action jegliche Handlungslogik auflösen kann
Belle hält im Rennen das Steuer
Während des Rennens wird das Schiff zum Irrenhaus. Da man nicht genug
Feuerholz hat, zerlegt man das Schiff, um den Kessel zu befeuern und das
Schiff doch noch ins Ziel zu kriegen
In klassischer Ford-Pose - Ford saß gerne so auf seiner Veranda und ließ
nahezu alle seine Figuren wenigstens einmal so sitzen - sitzt
Rogers/"Doc" auf seinem Dampfer. Es ist sein Abschied
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Sonntag, 29. Juni 2014
Samstag, 28. Juni 2014
DER VERRÄTER
DER VERRÄTER
Tonfilm Nr. 17: Ja,...äh, was soll man dazu sagen. Wenn man die einzelnen Stepstones John Fords sehr grob unterscheiden möchte, hat man drei Stufen. Stufe 1 war der monumentale Stummfilm-Western DAS EISERNE PFERD aus dem Jahr 1924. Dieser Film katapultierte Ford in die Liga der wichtigen Regisseure. Stufe Nr. 3 war RINGO, aus dem Jahr 1939, mit dem Ford nicht nur seine eigene Liga begründete und nicht nur einen einflussreichen Film inszenierte, sondern den Verlauf bzw. die gesamte Filmgeschichte veränderte. Doch die wichtigste Stufe seiner Karriere war Stufe Nr. 2: DER VERRÄTER. Er hievte ihn in die Ober-Liga der Hollywood-Regisseure. Es ist der perfekteste Film, den ich je gesehen habe. Perfekt deshalb, weil er nicht wie aus der Kubrick-Maschine erscheint, sondern schon wieder Ecken und Kanten hat, an denen man sich stoßen kann und trotzdem sieht jede, aber auch wirklich jede Einstellung aus, wie man denkt, dass sie aussehen muss, um perfekt zu sein. Und trotzdem emotional überwältigend. Bis zu seinem Tod wurde Samuel Fuller nicht müde zu betonen, dass DER VERRÄTER der beste Film war, der je gedreht wurde.
Jean Renoir lief, nachdem er diesen Film gesehen hatte, aus dem Kino wie ihm Wahn und schrieb an seinen Freund George Seaton, dass er endlich weiß, wie er die Kamera zu bewegen habe. Da das französische Kino zu Beginn der 1930er Jahre sehr von der Handkamera und Kamerawackelei lebte, um neben der amerikanischen Einstellung und der Montage des sowjetischen Formalismuses ein Bindeglied aus ständiger Bewegung zu schaffen, erkannte Renoir durch Fords DER VERRÄTER wie er Bewegung ins Bild bringen konnte, "ohne die Kamera bewegen zu müssen". So sollte DER VERRÄTER in seiner Gestaltung der Kadrage und Arbeit mit Schnitt und Kamera einer der zentralen Einflüsse des Poetischen Realismuses werden. Der Filmhistoriker Tag Gallagher sieht in DER VERRÄTER einen Film, mit dem in puncto Einfluss auf die Gestaltung von Film allenfalls David Wark Griffiths DIE GEBURT EINER NATION mithalten könne. Der Produzenten-Mogul Darryl F. Zanuck sah in DER VERRÄTER den vielleicht ersten, reinen Kunst-Film der Tonfilm-Ära. Frank Capra ließ sich nach DER VERRÄTER dazu hinreißen zu sagen, dass Ford der "King of Directors" sei und er den inspirierendsten Film der Film-Geschichte geschaffen habe.
Ford hatte diesen Film erkämpft. Nachdem sein Auftrag für die Columbia erfüllt war, sollte er schleunigst den letzten Film mit Will Rogers drehen. Ford war in der Lage von der RKO ein Budget zu bekommen und die FOX zu vertrösten. Mit einem Minimal-Budget - der Film konnte nur realisiert werden, weil Ford auf seine Gage verzichtete und alle Beteiligten runterhandelte - inszenierte Ford in nicht mal 3 Wochen mit einer künstlerischen Wucht, als wollte er alle an die Wand drücken, eines der wichtigsten Beispiele für Independent-Arbeit mitten im klassischen Monstrum Hollywood und eine Entfesselung aller Möglichkeiten filmischer Kunst, eben durch die Limitierung.
Der Film hatte auf das europäische Kino nicht nur in Frankreich einen Einfluss, er wurde auch bei den Filmfestspielen von Venedig nominiert und war in Italien zu sehen. Hier zeigt sich dann ein Problem, dass Ford mit keinem seiner anderen Filme in dieser Form haben sollte. Keiner seiner Filme war derart politischer Zensur in aller Welt ausgesetzt. Dass Sympathien für eine extremistische Terrorzelle aufgebracht wurden, die sich gegen die Obrigkeit auflehnte, war in diversen Ländern 1935 nicht statthaft. Noch dazu, dass die Hauptfigur sich in einem permanenten Rausch befand, jede Einstellung saufen wie ein Loch, mehrere Flaschen Schnaps in wenigen Stunden, jedes Mal genussvoll gezeigt. Noch dazu mit Huren, Bettlern und sogar der I.R.A. auf "Du und Du".
Der Film wurde in Finnland, Spanien und Deutschland verboten, in vielen anderen Ländern erst "ab 18" freigegeben, in Großbritannien, dem wichtigsten Abnehmer-Markt für Hollywood-Filme, durfte er erst nach erheblichen Kürzungen ab 18 in den Kinos laufen. In Deutschland erschien er schlussendlich 1950, 15 Jahre nach seiner Entstehung, in einer radikal gekürzten Fassung. Adenauer-Deutschland konnte nicht zulassen, dass eine Hauptfigur, saufend und hurend, psychisch völlig zerrüttet und verwoben mit einem politisch-rebellischem Widerstand, durch deutsche Kinos geistert.
Rebellentum gab es auch außerhalb des Filmes. Der Film hatte eine abenteuerliche Entstehungsgeschichte. John Ford hielt seinen Hauptdarsteller, den ehemaligen Schwergewichtsboxer Victor McLaglan, permanent unter Alkohol, um die Abwärtsspirale seiner Figur besser abbilden zu können. Im Schnitt-Raum dozierte er dem späteren Meister-Cutter und Oscar-Regisseur Robert Parrish, dass er beim Schneiden alles über das Filme machen lernt. Für diesen Film erhielt er seinen ersten von sechs Oscars. Man sollte ihm diesen gefälligst per Post zuschicken, da ihn die Veranstaltung nicht interessierte. Drehbuchautor Dudley Nichols, Fords rechte Hand, lehnte den Oscar gleich ganz ab. Ein anderer Preis interessierte Ford. Der New Yorker Preis der Filmkritiker war bis in die 1970er der begehrteste Preis unter amerikanischen Filmschaffenden. Der Oscar war ein Scheiß im Vergleich dazu. Die ganze Left-Wing und Right-Wing-Mischpoke, ständig zerstritten, der größte intellektuelle und kulturelle Clash des Landes. Sie hatten DER VERRÄTER zum besten Film des Jahres erkoren und John Ford zum besten Regisseur. Es war einer der wenigen Preise, die Ford sich persönlich abholte. Es mag damit zusammenhängen, dass sich bei dieser Entscheidung etwas ergab, was es vorher noch nie gegeben hatte und was sich bis heute nicht wiederholt hat. Der Film erhielt nicht nur einstimmig in beiden Kategorien den Preis. Es war zum ersten und einzigen Mal in der Geschichte dieser sonst zerstrittenen Gruppe im ersten Durchgang.
