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Donnerstag, 22. November 2012

Emmanuelle

(EMMANUELLE)
FRANKREICH 1973
Regie: Just Jaeckin


Schon zu Beginn versucht Just Jaeckin den Blick, den Eindruck, zu lenken, doch findet hier noch eine Entgegensetzung zwischen Gezeigtem und wie es gezeigt wird statt. Der Weichzeichnerfilter wird den Zuschauer in keiner Einstellung verlassen, aber zu Beginn sehen wir eine Frau im Morgenmantel, ganz gewöhnlich, mit kurzem Haar und sich rote Socken überziehend, mit denen sie in die Küche schlurft. Die romantisierende Wirkung des Weichzeichners wird erst im weiteren Verlauf des Films eine Einheit mit dem Gezeigten eingehen, doch erst mal sehen wir etwas sehr Alltägliches. Die Frau bereitet sich ein Frühstück zu, für Frankreich fast spartanisch, geht zurück ins Wohnzimmer und betrachtet ein paar S/W-Fotografien, die sie nackt in erotischen Posen ablichten. Es steckt nicht nur Narzissmus in dieser Einstellung, sondern auch der Wunsch über sich hinauszuwachsen. Der Wunsch mehr zu erfahren. EMMANUELLE ist schon allein deshalb eine Sensation, damals wie heute, da er sich als vielleicht erstes Werk des Kinos begreift, das die sexuelle Sinnsuche einer Frau thematisiert, ohne rein metaphorisch oder moralisch, höchstens verklärend zu wirken. Und auch diese Verklärung kann nur als Rettungsakt der Form gewertet werden. EMMANUELLE ist nicht der Film über eine Frau, welche Selbstbestimmung sucht, aber auch nicht der Film über eine Frau, die blind Männerfantasien erfüllt. Beides steckt selbstverständlich in ihr und dem Film, aber nichts davon wird ausgereift entwickelt. Darf es auch nicht, denn es geht nicht um eine didaktische Anleitung in Sachen sexueller Selbstbestimmung (die Aufklärungsfilme der zweiten Hälfte der 1960er gaben da schon genug Anlass zu lachen), sondern um ein in all seiner Fehlerhaftigkeit gezeichnetes Rauscherlebnis sexueller Trieberfüllung.

Emmanuelle ist die gerade erst 21 gewordene Frau eines Diplomaten und fährt ihm nach zu seiner neuen Wirkungsstätte in Bangkok. Die anderen Frauen der höheren Gesellschaft vertreiben sich dort die Langeweile mit sexuellen Eskapaden homo- und heterosexueller Natur. Es wird schnell deutlich gemacht, dass die Welt von Männern regiert wird und Frauen aufs Abstellgleis geschoben werden, wo sie zusehen müssen, sich die Zeit bis zu ihrem Ableben einigermaßen lustvoll zu vertreiben. In vielen Belangen wird der Umbruch der Zeiten deutlich. Es ist nicht mehr nur so, dass es für die Frauen selbstverständlich ist, dass ihre Männer sich die Zeit mit, zumeist jüngeren, anderen Frauen vertreiben, den Frauen ist es inzwischen gestattet selbiges zu tun: mit (jüngeren) Frauen, (jüngeren) Männern, mehreren auf einmal, egal. Doch Emmanuelle will mehr. Sie hat es schon genossen sich im Flugzeug während eines kurzen Fluges zuerst von einem Mann und später von einem anderen "nehmen" zu lassen. Sie will die totale Ekstase, die totale Erfüllung, um über die Erotik zur Frau zu werden. Hierfür wählt sie sich verschiedene Meister, in deren Obhut sie sich begibt. Die minderjährige Marie-Ange, die in allem so viel weiter ist als Emmanuelle, die herbe Bee, die als Archäologin arbeitet, ganze Männerhorden für ihre Arbeit befehligt, verheiratet ist und für die es selbstverständlich ist weibliche Gespielinnen zu haben und Mario, einen alten Connaisseur, der sämtliche sexuellen Begierden und ihre Möglichkeit zur Erfüllung kennt. In den ersten beiden findet Emmanuelle einen neuen Typ Frau. Ein minderjähriges, frühreifes Mädchen, welches zu Paul Newmans Konterfei vor Emmanuelle masturbiert und genau weiß, dass Emmanuelle zu Mario muss, damit sie sich selbst befreien kann. Bee, die völlig autarke Frau, zu einer Zeit, als die Feminismusbewegung gerade erst erreicht hat, dass eine Frau arbeiten darf, ohne dass ihr Ehemann Einspruch erheben kann. Die eine ist ihre Lehrerin, die andere ihre Geliebte. Doch Liebe kann sie so nicht finden. Um die geht es auch nicht. Es geht um die klare Trennung von Liebe und der Erfüllung aller sexuellen Wünsche.

Die Ambivalenz des Filmes wird zugespitzt, weil Emmanuelle diese Erfüllung durch den alten Lustgreis Mario findet. Dieser ist an Emmanuelle jedoch gar nicht interessiert. Er raucht Opium mit ihr und stiftet dann zwei Thailänder zu einer Vergewaltigung Emmanuelles an, welche diese zuerst versucht abzuwehren und sich ihr dann hingibt. An anderer Stelle gibt er einem betrunkenen Matrosen Geld, um Emmanuelle zu fingern. Dann lässt er zwei Thai-Boxer sich blutig schlagen und der Gewinner darf Emmanuelle vor versammelter Mannschaft von hinten nehmen. Just Jaeckin lässt durch die philosophierenden Dialoge Marios die Frage entstehen, ob es Bee überhaupt gegeben hat, ob Emmanuelle nicht schon immer in einer Traumwelt der Lust gelebt hat und so verschmelzen auch in den letzten Einstellungen Traum, (Wunsch-)Vorstellung und Realität. Emmanuelle und Mario haben Sex mit einer dritten, anonymen Person, einem Mann. Mario agiert seine Impotenz und homosexuelle Neigung über diesen aus, Emmanuelle erkennt das Prinzip des ewig weiblich Fordernden, welches der Mann erbringen muss, um sexuell bestehen zu können. Durch die letzte Einstellung will Jackin uns deutlich machen, dass Emmanuelle zur Frau geworden ist, einer selbstbestimmten.

Tja, seit mehr als 20 Jahren habe ich den nicht mehr gesehen und war doch überrascht, wie überrascht ich war. Die auf kunstvoll geschminkte Hülle kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Thematik des Filmes kein Stück von ihrer Aktualität verloren hat. Einer Aktualität, die wohl nie verloren gehen kann, da Frauen kulturgeschichtlich noch nie eine Freiheit in ihrer Sexualität erleben durften. Dabei spielt es letztendlich keine Rolle, ob es an Männern lag, die ebendiese aus Angst unterdrückt haben, oder Frauen, die diese unterdrücken, weil sie selber Angst davor haben. Ob der Weg in EMMANUELLE ein gangbarer ist? Unwichtig, er geht einen Weg und das ist wichtig.