Gypo Nolan im Nebel der Unkenntnis
Intrusion des Rezipienten in die Gedankenwelt Gypos, weil er aufgrund des Steckbriefes seines einzigen Freundes in Versuchung gerät, gleichzeitig Rückblende in die Vergangenheit und Verschmelzung der Zeitebenen. In vielen Ländern war diese militärische Anspielung ein Opfer der Zensur
Gypo ist ein 2-Meter-Hüne. In dieser Einstellung ist er stolz. Im weiteren wird Ford alle Seiten eines Menschen und seinen Verfall zeigen
Einen Freier seiner Freundin Katie wirft er in die Gosse
Katie ist zwar eine Hure, aber sie liebt Gypo. Trotzdem ist sie sauer, dass er ihr das Geschäft vermasselt hat. Sie träumt von Amerika, wohin eine Person für nur 10 Pfund aus dem Dreck, der Dublin inzwischen durch die Unterdrückung der Briten geworden ist, entkommen kann
Frankie, der von den "Tans" gesucht wird, ist Gypos einziger Freund. Gypo ist aus der I.R.A. ausgeschlossen wurde, da er den Tötungsbefehl an einem britischen Offizier nicht ausführen konnte. Doch Frankie mag ihn, seine Mutter mag ihn. Gypo ist so ein lieber Klotz. Frankie weiß nicht, dass Gypo ihn verraten würde. Ford nutzt hier die Unsitte des Achsensprungs, um den Bruch in ihrer Feundschaft formal erfahrbar zu machen
Vor den "Tans" ist Gypo plötzlich ein Wicht. Ford trieb McLaglan dazu, in jeder Szene, je nach Situation, seine stimmliche Modulation zu ändern. Vor den Autoritäten lispelt er wie ein Kind
Frankies Schwester stellt sich der britischen Armee in den Weg. Eine enorm wirkungsvolle Action-Szene, mit der Ford plötzlich aus der Stimmung des Films ausbricht
Nach seinem Verrat fürchtet Gypo jeden. Selbst einen Blinden
Vor dem Kommandanten der I.R.A. spielt er eine andere Rolle und belastet Unschuldige
In Dublin herrscht Armut und Hunger durch die Briten. Iren sind starken Beschränkungen ausgesetzt und deshalb herrscht überall Leid. Gypo, inzwischen besoffen bis oben hin, lädt mit seiner Belohnung für den Verrat an seinem besten Freund einen ganzen Straßenzug zum Essen ein. Damit ist er "King Gypo"
Gypo und seine schleimige Gefolgschaft begleiten ihn in ein Luxus-Bordell. Eine Engländerin sagt ihm, sie wolle nach Hause, nach London, sie will nicht mehr anschaffen gehen. Gypo gibt ihr Fahrgeld, damit wenigstens sie entkommen kann.
Gypo erkennt, dass er durchschaut wurde. Ford wechselt im letzten Drittel vom Expressionismus und europäischem Autorenfilm plötzlich in ein angelsächsisches Courtroom-Drama
Gypo konnte dem Jungen, der an ihm die Exekution vollziehen soll, entkommen. Die Hure Katie vergibt ihm was er tat
Von Kugeln durchsiebt wankt Gypo in die Kirche. Dort betet Frankies Mutter, die Gypo immer wie einen Sohn behandelt hat. Er fleht sie um Vergebung an. Und tatsächlich: Sie vergibt ihm, weil sie als einzige Gypos Natur durchschaut und den Wahnsinn der politischen Komplexität, der ständig morden lässt, überwindet.
Tonfilm Nr. 17: Ja,...äh, was soll man dazu sagen. Wenn man die einzelnen Stepstones John Fords sehr grob unterscheiden möchte, hat man drei Stufen. Stufe 1 war der monumentale Stummfilm-Western DAS EISERNE PFERD aus dem Jahr 1924. Dieser Film katapultierte Ford in die Liga der wichtigen Regisseure. Stufe Nr. 3 war RINGO, aus dem Jahr 1939, mit dem Ford nicht nur seine eigene Liga begründete und nicht nur einen einflussreichen Film inszenierte, sondern den Verlauf bzw. die gesamte Filmgeschichte veränderte. Doch die wichtigste Stufe seiner Karriere war Stufe Nr. 2: DER VERRÄTER. Er hievte ihn in die Ober-Liga der Hollywood-Regisseure. Es ist der perfekteste Film, den ich je gesehen habe. Perfekt deshalb, weil er nicht wie aus der Kubrick-Maschine erscheint, sondern schon wieder Ecken und Kanten hat, an denen man sich stoßen kann und trotzdem sieht jede, aber auch wirklich jede Einstellung aus, wie man denkt, dass sie aussehen muss, um perfekt zu sein. Und trotzdem emotional überwältigend. Bis zu seinem Tod wurde Samuel Fuller nicht müde zu betonen, dass DER VERRÄTER der beste Film war, der je gedreht wurde.
Jean Renoir lief, nachdem er diesen Film gesehen hatte, aus dem Kino wie ihm Wahn und schrieb an seinen Freund George Seaton, dass er endlich weiß, wie er die Kamera zu bewegen habe. Da das französische Kino zu Beginn der 1930er Jahre sehr von der Handkamera und Kamerawackelei lebte, um neben der amerikanischen Einstellung und der Montage des sowjetischen Formalismuses ein Bindeglied aus ständiger Bewegung zu schaffen, erkannte Renoir durch Fords DER VERRÄTER wie er Bewegung ins Bild bringen konnte, "ohne die Kamera bewegen zu müssen". So sollte DER VERRÄTER in seiner Gestaltung der Kadrage und Arbeit mit Schnitt und Kamera einer der zentralen Einflüsse des Poetischen Realismuses werden. Der Filmhistoriker Tag Gallagher sieht in DER VERRÄTER einen Film, mit dem in puncto Einfluss auf die Gestaltung von Film allenfalls David Wark Griffiths DIE GEBURT EINER NATION mithalten könne. Der Produzenten-Mogul Darryl F. Zanuck sah in DER VERRÄTER den vielleicht ersten, reinen Kunst-Film der Tonfilm-Ära. Frank Capra ließ sich nach DER VERRÄTER dazu hinreißen zu sagen, dass Ford der "King of Directors" sei und er den inspirierendsten Film der Film-Geschichte geschaffen habe.
Ford hatte diesen Film erkämpft. Nachdem sein Auftrag für die Columbia erfüllt war, sollte er schleunigst den letzten Film mit Will Rogers drehen. Ford war in der Lage von der RKO ein Budget zu bekommen und die FOX zu vertrösten. Mit einem Minimal-Budget - der Film konnte nur realisiert werden, weil Ford auf seine Gage verzichtete und alle Beteiligten runterhandelte - inszenierte Ford in nicht mal 3 Wochen mit einer künstlerischen Wucht, als wollte er alle an die Wand drücken, eines der wichtigsten Beispiele für Independent-Arbeit mitten im klassischen Monstrum Hollywood und eine Entfesselung aller Möglichkeiten filmischer Kunst, eben durch die Limitierung.
Der Film hatte auf das europäische Kino nicht nur in Frankreich einen Einfluss, er wurde auch bei den Filmfestspielen von Venedig nominiert und war in Italien zu sehen. Hier zeigt sich dann ein Problem, dass Ford mit keinem seiner anderen Filme in dieser Form haben sollte. Keiner seiner Filme war derart politischer Zensur in aller Welt ausgesetzt. Dass Sympathien für eine extremistische Terrorzelle aufgebracht wurden, die sich gegen die Obrigkeit auflehnte, war in diversen Ländern 1935 nicht statthaft. Noch dazu, dass die Hauptfigur sich in einem permanenten Rausch befand, jede Einstellung saufen wie ein Loch, mehrere Flaschen Schnaps in wenigen Stunden, jedes Mal genussvoll gezeigt. Noch dazu mit Huren, Bettlern und sogar der I.R.A. auf "Du und Du".
Der Film wurde in Finnland, Spanien und Deutschland verboten, in vielen anderen Ländern erst "ab 18" freigegeben, in Großbritannien, dem wichtigsten Abnehmer-Markt für Hollywood-Filme, durfte er erst nach erheblichen Kürzungen ab 18 in den Kinos laufen. In Deutschland erschien er schlussendlich 1950, 15 Jahre nach seiner Entstehung, in einer radikal gekürzten Fassung. Adenauer-Deutschland konnte nicht zulassen, dass eine Hauptfigur, saufend und hurend, psychisch völlig zerrüttet und verwoben mit einem politisch-rebellischem Widerstand, durch deutsche Kinos geistert.
Rebellentum gab es auch außerhalb des Filmes. Der Film hatte eine abenteuerliche Entstehungsgeschichte. John Ford hielt seinen Hauptdarsteller, den ehemaligen Schwergewichtsboxer Victor McLaglan, permanent unter Alkohol, um die Abwärtsspirale seiner Figur besser abbilden zu können. Im Schnitt-Raum dozierte er dem späteren Meister-Cutter und Oscar-Regisseur Robert Parrish, dass er beim Schneiden alles über das Filme machen lernt. Für diesen Film erhielt er seinen ersten von sechs Oscars. Man sollte ihm diesen gefälligst per Post zuschicken, da ihn die Veranstaltung nicht interessierte. Drehbuchautor Dudley Nichols, Fords rechte Hand, lehnte den Oscar gleich ganz ab. Ein anderer Preis interessierte Ford. Der New Yorker Preis der Filmkritiker war bis in die 1970er der begehrteste Preis unter amerikanischen Filmschaffenden. Der Oscar war ein Scheiß im Vergleich dazu. Die ganze Left-Wing und Right-Wing-Mischpoke, ständig zerstritten, der größte intellektuelle und kulturelle Clash des Landes. Sie hatten DER VERRÄTER zum besten Film des Jahres erkoren und John Ford zum besten Regisseur. Es war einer der wenigen Preise, die Ford sich persönlich abholte. Es mag damit zusammenhängen, dass sich bei dieser Entscheidung etwas ergab, was es vorher noch nie gegeben hatte und was sich bis heute nicht wiederholt hat. Der Film erhielt nicht nur einstimmig in beiden Kategorien den Preis. Es war zum ersten und einzigen Mal in der Geschichte dieser sonst zerstrittenen Gruppe im ersten Durchgang.
Gypo Nolan im Nebel der Unkenntnis
Intrusion des Rezipienten in die Gedankenwelt Gypos, weil er aufgrund des Steckbriefes seines einzigen Freundes in Versuchung gerät, gleichzeitig Rückblende in die Vergangenheit und Verschmelzung der Zeitebenen. In vielen Ländern war diese militärische Anspielung ein Opfer der Zensur
Gypo ist ein 2-Meter-Hüne. In dieser Einstellung ist er stolz. Im weiteren wird Ford alle Seiten eines Menschen und seinen Verfall zeigen
Einen Freier seiner Freundin Katie wirft er in die Gosse
Katie ist zwar eine Hure, aber sie liebt Gypo. Trotzdem ist sie sauer, dass er ihr das Geschäft vermasselt hat. Sie träumt von Amerika, wohin eine Person für nur 10 Pfund aus dem Dreck, der Dublin inzwischen durch die Unterdrückung der Briten geworden ist, entkommen kann
Frankie, der von den "Tans" gesucht wird, ist Gypos einziger Freund. Gypo ist aus der I.R.A. ausgeschlossen wurde, da er den Tötungsbefehl an einem britischen Offizier nicht ausführen konnte. Doch Frankie mag ihn, seine Mutter mag ihn. Gypo ist so ein lieber Klotz. Frankie weiß nicht, dass Gypo ihn verraten würde. Ford nutzt hier die Unsitte des Achsensprungs, um den Bruch in ihrer Feundschaft formal erfahrbar zu machen
Vor den "Tans" ist Gypo plötzlich ein Wicht. Ford trieb McLaglan dazu, in jeder Szene, je nach Situation, seine stimmliche Modulation zu ändern. Vor den Autoritäten lispelt er wie ein Kind
Frankies Schwester stellt sich der britischen Armee in den Weg. Eine enorm wirkungsvolle Action-Szene, mit der Ford plötzlich aus der Stimmung des Films ausbricht
Nach seinem Verrat fürchtet Gypo jeden. Selbst einen Blinden
Vor dem Kommandanten der I.R.A. spielt er eine andere Rolle und belastet Unschuldige
In Dublin herrscht Armut und Hunger durch die Briten. Iren sind starken Beschränkungen ausgesetzt und deshalb herrscht überall Leid. Gypo, inzwischen besoffen bis oben hin, lädt mit seiner Belohnung für den Verrat an seinem besten Freund einen ganzen Straßenzug zum Essen ein. Damit ist er "King Gypo"
Gypo und seine schleimige Gefolgschaft begleiten ihn in ein Luxus-Bordell. Eine Engländerin sagt ihm, sie wolle nach Hause, nach London, sie will nicht mehr anschaffen gehen. Gypo gibt ihr Fahrgeld, damit wenigstens sie entkommen kann.
Gypo erkennt, dass er durchschaut wurde. Ford wechselt im letzten Drittel vom Expressionismus und europäischem Autorenfilm plötzlich in ein angelsächsisches Courtroom-Drama
Gypo konnte dem Jungen, der an ihm die Exekution vollziehen soll, entkommen. Die Hure Katie vergibt ihm was er tat
Von Kugeln durchsiebt wankt Gypo in die Kirche. Dort betet Frankies Mutter, die Gypo immer wie einen Sohn behandelt hat. Er fleht sie um Vergebung an. Und tatsächlich: Sie vergibt ihm, weil sie als einzige Gypos Natur durchschaut und den Wahnsinn der politischen Komplexität, der ständig morden lässt, überwindet.