Mittwoch, 14. November 2012

Ninja - Champion on Fire


(NINJA OPERATION VI - CHAMPION ON FIRE aka NINJA AVENGERS)
Hongkong 1986
Regie: Godfrey Ho
 

 
Das Zusammenschneiden unterschiedlicher Filme, die ursprünglich nichts miteinander zu tun haben, um daraus dann einen neuen Film zu machen, bringt es mit sich, dass man beim Zusammenschneiden auch Überschneidungspunkte schaffen muss. In den meisten Cut-and-Paste-Filmen löst Godfrey Ho dies über die mediale Ebene des Telefons. Raum und Zeit unterschiedlicher Filme, die zu unterschiedlichen Zeiten entstanden sind und die auch völlig unterschiedliche Schauspieler aufweisen, die sich logischerweise weder im Film und zumeist auch nicht in der Realität je begegnet sind, werden auf diese Weise verbunden. Dafür ist aber wenigstens das Prinzip eines gemeinsamen epochalen Zeitraumes notwendig. Sollten die Filme zu völlig unterschiedlichen Zeitpunkten spielen, der eine im ausgehenden 20. Jahrhundert, der andere Mitte des 19. Jahrhunderts, dann wird es schwierig. Godfrey Ho verbindet seine beiden Filme auf die denkbar einfachste Weise. Er suggeriert dem Zuschauer einfach, dass die Hauptfigur aus dem von ihm selbst gedrehten Film (wieder einmal Richard Harrison) und die Hauptfigur aus dem wieder verwendeten Film (in diesem Fall Patrick Kelly) sich auf einem Waldweg treffen. Das Ganze wird dann als Schuss/Gegenschuss vermeintlich inszeniert, tatsächlich eher montiert. Bei dem Grundfilm handelt es sich um einen taiwanesischen Genrebastard (FURY IN STORM, 1974, R: Hsu Chin Liang; leider kein IMDb-Eintrag vorhanden). Eine Kreuzung aus Eastern und Western, genauer einem Martial-Arts-Film, der im China des 19. Jahrhunderts spielt und in dem es ein weiteres Mal um die Bedrohung durch die Japaner geht und einem Italo-Western. Dieses Genre vertritt ein katholischer Priester, eher Mönch, der immer mit einem gigantischen Kreuz im Passionsgang umherwandert und sich der japanischen Verbrecherbande angeschlossen hat. Als er von dieser hintergangen wird, schmeißt er sich mit einem aufrechten Kung-Fu-Kämpfer (Chang Yi) zusammen und beide räumen auf.
 
Der andere Teil, also der Teil des Films, den Godfrey Ho mit Richard Harrison, Stuart Smith und den üblichen Verdächtigen gedreht hat, wird hier so vernachlässigt wie selten. Das ist schon daran erkennbar, dass die Ninja-Szenen so austauschbar in ihrer Kampfchoreographie und den wenigen Dialogen erscheinen, dass sie auch problemlos für einen anderen Film gedacht hätten sein können (und wahrscheinlich auch sind, da ich aber erst 32 Ninja-Cut-and-Paste-Filme aus der Schmiede der IFD und Filmark gesehen habe, vermag ich nicht zu sagen, ob und wann dieses Material schon an anderer Stelle verwendet wurde). Ein gewisser Ringo (Stuart Smith) wurde hier aus dem Knast entlassen und schwört dem Mönch Antonio aus dem Grundfilm blutige Rache. Der soll ihn nämlich durch Verrat dort hingebracht haben. Gordon (Richard Harrison) wird mal eben zu Antonios Bruder gemacht und muss verhindern, dass diesem etwas geschieht. Die beiden Filmteile in NINJA - CHAMPION ON FIRE wirken wesentlich unverbundener als sonst. Ho hatte entweder erkannt, dass aus dem Material mit Harrison nicht mehr herauszuholen war, oder es war von Anfang an geplant hier möglichst wenig Selbstgedrehtes zu verwenden und lieber den Originalfilm durchlaufen zu lassen.
 
So folgt man eher der Geschichte aus dem Grundfilm und erhält schöne Einblicke, wie im taiwanesischen Mainstream-Kino der 1970er westliche Trends aufgegriffen wurden und wie man so über uns gedacht hat. Im Grunde handelt es sich um eine Art Umkehrung der Nationalitäten bei Beibehaltung der üblichen Figurenkonstellationen. Es ist nicht, wie in früheren als politisch heute nicht mehr korrekt eingestuften Darstellungen (seltsamerweise heutzutage aber häufiger anzutreffen als je zuvor, aber jetzt glaubt man ja alles mitzureflektieren), der schlitzäugige Chinese/Japaner/Koreaner-Egal-sehen-ja-eh-alle-gleich-aus-Typ, der als comic relief taugt, sondern eben der depperte Gweilo, der mit den Insignien seines christlichen Glaubens, die hier immer wieder der Lächerlichkeit preisgegeben werden, durch den Film stolpert, tölpelhaft in die Kamera blickt, für Asiaten ekelhaft anzuschauende Körperbehaarung hat, Frauen wie ein Tier anfällt und auch sonst von seinem gutmütig-mitleidig lächelnden chinesischen Freund öfters mal zur Ruhe gerufen werden muss. Auch ist der Gweilo eher ein zu domestizierender Wilder und in seinem großen Holzkreuz befindet sich genau das Utensil, dass uns aus diversen Italowestern bekannt ist. Das Kreuz der Missionierung bringt den Tod, deutlicher geht's kaum. Im Konkreten geht es wieder einmal um ein chinesisches Nationalheiligtum, das von den bösen Japanern entwendet wurde. Der tapfere Kung-Fu-Kämpfer ist an dessen Rückeroberung interessiert, um die Ehre des chinesischen Volkes wieder herzustellen, der Gweilo sinnt auf Rache für den Verrat seiner früheren Gang und will die Kohle abgreifen, die natürlich auch irgendwie im Spiel ist. Dazwischen wird viel gerülpst, vergewaltigt und geschmatzt beim Essen. Seltener war der Ninja-Plot so fern wie hier.
 
FURY IN STORM ist bei Weitem nicht so ausgereift wie seine international bekannteren Vorbilder IN MEINER WUT WIEG' ICH VIER ZENTNER oder DER MANN MIT DER KUGELPEITSCHE. Das mag zum einen daran liegen, dass FURY IN STORM nicht im Westen, sondern im Osten spielt und der Westernrecke sich eher als Hans Wurst durch die Easternkulisse schlägt, zum anderen wohl daran, dass taiwanesische Filme den South Asian Film Circle seltener verlassen haben, als ihre großen Brüder aus Hongkong.
 
Diese Cut-and-Paste-Produktion gehört, was das Cut-and-Paste angeht, sicherlich zu den schwächeren Filmen, bietet aber in der deutschen Synchro gut aufgelegte Sprecher und transportiert so ein wenig den Schwung des verstümmelten Originalfilms. Sowohl eine Wirtshausschlägerei, als auch das Finale wussten zu begeistern. Dissoziierende Momente gab es eher selten, was natürlich schade ist, wenn man die übliche Ausgeflipptheit der Ho-Ninja-Flicks sucht.
 

 
P.S. Im Internet trifft man immer wieder auf die Behauptung, die Namen Joseph Lai, Betty Chang und Tomas Tang seien Fakes und tatsächlich stünde Godfrey Ho hinter allem. Hier verlinke ich mal zu einem Interview mit IFD-Chef Joseph Lai von Mike Leeder geführt und hier zu einem Interview mit Richard Harrison, wo die Existenz von Joseph Lai ebenfalls bestätigt wird.
 