Mittwoch, 25. Juni 2014
STADTGESPRÄCH
STADTGESPRÄCH
Fords 16. Tonfilm führte ihn zum ersten Mal zur Columbia. Der Film wurde 1934 realisiert und kam im Februar '35 in die Kinos. Niemand Geringeres als Edward G. Robinson sollte die Hauptrolle spielen und Ford drehte hiermit einen seiner wenigen Kriminalfilme. Und so ist STADTGESPRÄCH in vielen Belangen als ungewöhnlich zu bezeichnen. Ford liefert im Grunde mehrere Richtungen in einem Film ab. Erzählt wird die Geschichte eines schüchternen und duckmäuserischen Büroangestellten, Arthur Ferguson Jones, der rein zufällig dem Staatsfeind Nr. 1, "Killer" Mannion, bis aufs Haar gleicht. Was Ford aus der Geschichte vom "bösen Zwilling" macht, ist in den extremsten Szenen eine das Genre bis zur Groteske parodierende Komödie, in der ersten Hälfte mit derartiger Hochgeschwindigkeit inszeniert, dass es fast schon zu viel wurde. Dann das Tempo rausnehmend, um den Film doch noch eine ernste Note zu geben und die eigentlich erst im film noir wirklich entwickelte Geschichte, dass "Der Gute" sich im "Bösen" wiederfindet und umgekehrt auch noch mitlaufen zu lassen. In nicht mal 12 Stunden ändert sich das Leben des Arthur Jones. Morgens, zum ersten Mal seit 8 Jahren, verschläft er, wird deswegen befördert und entlassen gleichzeitig, wird in der Mittagspause als "Killer"Mannion identifiziert, wird in einer der größten Polizeiaktionen der Stadt New York verhaftet, während seines Verhörs von der Presse bereits als "gefasst" bezeichnet, ist fast schon bereit, die andere Identität anzunehmen, die Stimmung in der Stadt wird zur reinen Hysterie, die Fingerabdrücke werden schnell rein gereicht und entlasten Jones, nun bejubelt ihn die Presse - gerade rechtzeitig zur Abendausgabe - als den Doppelgänger von "Killer" Mannion und Jones, der wieder zur Arbeit torkelt, erhält von seinem Chef, der die Presse nutzen möchte zu Werbungszwecken, den Auftrag Geschichten über sein Alter Ego zu erfinden. Abgefüllt vom Boss und in Selbstgesprächen große Reden schwingend, im Geiste mit einer "Pfeife wie Mannion" abrechnend, kommt er in sein Ein-Zimmer-Appartement. Da die Hysterie und die Geschichte um den Doppelgänger innerhalb von wenigen Stunden derart die Runde in der Stadt gemacht haben, hat der Staatsanwalt dem armen Jones einen Pass ausgestellt, der ihn als Jones identifiziert. So hat er Ruhe, da ihn sonst "alle 15 Minuten" ein Polizist auf irgendeinem Revier anschleppt. Doch bei ihm zu Hause wartet jemand, der den Pass gut gebrauchen kann: der echte "Killer" Mannion. Ein auch nach 80 Jahren durch den Schnitt und die Kamera kaum gealterter Film. Robinson erweiterte hier sein Rollenspektrum, da er bis dahin in Hauptrollen ausschließlich Bösewichter spielte. Seine Kontrastierung beider Figuren, die hervorragende Doppelgänger-Tricktechnik und Fords alle Ebenen der Erzählung bis zur Perfektion beherrschender Stil, machen den Film zu einem kleinen Meisterwerk des Gangster-Genres der 1930er. Es gibt Filmhistoriker, die sich wundern, warum dieser Film filmgeschichtlich so vergessen wurde. Leider wird der Ruf des Regisseurs damit zusammenhängen.
Rasende Kamerafahrt durch den Bürostress
Jones führt ein sehr ereignisloses Leben
Clark, die geheime Liebe Jones', interessiert sich wenig für Arbeitsmoral
Die Schande der Nation: "Killer" Mannion
Jones testet, ob er wirklich so scheußlich aussieht, wie die Presse es über Mannion berichtet. Ford arbeitet mit einem gern genommenen Motiv des film noir: der Spiegel
Ford zeigt die durch den Staat aufgeheizte Stimmung Gangster zu Staatsfeinden zu erklären in ihrer ganzen Lächerlichkeit durch das Verhalten des Staatsapparates
Ford zeigt in Überblendungen wie Jones von der Presse fertig gemacht wird
Der kleine Angestellte wird vom Chef plötzlich zur Kenntnis genommen. Mit ihm kann man (kostenlose) Werbung machen
"Killer" Mannion findet das alles wenig erheiternd
Jones oder Mannion?
Fords 16. Tonfilm führte ihn zum ersten Mal zur Columbia. Der Film wurde 1934 realisiert und kam im Februar '35 in die Kinos. Niemand Geringeres als Edward G. Robinson sollte die Hauptrolle spielen und Ford drehte hiermit einen seiner wenigen Kriminalfilme. Und so ist STADTGESPRÄCH in vielen Belangen als ungewöhnlich zu bezeichnen. Ford liefert im Grunde mehrere Richtungen in einem Film ab. Erzählt wird die Geschichte eines schüchternen und duckmäuserischen Büroangestellten, Arthur Ferguson Jones, der rein zufällig dem Staatsfeind Nr. 1, "Killer" Mannion, bis aufs Haar gleicht. Was Ford aus der Geschichte vom "bösen Zwilling" macht, ist in den extremsten Szenen eine das Genre bis zur Groteske parodierende Komödie, in der ersten Hälfte mit derartiger Hochgeschwindigkeit inszeniert, dass es fast schon zu viel wurde. Dann das Tempo rausnehmend, um den Film doch noch eine ernste Note zu geben und die eigentlich erst im film noir wirklich entwickelte Geschichte, dass "Der Gute" sich im "Bösen" wiederfindet und umgekehrt auch noch mitlaufen zu lassen. In nicht mal 12 Stunden ändert sich das Leben des Arthur Jones. Morgens, zum ersten Mal seit 8 Jahren, verschläft er, wird deswegen befördert und entlassen gleichzeitig, wird in der Mittagspause als "Killer"Mannion identifiziert, wird in einer der größten Polizeiaktionen der Stadt New York verhaftet, während seines Verhörs von der Presse bereits als "gefasst" bezeichnet, ist fast schon bereit, die andere Identität anzunehmen, die Stimmung in der Stadt wird zur reinen Hysterie, die Fingerabdrücke werden schnell rein gereicht und entlasten Jones, nun bejubelt ihn die Presse - gerade rechtzeitig zur Abendausgabe - als den Doppelgänger von "Killer" Mannion und Jones, der wieder zur Arbeit torkelt, erhält von seinem Chef, der die Presse nutzen möchte zu Werbungszwecken, den Auftrag Geschichten über sein Alter Ego zu erfinden. Abgefüllt vom Boss und in Selbstgesprächen große Reden schwingend, im Geiste mit einer "Pfeife wie Mannion" abrechnend, kommt er in sein Ein-Zimmer-Appartement. Da die Hysterie und die Geschichte um den Doppelgänger innerhalb von wenigen Stunden derart die Runde in der Stadt gemacht haben, hat der Staatsanwalt dem armen Jones einen Pass ausgestellt, der ihn als Jones identifiziert. So hat er Ruhe, da ihn sonst "alle 15 Minuten" ein Polizist auf irgendeinem Revier anschleppt. Doch bei ihm zu Hause wartet jemand, der den Pass gut gebrauchen kann: der echte "Killer" Mannion. Ein auch nach 80 Jahren durch den Schnitt und die Kamera kaum gealterter Film. Robinson erweiterte hier sein Rollenspektrum, da er bis dahin in Hauptrollen ausschließlich Bösewichter spielte. Seine Kontrastierung beider Figuren, die hervorragende Doppelgänger-Tricktechnik und Fords alle Ebenen der Erzählung bis zur Perfektion beherrschender Stil, machen den Film zu einem kleinen Meisterwerk des Gangster-Genres der 1930er. Es gibt Filmhistoriker, die sich wundern, warum dieser Film filmgeschichtlich so vergessen wurde. Leider wird der Ruf des Regisseurs damit zusammenhängen.
Rasende Kamerafahrt durch den Bürostress
Jones führt ein sehr ereignisloses Leben
Clark, die geheime Liebe Jones', interessiert sich wenig für Arbeitsmoral
Die Schande der Nation: "Killer" Mannion
Jones testet, ob er wirklich so scheußlich aussieht, wie die Presse es über Mannion berichtet. Ford arbeitet mit einem gern genommenen Motiv des film noir: der Spiegel
Ford zeigt die durch den Staat aufgeheizte Stimmung Gangster zu Staatsfeinden zu erklären in ihrer ganzen Lächerlichkeit durch das Verhalten des Staatsapparates
Ford zeigt in Überblendungen wie Jones von der Presse fertig gemacht wird
Der kleine Angestellte wird vom Chef plötzlich zur Kenntnis genommen. Mit ihm kann man (kostenlose) Werbung machen
"Killer" Mannion findet das alles wenig erheiternd
Jones oder Mannion?
Montag, 23. Juni 2014
JUDGE PRIEST
JUDGE PRIEST
Tonfilm Nr. 15: JUDGE PRIEST ist, anders als DR. BULL, die Entführung in eine Traumwelt (die Brennweite taucht den Film immer in eine verklärte Unschärfe). Es ist eine Welt, wie die Süd-Staaten nie gewesen sind. Und gleichzeitig wird ihre Lebensart genau getroffen. Nur in so einem Film kann man Schwarze zeigen, die glücklich in ihrer Dienstboten-Rolle sind, und man empfindet es als vollkommen in Ordnung. Nur in dieser Darstellung eines so nie gewesenen Südens, in dieser Verklärung, kann sich die absolute Wahrhaftigkeit zeigen. Auch spielt Will Rogers hier nicht ruppig und abweisend, sondern fast etwas verträumt, mit schauspielerischem Stotter-Sprech. Abgesehen davon, dass Ford hier in die Verengung drängt, nach einem ausufernden Film wie DAS LEBEN GEHT WEITER, bricht er die konventionelle Narration auf und lässt Priest als Verbindungsglied sämtliche Handlungsstränge nicht nur durchlaufen, sie durchziehen ihn. Mit einem absichtlich zu weiten Croquet-Schlag stößt er Ereignisse an, mit einer absichtlichen Emotionalisierung durch draußen gespielte Musik, während drinnen der Prozess läuft, manipuliert er die Jury und lässt Ford intra- und extradiegetische Ebene reziprok zusammenfallen. Man kann über den umstrittenen schwarzen Filmkritiker Armond White denken was man will. Er bezieht klar Stellung gegen Rassismus. In JUDGE PRIEST sieht er ein Meisterwerk der Ehrlichkeit über das Leben der Schwarzen im Süden, wie es das Kino bis heute nicht mehr erreicht hat. Abgesehen von dieser Einschätzung ist die Leichtigkeit und gleichzeitige Perfektion des Films einfach nur verzaubernd. Der Gleichfluss des Lebens mit all seinen Schattierungen.
Der Film beginnt für einen Hollywood-Film seiner Zeit ungewöhnlich. Statt der Einblendung des Firmenlogos oder der Credits, ruft Priest erst mal zur Ruhe
Priest liest während des Prozesses lieber die Comic-Strips
Der Angeklagte, Jeff Poindexter, ist eingeschlafen
Strukturen des absurden Theaters. Statt eines Richterspruchs, blendet Ford mitten aus der Verhandlung in eine andere Szene und der Prozess wird dadurch aufgelöst, dass Richter und Angeklagter zusammen fischen gehen
Priests Neffe Jerome und Ellie May, die im Ort geächtet wird, müssen auch noch zusammengebracht werden
Die Spiegelung in die andere Welt. Priest hat seine komplette Familie schon vor vielen Jahren verloren
Ford erkannte das Potenzial von Hattie McDaniel und drehte mit ihr zusätzliche Szenen, die nicht vorgesehen waren. Dieser Film wurde ihr großer Durchbruch
Priest wird für den wichtigsten Prozess des Dorfes als befangen abgelehnt. Unter dem Bild Robert E. Lees beschwört er den stolzen Kampf des Südens und sagt den wichtigen Satz: "When I quit fighting in '65, for what we thought, it was right."
Nach seiner Ansprache platziert Priest den richtigen Zeugen. Historie wird durch die Überblendung in Einklang verschmolzen, wenn über die Rekrutierung Strafgefangener im Sezessionskrieg gesprochen wird. Gleichzeitig gibt Ford Verweise auf das amerikanische Rechtssystem, welches, wenn Beweise fehlen, nur über Integrität funktionieren kann. Auf filmhistorischer Ebene haben wir eine Intertextualität, weil der Zeuge von Henry B. Walthall gespielt wird, der einen Süd-Staaten-Colonel in Griffiths DIE GEBURT EINER NATION gespielt hat
Priests Taktik geht auf. Er steigert die emotionale Rede des Zeugen, in dem er draußen den Dixie spielen lässt. Die Jury merkt gar nicht, wie sie eingelullt und beeinflusst wird
Priest ruft Jeff Poindexter zu, dass er das großartig gemacht hat. Er hatte ihm dafür seinen Waschbären-Pelz versprochen, doch jetzt könne er auch seine weiße Weste haben. Jeff zeigt lachend, dass er die doch schon längst trägt
In Fords nicht näher benanntem Märchen-Ort marschieren bei der Reunion-Parade zum Stolz des Südens Schwarz und Weiß gemeinsam. Die schwarzen Kinder als Symbol einer neuen Hoffnung
Tonfilm Nr. 15: JUDGE PRIEST ist, anders als DR. BULL, die Entführung in eine Traumwelt (die Brennweite taucht den Film immer in eine verklärte Unschärfe). Es ist eine Welt, wie die Süd-Staaten nie gewesen sind. Und gleichzeitig wird ihre Lebensart genau getroffen. Nur in so einem Film kann man Schwarze zeigen, die glücklich in ihrer Dienstboten-Rolle sind, und man empfindet es als vollkommen in Ordnung. Nur in dieser Darstellung eines so nie gewesenen Südens, in dieser Verklärung, kann sich die absolute Wahrhaftigkeit zeigen. Auch spielt Will Rogers hier nicht ruppig und abweisend, sondern fast etwas verträumt, mit schauspielerischem Stotter-Sprech. Abgesehen davon, dass Ford hier in die Verengung drängt, nach einem ausufernden Film wie DAS LEBEN GEHT WEITER, bricht er die konventionelle Narration auf und lässt Priest als Verbindungsglied sämtliche Handlungsstränge nicht nur durchlaufen, sie durchziehen ihn. Mit einem absichtlich zu weiten Croquet-Schlag stößt er Ereignisse an, mit einer absichtlichen Emotionalisierung durch draußen gespielte Musik, während drinnen der Prozess läuft, manipuliert er die Jury und lässt Ford intra- und extradiegetische Ebene reziprok zusammenfallen. Man kann über den umstrittenen schwarzen Filmkritiker Armond White denken was man will. Er bezieht klar Stellung gegen Rassismus. In JUDGE PRIEST sieht er ein Meisterwerk der Ehrlichkeit über das Leben der Schwarzen im Süden, wie es das Kino bis heute nicht mehr erreicht hat. Abgesehen von dieser Einschätzung ist die Leichtigkeit und gleichzeitige Perfektion des Films einfach nur verzaubernd. Der Gleichfluss des Lebens mit all seinen Schattierungen.