P.P.S. An dieser Stelle wird behauptet, ich hätte etwas gegen Italowestern. Dem muss ich scharf widersprechen. In Italowestern könnte ich mich reinlegen. Die haben mich auf die Droge Film gebracht. :)

Freitag, 9. November 2012

Der Fan


BR Deutschland 1981
Regie: Eckhart Schmidt

Mit dem Dekadenwechsel der 70er auf die 80er Jahre war in Deutschland (sowie überhaupt in vielen westlichen Industrienationen) ein Wunsch nach Veränderung verbunden. Gesellschaftlich wie auch in der Populärkultur. Im Kino war dies besonders durch eine neue (bedingt neu, da eigentlich nur eine Farb- und Neonvariante des film noir) "Verästhetisierung" der gerade erst erzwungenen Realität erkennbar. Eckhart Schmidt, früherer Filmkritiker der SZ, wollte sowohl dem deutschen Kino der Greise, als auch dem "Neuen Deutschen Film", der einst angetreten war gegen eben dieses Greisenkino, aber inzwischen völlig institutionalisiert war, den Kampf ansagen. Passend zur NDW in der Pop-Musik sollte es zur "Neuen Welle" im Kino kommen. Eine Welle, welche die innere Abgestumpftheit durch den Konsumapparat, die zunehmende Unlust zu politischer Revolution, die Abgestorbenheit jeglicher Gefühle beinhalten sollte. Ein neues Lebensgefühl also, welches von Destruktion, einer vor die Hunde gehenden Gesellschaft und dem ständigen Erwarten der Apokalypse geprägt war.

In DER FAN, seinem ersten Feature-Film seit 12 Jahren, beschäftigt sich Eckhart Schmidt nun mit sich selbst bedingenden Regressionswünschen. Eine Ankoppelung an die Gesellschaft ist nicht mehr gewünscht. Die orale Phase soll ungehindert ausgelebt werden. Fast schon überzogen - so sah es zumindest die Kritik damals - ist der Film vollgestopft mit seinen gewollt psychoanalytischen Bedeutungsebenen, inszenatorisch ordentlich dick aufgetragen im Stile von Schmidts Lieblingsregisseur Douglas Sirk.

Die 16-jährige Simone ist eine fan-atische Anhängerin von "R", einem neuen Popstar, der gerade die Charts erobert. Er singt vom Augenblick, vom Moment, den er genießen will und damit ist er kein Lügner. Simone schwänzt die Schule, wartet jeden Tag vergeblich auf einen Brief von "R", schreibt ihm regelmäßig Fan-Briefe, dreht sich in ihren vertonten Gedanken permanent um ihn. Schließlich reißt sie von zu Hause aus und macht sich auf den Weg nach München, wo "R" ein neues Video aufnimmt. Sie entgeht lüsternen Spießbürgern, die sie abficken wollen, pennt im Park und wird schließlich von "R" wahrgenommen als er Autogramme gibt. Wie gesagt, "R" ist kein Lügner. Für ihn, einem in deutschen Kultobjekten erstarrten Roboter, zählt wirklich nur der Augenblick. Nachdem er Simone entjungfert hat, wirft er sie weg.

---- Spoiler ----

Dies lässt Simone sich nicht gefallen. Das von außen völlig apathische Mädchen zeigt seine einzige erkennbare natürliche Emotion als sie begreift, was "R" mit ihr tut: Sie schreit! Dann nimmt sie eine Statue und tötet "R". Danach zersägt sie ihn in seine Einzelteile, kocht und isst ihn und zermahlt die Knochen zu Mehl, welches sie in einem Ritual an dem Punkt verstreut, wo sie und "R" sich zum ersten Mal begegnet sind. Dann geht sie nach Hause und ist glücklich, "R" endlich ganz für und in sich zu haben. Sie wurde in dieser Nacht geschwängert, sie freut sich auf das Kind, sie wird ihn gebären.

---- Spoiler ----

Schwierig über den Film zu sprechen, wenn man das Ende nicht verraten darf. Es geht um die totale Verschlingung. Das erste sexuelle Bedürfnis, welches ein Mensch kennt, wenn er geboren wurde. Er will verschlingen, kannibalistisch, sich selbst, andere. Da in diesem Abschnitt noch keine Trennung zwischen Innen und Außen gemacht wird, da der Mensch sich solipsistisch als universelle Existenz begreift, führt dies in seiner Erfüllung zur vollständigen Destruktion bei gleichzeitiger Erfüllung aller Wünsche. Ein logischerweise nicht zu erfüllendes Unterfangen, weshalb die Zerstörung des in sich aufzunehmenden Objekts nicht Befriedigung auf Dauer sein kann. Jedoch gilt ein derartiges Konzept i.d.R. für Männer, da es keine weiblichen Serienkiller aus sexuell fetischisierten Motiven gibt. Das ist deshalb faszinierend, da Männer, unfähig zu gebären, ihren Fetisch immer wieder neu ersetzen müssen, deshalb weiter töten. Aber was macht Simone? Sie hat einen Ersatz, den zu Töten in eine Dissoziation führen würde: ihr eigenes Kind. Die Faszination dieser Überlegung ergibt sich aus dem Konflikt zwischen Mutterinstinkt und Libido. Würde Simone dem Eros der oralen Befriedigung ungehindert nachgeben, würde sie ihr eigenes Kind essen müssen. Vorher müsste sie sich aber von ihm schwängern lassen, damit sie das regressive Perpetuum Mobile weiter am Laufen erhalten kann. Sollte es ein Mädchen werden, könnte sie nur ihre Obsession "weiterschenken".

Inszenatorisch ist hier vieles doch recht steif. Schmidt meint es zu gut mit den Sirk-Elementen und der psychoanalytischen Überfrachtung, doch sind dies m.E. kritische Krümmelkackerelemente, da wir heute mehr denn je solche Filme brauchen. Vor allem, weil hier ein schöner Brückenschlag erkennbar ist auf der intellektuellen Schiene des "Neuen Deutschen Films", sowie dem in Deutschland zu dieser Zeit toten Genrekino aufzubauen. Fernab von Bernd-Eichinger-Schrott wurde hier ein Weg eingeschlagen, der, schon aufgrund der inszenatorischen Unzulänglichkeiten, einen Punkt "0" darstellt. Eckhart Schmidt, die "Stunde Null" im deutschen Kino? Wohl nicht, aber ein gelungener Einstand. Dazu das Titellied von Rheingold:

Mittwoch, 7. November 2012

Der Pfarrer von St. Pauli

BR DEUTSCHLAND 1970
Regie: Rolf Olsen
 
 
In den Filmen Rolf Olsens geht es formal wie inhaltlich um das Aufeinandertreffen der Gegensätze. Bereits in seinen Frühwerken arbeitet er mit dem Aufeinanderprallen der Geschlechter, wenn Männer in Frauenfummeln Verwirrung stiften, lässt er die klassischen bürgerlichen Werte, die er oft als bigott und verlogen entlarvt, auf moderne Erscheinungen treffen, die sich die Sporen in der Gesellschaft als bleibend erst noch erkämpfen müssen. Er lässt es einen Deutschen, der eben dieses Aufeinandertreffen in sich personifizierte, in seinem Film DAS KANN DOCH UNSREN WILLI NICHT ERSCHÜTTERN erklären. Heinz Erhardt (Dichter und Genie) landet mit seiner Familie in Italien -  allein dieses Aufeinanderprallen zwischen den Deutschen und ihren Gastarbeitern der ersten Stunde behandelt Olsen immer wieder – nur sind die Deutschen diesmal im Gegenland und verfahren nach dem Motto: Gott schütze uns vor Sturm und Wind und Deutschen die im Ausland sind. Nachdem man den, wie im Film benannt, „ersten deutschen Gastarbeiter in Italien zurücklässt“ versichert uns Erhardt noch coram publico, dass man „im Vertrauen“ eigentlich nur was zum Lachen zeigen wollte, denn mehr kann es nicht sein. Und sollte das gelungen sein, dann „kann man ja auch wieder abhauen“.
 
Sehr deutlich fand Rolf Olsen das Aufeinandertreffen dieser Gegensätze in der Bigotterie auf St. Pauli. Diesem Thema widmete er sich in diversen Filmen und griff dabei immer wieder auf den „normannischen Kleiderschrank“ zurück, jene Menschmaschine, die nur so vor Kraft strotzte (nicht unbedingt vor schauspielerischem Talent) die sogar Orson Welles in FÄHRE NACH HONGKONG ganz klein wirken ließ. Daran konnte sich der bundesdeutsche Normalverbraucher festhalten, wenn es durch dunkle Kaschemmen, über dreckige Straßen und an den Zuhältern und Nutten vorbeiging.
 
In DER PFARRER VON ST. PAULI geht es aber nicht nur um das Aufeinanderprallen der Gegensätze, auch wenn der Zuschauer gleich zu Beginn des Filmes damit bombardiert wird. Erst sehen wir noch das offene Meer, eine Datumsanzeige erklärt uns, dass es im Monat der Kapitulation der Deutschen im Zweiten Weltkrieg ist. Schnitt, wir sind in der Enge eines U-Bootes. Der Maschinenraum steht bereits unter Wasser. Dutzende sind schon gestorben. Ein Mann dreht durch und muss überwältigt werden. Die rote Notbeleuchtung wird eingeschaltet. Das U-Boot sinkt. Allein hier wird bereits eine Verdichtung deutlich gemacht, die, ähnlich den Figuren, die Luft zum Atmen raubt. Das U-Boot sinkt, das Licht ist rot, die Männer starren stumpf vor sich hin und sinken immer tiefer auf den Meeresboden. Draußen ein Wasserdruck, der jeden menschlichen Körper binnen Sekunden zerquetschen würde. Einer fängt an, das Vater-Unser zu beten und die anderen fallen mechanisch ein. Der Beginn des Films führt uns ein Ende vor. Nur einer betet ein eigenes Gebet. Tritt direkt mit Gott in Kontakt, nahezu kongenial. Ist bereit, dem Schöpfer des Universums, wie er ihn nennt, einen Gefallen zu tun, wenn dieser die Jungs rettet. Gläubig will er werden und beweisen will er dies, indem er Pfaffe wird. Kaum den Schwur dies zu erfüllen gesprochen, schreit einer auf. Die Amis sind über ihnen, sie haben sie bemerkt, sie holen sie hoch.
 
Nach dieser Kriegsepisode sind wir schlagartig in der Gegenwart angekommen. Konrad Johannsen hat sein Versprechen wahr gemacht. Als lebendes Totem stolziert er über die Reeperbahn und grüßt die Schafe seiner Gemeinde. Egal, ob weiß oder schwarz. Kaum spielt sich die Verdichtung der eigens für den Film komponierten Musik und einem zünftigen Halleluja in der Kirche gesungen zu einem crescendo hoch, da folgt die dritte Klatsche. Nach der Kriegsrealität eines früheren Deutschlands landen wir im Jahr 1970 bei einem Mann, der den Glauben vertreten möchte und nach diesem eher rationalen Zeitsprung lässt Olsen den Zeitsprung auch emotional erfahrbar werden, wenn wir plötzlich ein ausgehagertes H-Girl oben ohne im Drogenrausch tanzen sehen. Eine Hippie-Kommune ist in die Gemeinde gezogen und lässt es ordentlich krachen. Auch wenn Pfarrer Johannsen diese Werte suspekt sind, so begrüßt er auch diese Schäfchen. Im Folgenden verwickelt Olsen unseren Pfarrer in eine Geschichte um einen getöteten Italiener, der für deutsche Gangster die Schmutzarbeit erledigt hat. An der Spitze dieses Syndikats steht ein deutscher Geschäftsmann angesehenster Kajüte. Doch all diese Dinge sind weniger als Krimihandlung interessant, sondern mehr als entscheidender Prüfstein für den katholischen Pfarrer Johannsen. Der Italiener hat ihm nämlich alles gebeichtet, doch das Beichtgeheimnis verbietet ihm etwas auszuplaudern. Das stürzt ihn in schwere Gewissenskonflikte. Er sucht Trost bei seinen Vorgesetzten, aber die speisen ihn nur mit Binsenweisheiten ab. So gerät er mit einer entscheidenden katholischen Tradition aneinander. Nach einer Intrige muss er auf eine ostfriesische Insel und gerät an die Bigotterie der protestantischen Inselbewohner, sowie mit einer weiteren katholischen Tradition aneinander: dem Zölibat. Er verliebt sich in die deutlich jüngere Dagmar. In die ist aber ein Fischer im Dorf verliebt.
 
Was soll ich sagen? Alles fügt sich zum Besten. Pfarrer Johannsen erwirbt sich den Respekt der Dorfbewohner, weil er zwei ihrer Fischer bei schwerem Seegang rettet, er bringt Dagmar und ihren Verehrer unter die Haube, er füllt die Kirche seiner Diaspora mit ergebenen Schäfchen, er kombiniert den Fall mal eben so zusammen und überführt den Oberverbrecher im Alleingang und schließlich bringt er alle weißen und schwarzen Schäfchen unter einem Kirchendach zusammen. Das Hamburger Original Heinz Reincke verweist coram publico, ähnlich wie Heinz Erhardt, darauf, wie schön dass doch alles ist.
 
Selten hat ein deutscher Regisseur so unverhohlen John Ford auf seine Weise zusammengeprügelt wie hier. Rolf Olsen beherrschte das moderne deutsche Genrekino nach dem Zweiten Weltkrieg wie kaum ein anderer. Sein Geheimnis lag in der Montage und den dissoziierenden Dialogen. Nur bedingt in seiner verkanteten Kadrage. Die hat natürlich die entsprechende Unterstützung geliefert, die uns Deutschland als den verzerrten Raum wahrnehmen ließ, der schon immer zwischen gelogener Freiheit und gewünschter Kontrollsicherheit oszillierte. Die nächste Stufe erfüllte er mit BLUTIGER FREITAG und da danach der Raum in Deutschland innerhalb des Exploitationkinos nicht mehr zu erweitern war, ging er gen Asien, wo er sich dem Mondo-Genre zuwandte. Eine Konsequenz, die in ihrer bedingungslosen Logik zu bewundern ist.


Sonntag, 4. November 2012

Lieber Bruno,

Du wolltest doch warten. Das hattest Du mir fest versprochen. Wir hatten doch vereinbart, dass wir uns erst noch mal im realen Leben begegnen und uns umarmen, bevor Du in die Endwelt gehst. Wir wollten uns wenigstens einmal berührt haben, um uns zu versichern, dass der Andere wirklich existiert. Und jetzt hast Du Dich doch schon aus dem Staub gemacht, um zu selbigem zu werden. Das ist nicht fair. Jetzt lässt Du uns hier zurück und wir können Dich mental nicht sterben lassen. Jetzt hast Du es geschafft ein über den Dingen stehendes Prinzip zu werden. Unauslöschlich bist Du jetzt ein Bestandteil jedes Blogs, in dem Du Dich je verewigt hast. Fast so, als wenn Du jetzt ein Gott wärst, aber vielleicht doch eher ein Geist. Ja, ein Geist, ich denke, das wäre Dir lieber gewesen. Dein Kichern über uns, die in der Gegenwelt mit ihrem Blödsinn beschäftigt sind, käme dadurch besser zur Geltung. Du bist eher der Kicherer gewesen, keine Gottheit, die lauthals lacht. Den Anilingus hast Du so gemocht und hast ihn Dir nach Deiner Erkrankung verkniffen. 20 Jahre kein Sex, Film war Dein einziges Kompensationsmittel. Du gehörtest zu jenen Schwulen, die sich Ende der 80er, Anfang der 90er angesteckt haben. Die den Umbruch genau miterlebt haben. Ein lebendes Zeitdokument, ein Stück Geschichte und das schon zu Lebzeiten. Du hast Geschichte erlebt und Du hast sie selbst geprägt. Bedauerlich, dass wir uns nicht früher kennen gelernt haben, vielleicht wären wir ein Paar geworden? Bedauerlich, dass Deine geliebte Splatter-Mutti nun allein zurück bleibt. Aber Du hattest schon lange Deine Reisevorbereitungen geplant gehabt. Ich poste Dir zu Ehren vier Lieder. Zwei, die eine Verbindung zwischen uns bedeuten, da wir über sie sprachen und sie via Internet gemeinsam hörten und zwei neue, die ich Dir eigentlich noch schicken wollte. Du weißt ja, wie sehr ich auf den 80er-Kitsch stehe...