Der Film beginnt für einen Hollywood-Film seiner Zeit ungewöhnlich. Statt der Einblendung des Firmenlogos oder der Credits, ruft Priest erst mal zur Ruhe
Priest liest während des Prozesses lieber die Comic-Strips
Der Angeklagte, Jeff Poindexter, ist eingeschlafen
Strukturen des absurden Theaters. Statt eines Richterspruchs, blendet Ford mitten aus der Verhandlung in eine andere Szene und der Prozess wird dadurch aufgelöst, dass Richter und Angeklagter zusammen fischen gehen
Priests Neffe Jerome und Ellie May, die im Ort geächtet wird, müssen auch noch zusammengebracht werden
Die Spiegelung in die andere Welt. Priest hat seine komplette Familie schon vor vielen Jahren verloren
Ford erkannte das Potenzial von Hattie McDaniel und drehte mit ihr zusätzliche Szenen, die nicht vorgesehen waren. Dieser Film wurde ihr großer Durchbruch
Priest wird für den wichtigsten Prozess des Dorfes als befangen abgelehnt. Unter dem Bild Robert E. Lees beschwört er den stolzen Kampf des Südens und sagt den wichtigen Satz: "When I quit fighting in '65, for what we thought, it was right."
Nach seiner Ansprache platziert Priest den richtigen Zeugen. Historie wird durch die Überblendung in Einklang verschmolzen, wenn über die Rekrutierung Strafgefangener im Sezessionskrieg gesprochen wird. Gleichzeitig gibt Ford Verweise auf das amerikanische Rechtssystem, welches, wenn Beweise fehlen, nur über Integrität funktionieren kann. Auf filmhistorischer Ebene haben wir eine Intertextualität, weil der Zeuge von Henry B. Walthall gespielt wird, der einen Süd-Staaten-Colonel in Griffiths DIE GEBURT EINER NATION gespielt hat
Priests Taktik geht auf. Er steigert die emotionale Rede des Zeugen, in dem er draußen den Dixie spielen lässt. Die Jury merkt gar nicht, wie sie eingelullt und beeinflusst wird
Priest ruft Jeff Poindexter zu, dass er das großartig gemacht hat. Er hatte ihm dafür seinen Waschbären-Pelz versprochen, doch jetzt könne er auch seine weiße Weste haben. Jeff zeigt lachend, dass er die doch schon längst trägt
In Fords nicht näher benanntem Märchen-Ort marschieren bei der Reunion-Parade zum Stolz des Südens Schwarz und Weiß gemeinsam. Die schwarzen Kinder als Symbol einer neuen Hoffnung
Samstag, 21. Juni 2014
DAS LEBEN GEHT WEITER
DAS LEBEN GEHT WEITER
John Ford, Tonfilm Nr. 14: Erzählt wird über einen Zeitraum von fast 150 Jahren die Geschichte zweier Familien, welche, nachdem der Patriarch Sebastian Girard - der in England mit den Warbutons zusammengearbeitet hat und durch die Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika 1776 zum größten Baumwollhändler des Landes aufgestiegen ist - im Jahre 1825 verstorben ist, die Geschäfte weiterführen sollen, in dem sie Niederlassungen in den USA, England, Frankreich und Preußen gründen. Wichtig ist es Girard in seinem Testament, dass jede Niederlassung von einem Familienmitglied geführt wird - also das umgekehrte Prinzip der Auswanderung in die USA - und das die Girards und die Warbutons durch das gemeinsame Geschäft zu einer Familie werden. Ford zeigt hiermit den Versuch der Gründung eines neuen familiären Prinzips auf der Basis eines kapitalistischen Konzepts, in dem die Familie Girard durch die Zusammenarbeit mit den Warbutons ein Vierländer-Eck aufzieht, um so den Baumwollhandel zu dominieren. Im Weiteren geht es darum, dass die kapitalistische Allianz zwar einen weitverzweigten Familienstammbaum gründen wird, aber durch historische Ereignisse ständigen Prüfungen ausgesetzt ist und letztendlich scheitern wird. Im Gegenzug verlieben sich Richard Girard und Mary Warbuton bereits während der Familienfusion 1825, doch ist Mary Warbuton mit einem deutlich älteren Herren verheiratet, der die Firma/Familie Warbuton führt. Sie können nicht zusammenkommen, obwohl sie spontan eine bedingungslose Liebe spüren. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wird die Girard-Warbuton-Enterprises zur bedeutendsten Export-Firma für Baumwolle aufsteigen und sowohl in den USA, Frankreich, England und inzwischen dem Deutschen Kaiserreich haben sich die Girards und Warbutons zu Familienclans entwickelt. Im Jahre 1914 kommen die Ur-Ur-Enkel der Gründungsmitglieder der Familienfusion zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder in New Orleans zusammen. Ganz im Sinne eines Clans, haben der deutsche Fritz, der älteste Spross des inzwischen Baron von Gerhardt (man ließ den Namen ändern) und seine Cousine dritten Grades, Jeanne aus Frankreich, zusammengefunden und wollen heiraten. Die Geschäfte laufen besser als je zuvor, da ein globaler Handel zwischen den vier Ländern besteht, mit dem sie den Rest der Welt beliefern und gekrönt werden soll dies durch die Hochzeit von Fritz und Jeanne. Ein Symbol der Völkerverständigung, wie Baron von Gerhardt, Ur-Ur-Enkel von John Girard, anmerkt. Bei diesem Treffen begegnen sich auch zwei andere Ur-Ur-Enkel: Richard Girard und Mary Warbuton. Die Namensträger ihrer Vorfahren, deren Liebe einst nicht sein konnte/durfte. Sie sprechen davon, dass sie sich irgendwoher kennen. Ob sie sich schon mal gesehen haben. Ein Musikstück, welches 1825 ertönte, und welches nur bei den Girards gespielt wurde, kommt Mary, die nie in den USA war, bekannt