Requiescat in pace

Montag, 9. Juli 2012

Zuletzt gesehen

DER MANN, DER ZUVIEL WUSSTE (1956)

Bereits mit der ersten Szene macht Hitchcock sein Prinzip der Konnexion deutlich. Im Alltag vorkommende, harmlose Situationen, Detailelemente, die in der absoluten Verdichtung eines Tuschs kulminieren und innerhalb der musikalischen Struktur durch ein crescendo angekündigt werden. Das Zusammenfallen von Tusch und Schrei. Der Schrei nur entsteht, weil Verwicklungen dort hin führen, die das an sich Unbedrohliche bedrohlich werden lassen. Den Dingen einen anderen Sinn zusprechen. Die Komplexität und der konnotierte Sinn der Realität eine neue Realität formt, mit neuen Konnotationen, welche die eigentliche Wahrnehmung für den Rezipienten darstellt. Ein metaphysischer Konstruktivismus (Lacans Überlegungen dazu sind m.E. übrigens eine interessante Möglichkeit einen metaphysischen Idealismus zumindest partiell und mit Vorsicht wieder ins Boot zu holen) aus den Elementen des Film, eine Art "Wirklichkeitslenkung" durch den Regisseur, der uns durch das Abbilden eines physikalischen Raumes das Erleben einer nichtgezeigten vernetzten Welt aus Bedrohung, Schuld, Gefahr, schlicht vor- und unbewussten Ängsten erfahrbar macht. Selten hat Hitchcock einen deutlicheren Zusammenhang hergestellt, dass wir durch Schuld auch Verantwortung haben, dass das System keinen Schutz bietet, egal wie klar die Fakten auf dem Tisch liegen und das eine Dyade in Form eines Mann-Frau-Paares trotz bestehender Inkongruenzen versuchen kann innerhalb der "Zweitrealität" zu wirken. Köstlich mit dem letzten Gag verbindend auf den Punkt gebracht, wenn das Ehepaar seinen Sohn aus den Händen der Entführer nach allerlei Widrigkeiten befreien konnte, die geladenen Gäste, schlafend inzwischen, noch im Hause sind und das längere Wegbleiben nur damit kommentiert wird, man habe eben noch den Jungen abholen müssen.



NINJA, DIE KILLERMASCHINE

Ein Rundauge erlernt die japanische Kunst des Tötens und wird damit zum Held und Massenmörder. Ein Schlitzauge ist der Bösewicht und versucht ihn in seinem Held sein zu stoppen. Kann manches, wenn auch nicht alles.


DIE RÜCKKEHR DER NINJA

Ein Schlitzauge beherrscht die japanische Kunst des Tötens und wird damit zum Held und Massenmörder. Ein Rundauge ist der Bösewicht und versucht ihn in seinem Held sein zu stoppen. Kann (fast) alles.


DIE HERRSCHAFT DER NINJA

Eine rundäugige Aerobic-Lehrerin wird vom Geist eines bösen schlitzäugigen Ninjas in Besitz genommen und beherrscht dadurch die japanische Kunst des Tötens. Ein Schlitzauge ist der Gutewicht und versucht sie in ihrem Schurke sein zu stoppen. Kann fast gar nichts.


DIE HAFENKNEIPE VON TAHITI

Nach WK2 hat sich eine kleine polynesische Insel zu einer Art Kommune entwickelt. Polynesier, Japaner, Chinesen, Amerikaner, Australier und andere leben ein Leben im Paradies. Die Angst vor Rassismus und Intoleranz, widergespiegelt durch eine Bostoner Suffragette, lässt sie eine Charade veranstalten. Doch die junge Frau verzeiht, dass ihr Vater ein Hurenbock war, der lieber Mischlinge gezeugt hat und erkennt, dass man in dieser Traumwelt glücklich sein kann, wenn man die böse zivilisierte Welt hinter sich lässt. John Ford wollte es mal entspannter machen und man merkt wie schwer es ihm fällt eine harmlose Komödie zu drehen. Zu sehr ist sein Drang erkennbar auch aus diesem Stoff etwas Ernsthaftes zu machen. So verbindet sich der kafkaesk-absurde Humor seiner Komödien-Meisterwerke TABAKSTRASSE und SO EIN PECHVOGEL mit einem etwas bemühtem Rührstück.


DJANGO - SEIN GESANGBUCH WAR DER COLT

Da ich mich gerade mehr im amerikanischen Western befinde und ich seit Ewigkeiten mal wieder einen Italo-Western gesehen habe, ist mir hier so deutlich wie nie sonst aufgefallen, wie albern, lächerlich und absurd der Italowestern ist und sich eigentlich nur zum Auslachen eignet. Nachdem ich den Turn dann hinbekommen hatte, konnte ich mich wieder in die Stilmittel der Operette und des Comics fallen lassen, die den Italo-Western so bestimmen und so besonders machen (können). Fulci versucht einen eigenen Stil zu finden, schafft dies in den besten Momenten des Filmes auch, aber verliert sich in einem zu konventionellen Finale dann doch im Üblichen. Seinen Wunsch sexuelle Prägungsmetaphern in den Film einzuarbeiten begrüße ich natürlich, sowie die Absenz des Weiblichen in dessen Vernichtung kulminieren zu lassen und die Mutterfigur als Totem, den Vater aber als kastriert, sowie die Brüderhorde als homosexuell-destruktiv darzustellen. Doch dann bitte etwas mehr Konsequenz.



DER MANN MIT DEN RÖNTGENAUGEN

Sprudelt nur so vor Ideen. Am besten gefiel mir die Kamerafahrt durch ein Gehirn.

         

ALIEN TERROR

Ein Nostalgiefilm meiner Kindheit, der tatsächlich an Abgedrehtheit wenig eingebüßt hat. Den haben wir damals auf einer Klassenfahrt gesehen. Wir waren 12/13 und haben beim FSK-Hinweis schnell vorgespult. Unsere Lehrerin hat gekreischt und gejault, aber ließ den Film trotzdem weiterlaufen. Besonderes Amüsement entstand durch die Szene, bei der einem Außerirdischen, der sich einen Menschen als Wirtskörper genommen hat, der Fuß mit einer Schrotflinte abgeschossen wird. Die Außerirdischen können sich nämlich regenerieren, aber weil er sturzbesoffen ist, wächst ihm statt eines neuen Fußes, eine neue Hand. Das Ganze natürlich mit viel Blut und Gekröse und am Bein befestigter Kamera bei der Weglauf-Szene. Auch dürfte der Film bis heute den Rekord an Innocent-Bystander-Shooting halten. Bei der 57. Person, die unschuldig umgelegt wurde - natürlich für jeden einen einzelnen Kamerashot, aber mindestens immer zwei bis drei Schüsse, auf die dann vier bis fünf blutige Squibs folgen - habe ich aufgehört zu zählen. Eine der Außerirdischen wird in ihrem Menschenkörper notgeil, so dass sie ständig neue Lover braucht. Problem: Die verbrennen zu Asche, wenn sie mit einem normalen Menschen vögelt, so dass das Motto lautet: Ein guter Fick, ein Mann. Ein wirklich herrlich überdrehter Unsinn. Ist einen Blick wert.


DIE HALUNKEN

Herr Gott im Himmel und alle Heiligen dazu! Der einzige Film Dario Argentos, der nicht dem phantastischen Film oder dem Giallo zuzuordnen ist und was für ein Hammer. Jedoch, es ist bestimmt nicht falsch, ein bisschen Fellini, ein bisschen Pasolini und ein bisschen Leone zu kombinieren. Im Sinne Baudrillards schafft Argento hier ein Simulacrum, welches seine Vorbilder zwar benennen kann, aber trotzdem nicht weniger ängstigt in seiner Perfektion. Eine Perfektion, die leider - im Endeffekt zumindest - leer bleibt. So überwältigend nahezu diese Historienposse auch gewesen sein mag.


URBAN JUSTICE - BLINDE RACHE

Bei diesem DTV-Seagal-Kracher wäre mehr drin gewesen. Trotzdem auch bei mehrfacher Betrachtung faszinierend in seinem reduktionistischen Bestreben Rache als konzises Handeln mit jeder Menge Kollateralschaden abzubilden, den man vermeiden könnte, würde man die zu Beginn erwähnte Agenda "Ich töte nur den Schuldigen am Tod meines Sohnes" einhalten.



KALTE WUT

Breit angelegter Rape-and-Revenge-Martial-Arts-Thriller mit Chuck Norris, der im typischen Design einer MGM-Produktion der späten '70er, frühen '80er Jahre pompös daherkommt und sich durch die Ökonomie seiner heute anachronistisch, weil nüchtern-brachial wirkenden Härten sukzessive zu steigern weiß.


AMERICAN FIGHTER II - DER AUFTRAG

Lief auch bei der ca. 45. Betrachtung ab wie ein Uhrwerk.


FRIGHT NIGHT (2011)

Dieses auf einer kleinen und feinen Vorlage basierende Remake ist so innovativ wie ein James Bond mit Schießkugelschreiber.


ASYLUM

Schon etwas über die Zeit seiender Brit-Horror, der trotzdem durch die angelsächsische Nüchternheit des Bildaufbaus binnen weniger Sekunden den größten Schwachsinn unheimlich werden lässt und so jeder Zeit den Riss in der Wirklichkeit erfahrbar macht.


HORROR HOUSE - HOUSE III

Angelsächsischer Horror von der anderen Seite. Die parapsychologische Ebene transzendenter Existenzwelten wird durch Elektrizität erklärt, welche zwischen der paranormalen Welt und den Naturgesetzen der Physik den Brückenschlag liefert, um einen Serienkiller, der auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet wurde, auf eben jener Brücke zurückkehren zu lassen, um den Polizisten, der ihn schnappte, zu terrorisieren. Interpretationstechnisch einer der Höhepunkte postmodernen Horrors.


I LOVE YOU PHILLIP MORRIS

Wenn das ein Zeichen für heutige Freiheit im amerikanischen Massenkino sein soll, dann "Gute Nacht". Die Steifheit der Akteure, das Flüchten in die Grimassen und ewig gleichen Standardkomiksituationen eines früheren Komikgenies, ein die stolz vorgetragenen Ideen nicht ausarbeitendes Drehbuch, eine unschlüssige Regie und ein Klischeeberg von anno dazumal runden diesen wohl größten Fehlschlag eines Versuches ab, den ich in diesem Jahr gesehen habe.

IMMER ÄRGER MIT HARRY

Genial, bewundernswert, märchenhaft, einmalig.


DER SENKRECHTSTARTER

Am Boden, am Boden vor Lachen. Genau die richtige Entlastung für einen angespannten Geist.


ZWEI RITTEN ZUSAMMEN

Gerade wegen seiner Unzulänglichkeiten interessant (Ford hasste den Film) und der eindrucksvollste Beweis dafür, dass diejenigen, die in diesem Film (so wie in allen Filmen Fords) Ablehnung oder Feindlichkeit den Indianern gegenüber sehen, nichts, aber auch wirklich rein gar nichts von Ford verstanden haben und nur das ewig gleiche Gesülze einer fehlgeleiteten und wertkonservativen Arschloch-Kritik weiterbeten, welche den Diskurs um den größten und einflussreichsten Filmregisseur, den es je gab, vergiftet hat.


GREMLINS - KLEINE MONSTER

Leider eine Kindheitserinnerung, die mir heute nur noch hohl und seelenlos erscheint. Zu viel Perfektion im Versuch der B-Film-Hommage.


DER MANN, DER LIBERTY VALANCE ERSCHOSS

!!!


NEVADA-PASS

Schönes Western-Serial im Gewand des Spätwesterns.


VIELE GESICHTER HAT DER TOD - STREET GANG

Hatte mich zu sehr vorbereitet auf diesen Terrorkracher. Konnte dadurch nicht die krasse Wirkung entfalten, die möglich gewesen wäre. Trotzdem schon lange kein so rohes Stück Kino mehr gesehen.


HONOR & GLORY

Godfrey Hos Martial-Arts-Kracher hat zusammen mit THE BOOGEY MAN II gute Chancen auf die Gurke des Jahres. Godfrey Ho hat übrigens, was aus medientheoretischer Sicht sehr interessant ist, von diesem Film zwei verschiedene Fassungen erstellt. Eine mit eher caucasischen Darstellern und eine mit eher asiatischen. Dabei hat er das Material munter zusammengeschnitten, dass es sich um ein und denselben Film handeln soll, aber zwei völlig unterschiedliche Filme dabei herausgekommen sind.


LICHTER DER GROSSSTADT

Chaplins Meisterwerk habe ich diesmal aus dem Blickwinkel von Subjekt-Objekt-Beziehungen und -Wahrnehmungen betrachtet, der Nicht-Existenz des Tramps innerhalb des gesellschaftlichen Raumes, den ständigen Schwulitäten und - darüber mache ich mir allerdings immer Gedanken - das Brecht'sche Motiv vom Millionär, der menschliche Nähe nur im Suff zulässt, wenn er seinem Hang zum Sumpf frönt und sich so mit dem Proletariat abgibt. Die geschäftliche Nüchternheit des Millionärs an eine dissoziative Störung zu koppeln, ist eine schöne Metapher für eine "Krankheit der Reichen". Hinzukommen natürlich die ständigen Suizidversuche. Am Ende kamen mir dann natürlich mal wieder die Tränen. Für mich schon fast zu viel Perfektion am Endpunkt des frühklassischen (Stummfilm-)Kinos.



NINJA TERMINATOR

:lol:



DIE SCHLÜMPFE

:dissed:


SAW VI

:gaehn:


SAW VII - VOLLENDUNG / SAW 3D


:zzz:

Freitag, 15. Juni 2012

Matriarchat-Trilogie

Der Filmgelehrte Andrew Sarris hat drei Filme John Fords zu einer so genannten Matriarchat-Trilogie zusammengefasst, TROMMELN AM MOHAWK, SCHLAGENDE WETTER und SIEBEN FRAUEN. In allen drei Filmen ist das "weibliche Prinzip" das bündelnde Element und die Filme werden mal mehr mal weniger aus der weiblichen Perspektive erzählt. Interessant genug, um hier mal eine Fotostrecke mit den Filmen zu beginnen.