vor. Richard ist verwundert, woher sie es kennt. Doch eine Ehe zwischen Erik, dem zweiten Sohn der von Gerhardts und Mary ist bereits arrangiert, Richard ist enttäuscht und haut mit Henri, einem Spross der französischen Girard-Linie, nach Paris ab. Als der Erste Weltkrieg ausbricht, verändert sich alles. Die Familien-Allianz wird auf eine harte Probe gestellt. Fritz von Gerhardt wird mit seinem U-Boot untergehen, seine französische Frau wird um ihn trauern. Henri wird eingezogen, Richard geht "zum Spaß" mit und wird mit dem Wahnsinn des Krieges konfrontiert. Die Geschäfte in den USA liegen dadurch brach, mit Deutschland werden keine Geschäfte gemacht und Mary Warbuton muss die Firma allein durch den Krieg führen. Dieses Chaos wird Richard und Mary endlich zusammenführen, die einzelnen Familienmitglieder macht es zu Wracks. Nach dem Krieg begibt man sich in den Wiederaufbau. Die Prosperität der 1920er sorgt dafür, dass Richard Girard, der inzwischen mit Mary verheiratet ist, im Jahre 1925, 100 Jahre nach der Firmengründung durch den Familienzusammenschluss, eine Superfusion plant, die 250 Millionen Dollar schwer ist (nach heutigem Dollarkurs ca. 7,5 Milliarden). Der Reichtum, in dem die Girards-Warbutons schwimmen, ist grenzenlos. Doch Mary ist frustriert. Sie suhlen sich im Geld, aber sie kommt in die Jahre und so langsam sehnt sie sich nach Kindern. Richard hat dafür keine Zeit. Er ist im Rausch des Turbo-Kapitalismuses, auf dem Weg zum Global Player. Es kommt das Jahr 1929, der schwarze Donnerstag (für Europäer der schwarze Freitag). Die Superfusion ist gescheitert. Richard Girard hat Milliarden Dollar in den Ausguss geschüttet. Sein "kleines" Monopoly-Spiel hat versagt und wie ein Kind krabbelt er zu Mary ins Bett, die ihn wie eine Mutter an sich drückt. Sie vergibt ihm, dass er die Welt in den Abgrund gestürzt hat. Die Rekonsolidierung läuft über die Firma Warbuton. Der stellvertretende Manager Manning hatte sich gegen die Superfusion ausgesprochen und als kleine Firma weitergemacht. Er ist nicht vom Börsen-Crash betroffen und nimmt die Girards, der Familie wegen, wieder auf. Wir schreiben inzwischen das Jahr 1934. Eine letzte Geschäftsbesprechung findet statt. Erik von Gerhardt, Jaques Girard aus Frankreich, Richard Girard aus den USA und Manning als Vertreter der Warbutons diskutieren über die weitere Zukunft. Erik regt sich auf, dass dieser Nationalismus jegliche Form der Globalisierung verhindert. Man könne keinen Handel betreiben. Jaques erwähnt, dass sich das Familienkonzept überholt habe, man noch mehr Spekulationsgeschäfte (heute Investmentbanking) betreiben müsse und die Geschäfte eventuell durch einen neuen Krieg angetrieben werden könnten. Als Mary dies hört, rastet sie aus. Sie hält eine flammende Rede gegen den Krieg, doch Erik und Jaques bezeichnen sie als sentimental. Der Krieg, so stellen sie in diesem im Januar 1934 gedrehten Spielfilm fest, wird kommen. Unausweichlich!
Richard Girard und Mary Warbuton verlieben sich bereits 1825
Durch die Übertragung von Genen und Musik verlieben sie sich auch knapp 90 Jahre später. Der Schauspieler, der 1825 Mary Warbutons Mann gespielt hat, spielt jetzt ihren Vater
Während des Ersten Weltkrieges muss Mary Warbuton ein Millionen-Unternehmen führen
Dixie hat in Frankreich Urlaub gemacht und ist aufgrund sprachlicher Missverständnisse eingezogen worden. Ford inszeniert ihn als den Clown, welcher die grausigen Ereignisse konterkariert, hat er dort doch eigentlich nichts zu suchen
Fords Existenzialismus: Auf einem Friedhof findet eine der spektakulärsten Film-Schlachten des WWI statt, die ich je gesehen habe. Vor allem die Handkamera, welche das Ereignis "ganz nah dran" präsentiert, ist schwindelerregend
Heimmarsch der Truppen. Die Verstorbenen marschieren in der Überblendung mit. Nicht die einzige Transzendenz dieses Filmes
Wir schreiben das Jahr 1925. Richard Girard ist ein Global Player. Im Hintergrund ein im Stile des Sozialismuses gestaltetes Bild, welches die Basis des Unternehmens zeigt: Sklavenarbeit
Der Börsen-Crash 1929. Die Überblendung mit dem Irrsinn an der Börse, Richard Girards Verzweiflung und dem Börsen-Ticker
Mary Girard-Warbuton hält eine flammende Rede gegen einen weiteren Krieg. Erik und Jaques bezeichnen sie als sentimental
Was nun folgt, gehört zum Eindrucksvollsten, was ich je in einem Film gesehen habe. Ich verweise nochmals darauf, dass der Film im Januar 1934 gedreht wurde. Ein Jahr nach der "Machtergreifung", fast 6 Jahre vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Nachdem Mary Girard-Warbuton ihre flammende Rede gegen einen weiteren Krieg hält, zeigt Ford in einer furiosen Eisenstein'schen Montage auf, wie wir uns den nächsten Krieg vorstellen dürfen bzw. wohin es mit der Welt gehen wird:
Deutschland:
Italien:
Japan:
Sowjetunion:
Frankreich:
Großbritannien:
USA:
Von diesem Wahnsinn wollen Richard und Mary nichts mehr wissen, denn sie haben all das bereits hinter sich. Sie gehen zurück zum verlassenen Landhaus der Girards, welches seit Jahrhunderten in den Südstaaten steht. Dort lebt inzwischen Dixie, nun ein Kriegsheld, mit seiner Familie, der die Girards willkommen heißt. Mary weint vor Glück.
John Ford, Tonfilm Nr. 14: Erzählt wird über einen Zeitraum von fast 150 Jahren die Geschichte zweier Familien, welche, nachdem der Patriarch Sebastian Girard - der in England mit den Warbutons zusammengearbeitet hat und durch die Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika 1776 zum größten Baumwollhändler des Landes aufgestiegen ist - im Jahre 1825 verstorben ist, die Geschäfte weiterführen sollen, in dem sie Niederlassungen in den USA, England, Frankreich und Preußen gründen. Wichtig ist es Girard in seinem Testament, dass jede Niederlassung von einem Familienmitglied geführt wird - also das umgekehrte Prinzip der Auswanderung in die USA - und das die Girards und die Warbutons durch das gemeinsame Geschäft zu einer Familie werden. Ford zeigt hiermit den Versuch der Gründung eines neuen familiären Prinzips auf der Basis eines kapitalistischen Konzepts, in dem die Familie Girard durch die Zusammenarbeit mit den Warbutons ein Vierländer-Eck aufzieht, um so den Baumwollhandel zu dominieren. Im Weiteren geht es darum, dass die kapitalistische Allianz zwar einen weitverzweigten Familienstammbaum gründen wird, aber durch historische Ereignisse ständigen Prüfungen ausgesetzt ist und letztendlich scheitern wird. Im Gegenzug verlieben sich Richard Girard und Mary Warbuton bereits während der Familienfusion 1825, doch ist Mary Warbuton mit einem deutlich älteren Herren verheiratet, der die Firma/Familie Warbuton führt. Sie können nicht zusammenkommen, obwohl sie spontan eine bedingungslose Liebe spüren. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wird die Girard-Warbuton-Enterprises zur bedeutendsten Export-Firma für Baumwolle aufsteigen und sowohl in den USA, Frankreich, England und inzwischen dem Deutschen Kaiserreich haben sich die Girards und Warbutons zu Familienclans entwickelt. Im Jahre 1914 kommen die Ur-Ur-Enkel der Gründungsmitglieder der Familienfusion zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder in New Orleans zusammen. Ganz im Sinne eines Clans, haben der deutsche Fritz, der älteste Spross des inzwischen Baron von Gerhardt (man ließ den Namen ändern) und seine Cousine dritten Grades, Jeanne aus Frankreich, zusammengefunden und wollen heiraten. Die Geschäfte laufen besser als je zuvor, da ein globaler Handel zwischen den vier Ländern besteht, mit dem sie den Rest der Welt beliefern und gekrönt werden soll dies durch die Hochzeit von Fritz und Jeanne. Ein Symbol der Völkerverständigung, wie Baron von Gerhardt, Ur-Ur-Enkel von John Girard, anmerkt. Bei diesem Treffen begegnen sich auch zwei andere Ur-Ur-Enkel: Richard Girard und Mary Warbuton. Die Namensträger ihrer Vorfahren, deren Liebe einst nicht sein konnte/durfte. Sie sprechen davon, dass sie sich irgendwoher kennen. Ob sie sich schon mal gesehen haben. Ein Musikstück, welches 1825 ertönte, und welches nur bei den Girards gespielt wurde, kommt Mary, die nie in den USA war, bekannt vor. Richard ist verwundert, woher sie es kennt. Doch eine Ehe zwischen Erik, dem zweiten Sohn der von Gerhardts und Mary ist bereits arrangiert, Richard ist enttäuscht und haut mit Henri, einem Spross der französischen Girard-Linie, nach Paris ab. Als der Erste Weltkrieg ausbricht, verändert sich alles. Die Familien-Allianz wird auf eine harte Probe gestellt. Fritz von Gerhardt wird mit seinem U-Boot untergehen, seine französische Frau wird um ihn trauern. Henri wird eingezogen, Richard geht "zum Spaß" mit und wird mit dem Wahnsinn des Krieges konfrontiert. Die Geschäfte in den USA liegen dadurch brach, mit Deutschland werden keine Geschäfte gemacht und Mary Warbuton muss die Firma allein durch den Krieg führen. Dieses Chaos wird Richard und Mary endlich zusammenführen, die einzelnen Familienmitglieder macht es zu Wracks. Nach dem Krieg begibt man sich in den Wiederaufbau. Die Prosperität der 1920er sorgt dafür, dass Richard Girard, der inzwischen mit Mary verheiratet ist, im Jahre 1925, 100 Jahre nach der Firmengründung durch den Familienzusammenschluss, eine Superfusion plant, die 250 Millionen Dollar schwer ist (nach heutigem Dollarkurs ca. 7,5 Milliarden). Der Reichtum, in dem die Girards-Warbutons schwimmen, ist grenzenlos. Doch Mary ist frustriert. Sie suhlen sich im Geld, aber sie kommt in die Jahre und so langsam sehnt sie sich nach Kindern. Richard hat dafür keine Zeit. Er ist im Rausch des Turbo-Kapitalismuses, auf dem Weg zum Global Player. Es kommt das Jahr 1929, der schwarze Donnerstag (für Europäer der schwarze Freitag). Die Superfusion ist gescheitert. Richard Girard hat Milliarden Dollar in den Ausguss geschüttet. Sein "kleines" Monopoly-Spiel hat versagt und wie ein Kind krabbelt er zu Mary ins Bett, die ihn wie eine Mutter an sich drückt. Sie vergibt ihm, dass er die Welt in den Abgrund gestürzt hat. Die Rekonsolidierung läuft über die Firma Warbuton. Der stellvertretende Manager Manning hatte sich gegen die Superfusion ausgesprochen und als kleine Firma weitergemacht. Er ist nicht vom Börsen-Crash betroffen und nimmt die Girards, der Familie wegen, wieder auf. Wir schreiben inzwischen das Jahr 1934. Eine letzte Geschäftsbesprechung findet statt. Erik von Gerhardt, Jaques Girard aus Frankreich, Richard Girard aus den USA und Manning als Vertreter der Warbutons diskutieren über die weitere Zukunft. Erik regt sich auf, dass dieser Nationalismus jegliche Form der Globalisierung verhindert. Man könne keinen Handel betreiben. Jaques erwähnt, dass sich das Familienkonzept überholt habe, man noch mehr Spekulationsgeschäfte (heute Investmentbanking) betreiben müsse und die Geschäfte eventuell durch einen neuen Krieg angetrieben werden könnten. Als Mary dies hört, rastet sie aus. Sie hält eine flammende Rede gegen den Krieg, doch Erik und Jaques bezeichnen sie als sentimental. Der Krieg, so stellen sie in diesem im Januar 1934 gedrehten Spielfilm fest, wird kommen. Unausweichlich!
Richard Girard und Mary Warbuton verlieben sich bereits 1825
Durch die Übertragung von Genen und Musik verlieben sie sich auch knapp 90 Jahre später. Der Schauspieler, der 1825 Mary Warbutons Mann gespielt hat, spielt jetzt ihren Vater
Während des Ersten Weltkrieges muss Mary Warbuton ein Millionen-Unternehmen führen
Dixie hat in Frankreich Urlaub gemacht und ist aufgrund sprachlicher Missverständnisse eingezogen worden. Ford inszeniert ihn als den Clown, welcher die grausigen Ereignisse konterkariert, hat er dort doch eigentlich nichts zu suchen
Fords Existenzialismus: Auf einem Friedhof findet eine der spektakulärsten Film-Schlachten des WWI statt, die ich je gesehen habe. Vor allem die Handkamera, welche das Ereignis "ganz nah dran" präsentiert, ist schwindelerregend
Heimmarsch der Truppen. Die Verstorbenen marschieren in der Überblendung mit. Nicht die einzige Transzendenz dieses Filmes
Wir schreiben das Jahr 1925. Richard Girard ist ein Global Player. Im Hintergrund ein im Stile des Sozialismuses gestaltetes Bild, welches die Basis des Unternehmens zeigt: Sklavenarbeit
Der Börsen-Crash 1929. Die Überblendung mit dem Irrsinn an der Börse, Richard Girards Verzweiflung und dem Börsen-Ticker
Mary Girard-Warbuton hält eine flammende Rede gegen einen weiteren Krieg. Erik und Jaques bezeichnen sie als sentimental
Was nun folgt, gehört zum Eindrucksvollsten, was ich je in einem Film gesehen habe. Ich verweise nochmals darauf, dass der Film im Januar 1934 gedreht wurde. Ein Jahr nach der "Machtergreifung", fast 6 Jahre vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Nachdem Mary Girard-Warbuton ihre flammende Rede gegen einen weiteren Krieg hält, zeigt Ford in einer furiosen Eisenstein'schen Montage auf, wie wir uns den nächsten Krieg vorstellen dürfen bzw. wohin es mit der Welt gehen wird:
Deutschland:
Italien:
Japan:
Sowjetunion:
Frankreich:
Großbritannien:
USA:
Von diesem Wahnsinn wollen Richard und Mary nichts mehr wissen, denn sie haben all das bereits hinter sich. Sie gehen zurück zum verlassenen Landhaus der Girards, welches seit Jahrhunderten in den Südstaaten steht. Dort lebt inzwischen Dixie, nun ein Kriegsheld, mit seiner Familie, der die Girards willkommen heißt. Mary weint vor Glück.
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