In TROMMELN AM MOHAWK (1939) spielt Claudette Colbert ein Mädchen aus gutem und wohlhabendem Hause, welches gegen den Willen der Eltern einen Mann aus ärmlichen Verhältnissen heiratet (Henry Fonda) und dem Elternhaus in Neuengland den Rücken kehrt. Der Film spielt zurzeit des Unabhängigkeitskriegs und nun gehören sie zu den vielen Pionieren, die sich eine eigene Existenz aufbauen wollen. Schnell muss sie erkennen, dass das Leben auf einer Farm, die alleine bewirtschaftet werden muss, kein Zuckerschlecken ist. Die Briten machen sich unterdessen die Mohawk-Indianer zunutze, in dem sie sie gegen die weißen Siedler aufhetzen (ohne Elemente der unfreiwilligen Komik wie in DeMilles DIE UNBESIEGTEN). Zum Schluss verbarrikadiert sich das, was Amerika mal sein wird, in einer Blockhütte gegen die Angreifer. In dieser Hütte befinden sich Weiße, Schwarze und Indianer, die gegen die von Briten gelenkten Mohawks kämpfen.


Noch hat Lana gut lachen.


Nachdem sie alles verloren haben, kann ihnen nur Mrs. McKlennar weiterhelfen, welche die ganze Region fest im Griff hält.


Mrs. McKlennar weiß, wie man Feste feiert. Wie jedes Jahr hält sie die Rede zum Erntedankfest.


Daisy lebt als freie schwarze Frau auf dem Besitz der McKlennar.


Frauen zu den Waffen. Lana gehört zur letzten Hoffnung in der Blockhütte.


Das Feuer wird eröffnet. Die Frauen sind die letzte Bastion gegen den Zusammenbruch.


Am Ende der Schlacht sucht nicht die Frau nach dem Soldaten, sondern ein verstörter Mann nach der Soldatin.


Der zweite Film der Matriarchat-Trilogie ist die monumental angelegte Familien Chronik SCHLAGENDE WETTER (1941) in der Ford die Geschichte einer Bergarbeiterfamilie in Wales im ausgehenden 19. Jahrhundert erzählt. In Fords ihm eigenen "schwebenden Stil" bildet das walisische Dorf und seine Existenz durch den Bergbau eine Klammer innerhalb derer dutzende kleinere und größere Episoden erzählt werden können. Zeitlich handelt es sich um eine einzige große Rückblende aus einem Fenster gefilmt - Fords Standardmetapher -, die am Ende transzendiert wird zu einem Gleichzeitigkeitserleben von Realität und Fantasie. Auch der Erzähler der Geschichte, Huw, der durch die Rückblende alle Ereignisse aus der Sicht eines Kindes berichtet, ist sich am Ende nicht mehr sicher und expliziert, was Ford durch die letzten Bilder erkennen lässt, dass Traum und Wirklichkeit eins werden.

Da es in SCHLAGENDE WETTER, anders als bei TROMMELN AM MOHAWK, nicht um eine archaische Grundsteinlegung geht, sondern genau andersherum um die langsame Zerstörung einer in sich harmonischen Welt durch kapitalistische Mechanismen und die Weigerung der Dorfbewohner rigide Strukturen zu überdenken, kann Ford einen wesentlich komplexeren Blick aus Sicht der "weiblichen Perspektive" einnehmen. Vorrangig geht es um die Regulierung im Hintergrund, die von Frauen getätigt wird, sowie sexuelle Selbstbestimmung, Aufbrechung überholter Normen, welche die Frau gängeln und Patchwork-Familie.

Ich habe wiederum hauptsächlich Nah- und Close-Up-Aufnahmen gewählt.

Gleich zu Beginn nimmt Ford Bildwirkungen des Neorealismus vorweg. Das einst blühende Tal ist zerstört, Gebäude verfallen, die Familien sind zersplittert und das Geld ist knapp.




Im Dorf halten sich nur noch alte Frauen auf, die auf die wenigen Arbeiter warten, die für einen Hungerlohn tätig sind. Viele sind fortgezogen oder tot.


Hier nun in der Rückblende, die gleichzeitig als Erinnerung ausgegeben ist, waren die Zeiten besser. Die im Bergwerk arbeitenden Männer führen ihren Lohn brav bei den Frauen ab. Beth Morgan ist die Alma Mater.


Als die Löhne immer schlechter werden kommt es zu Streiks, Streikbrechern und Niedriglohnarbeitern von außerhalb. Die Dorfgemeinschaft droht zu zerbrechen, die Bergbaufirma scheint zu gewinnen. Beth Morgan (Sara Allgood) hält eine flammende Rede, um das Dorf zu retten.


Beth Morgan bezahlt ihren Einsatz fast mit dem Leben und es beginnt ein langer Genesungsprozess. Als sie wieder gesund ist, dankt ihr das gesamte Dorf.


Hier kulminiert sehr viel. Ford zeigt einen Moralapostel, der die Kirche nutzt, um eine Frau bloßzustellen, die mehrfach unehelichen Sex hatte und nun ein Kind erwartet. Er möchte sie nicht nur des Dorfes verbannen, sondern auch in die ewigen Feuer der Hölle. Angharad (Maureen O'Hara) steht plötzlich auf und protestiert gegen diese Heuchelei. Sie verlässt wutentbrannt die Kirche.


Angharad liebt den neuhinzugezogenen, liberalen Prediger. Er kommt aus der großen Welt und sie möchte ihn haben, doch er hat Angst vor dem, was die Leute sagen könnten. Eines Nachts schleicht sie in sein Haus und überrascht ihn. Beim langsamen heller werden der Lampe scheint sie wie aus der Dunkelheit zu schweben, obwohl sie unbewegt auf dem Sessel sitzt. Bildkompositorisch meisterhaft!


Da Angharad die wahre Liebe verwehrt bleibt, kommt es zu einer Zweckhochzeit. Sie verlässt das Dorf mit ihrem wohlhabenden Mann und wird wie in einem Glaskäfig leben. Als sie in das Dorf zurückkehrt, wird sie schließlich doch noch eine Affäre mit ihrem Prediger beginnen. Das Dorf wird sie dafür als Ehebrecherin und als Verführerin eines Geistlichen brandmarken. Die Fraktion der Moralapostel wird erreichen, dass er abberufen wird. Ihre Liebe hat aufgrund rigider Normen keine Chance.


Durch Bronwyn (Anna Lee) wird sich der nicht mal 10 Jahre alte Huw seiner sexuellen Wünsche bewusst. Er selbst erzählt sogar, dass manche behaupten würden, Kinder könnten so etwas nicht empfinden, aber er weiß schon jetzt, dass es die Frau ist, die er ewig lieben wird.


Bronwyn heiratet einen Bruder Huws, doch dieser wird im Bergwerk umkommen. Glückliche Momente sind immer nur von kurzer Dauer. Sie fühlt sich einsam und die Morgans wollen sie bei sich aufnehmen. Da sie wissen, dass dies Bronwyns Stolz als selbstständige Frau und alleinerziehende Mutter verletzen würde, soll der kleine Huw dies auf formalem Wege regeln. Er bittet sie ins Haus der Familie zu kommen.


Die Katastrophe einer Schlagwetterexplosion führt die drei zentralen Frauenfiguren nach langer Zeit wieder (in einer Einstellung) zusammen.


Das Ende lässt sich aufgrund seiner Verquickung aus Rückblendenaufnahmen, Traum- und Wunschvorstellungen, sowie deren Montage als Aufbrechung von Raum und Zeit (vom Erzähler etwas über Gebühr erwähnt, aber 1941 brauchte ein Publikum das in einem Nicht-Musical-Film wohl) leider nicht sinnvoll in Stills abbilden.

Der dritte Film der Matriarchat-Trilogie ist auch gleichzeitig der letzte Spielfilm John Fords. Im Gegensatz zu anderen Regisseuren seines Formats hatte Ford erhebliche Probleme damit, seine Karriere zu beenden. Das kommt wiederum seinem Alterswerk zugute. Der japanische Film- und Literaturwissenschaftler Shigehiko Hasumi, der durch Übersetzungen von Deleuze, Derrida und Barthes den Poststrukturalismus nach Japan brachte, meinte, dass wohl kein anderer Filmregisseur sein Werk mit derartiger Meisterschaft zu Ende gebracht habe.

Eingefügtes Bild

Mit Blick auf den 1965 entstandenen SIEBEN FRAUEN möchte ich ihm da fast recht geben. Ford schafft eine geradezu beängstigende Isolationssituation, wenn er eine von einer Amerikanerin geführte Missionsstation zeigt, die sich im China der 1920er Jahre vor allem was ihr fremd erscheint verschließt. Tatsächlich in der Annahme verhaftet, den wahren Glauben zu vermitteln, leben die Menschen dort in einer Enklave. Anders als in den anderen beiden Filmen spielen Männer in SIEBEN FRAUEN praktisch keine Rolle mehr. Sie sind präsent in Form marodierender Mongolen, die plündern, vergewaltigen und morden, sowie mit ihren stark geschminkten Gesichtern die häßlichen Fratzen gewalttätiger und besitzergreifender Männer darstellen, ganz aus der Sicht unterdrückter Frauen. Das "männliche Prinzip" ist gekenzeichnet durch Eroberung, Gewalt und Destruktion. Die Psychodynamiken konzentrieren sich vollständig auf die Frauenfiguren.


Agatha Andrews führt die Station mit Eiserner Hand. Um eine Verbreitung irgendwelcher Anschauungen geht es schon lange nicht mehr. Man ist in einen fremden Raum eingedrungen, um dort weltfremd zu leben.


Anders als in anderen Filmen Fords führt das Abbilden von Ritualen und Traditionen nur noch in die Regression.


Agatha ist in die 18-jährige Emma verliebt, aber ihr strenger Glaube verbietet ihr, sich zu dieser Liebe zu bekennen. Zaghafte Annäherungen als Besorgnis getarnt, sind alles, was sie sich zugesteht.


Dr. Cartwright ist der neue Missionsarzt, der eingeritten kommt wie John Wayne. Nur ist Er eine Sie.


Cartwright ist eine Frau mit modernen Ansichten und hat für das Regiment der Andrews nur Spott übrig. Sie bezeichnet sie als einen "small time dictator".


Charles Pether ist der einzige Mann der Station. Dem starken Willen von Agatha Andrews ist er nicht gewachsen.


Cartwright ist Andrews ebenbürtig. Bei ihr hat Agatha das Gefühl sich aussprechen zu können. Es entsteht ein kurzer Moment der Öffnung.


Als die Männer in die Station eindringen, bricht die Hölle los.


Mrs. Pether, obwohl hochbetagt, bringt einen Sohn zur Welt. Agatha Andrews ist dem religiösen Irrsinn verfallen. Emma ist durch die schrecklichen Ereignisse gereift.


Mrs. Ling, die Dolmetscherin der Station, ist eines von vielen Vergewaltigungsopfern.


Cartwright kann durch ihr Selbstopfer die anderen retten. Mit einem sehr innigen Kuss verabschiedet sie sich von Miss Binns. Ähnliche offensichtliche homoerotische Zärtlichkeit gibt es übrigens auch in FAUSTRECHT DER PRÄRIE und besonders in WEM DIE SONNE LACHT. Da allerdings zwischen Männern.


Cartwright vereint in der letzten Einstellung die Geschlechter. Beides hat sie im Film repräsentiert. Sie tötet den Mongolenfürsten und wird ihrem Leben ein Ende setzen, um der Massenvergewaltigung zu entgehen. Ford blendet ab und sich aus dem Kino aus.


Dienstag, 29. Mai 2012

Weltenkollisionen und Anderes

(THE SEARCHERS)
USA 1956
Regie: John Ford

Aus der Schwärze einer Hütte, Amerika, schreitet die Geliebte, die einen anderen geheiratet hat, durch die Tür in das wilde Land hinaus. Noch lächelt sie, denn sie sieht einen Geist der Vergangenheit. Jenseitig ist Ethan Edwards bereits, doch er muss sich noch durch dieses Land schleppen, welches so rot, wild und zerklüftet ist, wie die Menschen, die es ursprünglich bewohnen. In dieser Marslandschaft wirkt die Farm wie ein Fremdkörper. Sie gehört dort nicht hin und auch Ethan gehört dort nicht hin. Sein Leben wird durch die ständige Bewegung definiert. Stillstand wäre der Tod, würde er ihn mit der Sinn- und Bedeutungslosigkeit seiner Existenz konfrontieren. So flüchtete er in einen Krieg, weil die Frau, die er liebte, einen anderen, seinen Bruder, geheiratet hat. So hatte er keine Chance auf Familie und lebte für den Krieg. Auch da versagt er, stand er auf der Seite der Verlierer, doch kann er vor der Niederlage nicht davon laufen, da sie innerhalb seines eigenen Landes stattfand. So wurde er zum Drifter, hat frisch geprägtes Gold aus dubios erscheinenden Quellen, gibt ungenaue Antworten über Verbleib und Tätigkeit in den Jahren nach dem Krieg. Kinder verstehen ihn, Kinder mögen ihn. Nur die Erwachsenen, die in dieser zivilisierten Welt leben, die versteht er nicht.

Als Fremdkörper in der eigenen Familie hängt er sich an die erstbeste Gelegenheit wieder loszuziehen. Gegen Komantschen geht es. Sehr gut. Das Zwei-Fronten-Prinzip nicht zu vereinigender Kulturen wird widergespiegelt durch sich in Hass wälzenden Vertretern ebendieser. Der Kommantschenhäuptling tötet aus Rache für seine von Weißen getöteten Söhne. Ethan tötet,…, ja, Ethan tötet. Warum? Weil es nichts mehr zu tun gibt. Weil er keine Aufgabe, keine Funktion mehr hat. Er sucht sich einen Grund zum Töten, in dem er die Suche nach seiner Nichte, zu der er keinerlei Verbindung außer die Blutsverwandtschaft hat, zu einer Art Chefsache erklärt. Diese Suche soll ihm wieder einen Sinn geben. Er darf sie nicht finden. Er braucht die Suche nur, um seinen Hass auf das Wilde, das Ungezähmte ausleben zu können. Auf das, was er selbst geworden ist. Was er abgrundtief hasst und gleichzeitig bewundert, weil es in der Struktur der Nomaden als ewige Fortbewegung eins mit dem Land lebend existiert. So wie er es gerne tun würde, aber nicht kann, denn er ist ein Weißer, der nur Okkupation, aber nicht Integration kennt. Doch seine Leute wollen ihn auch nicht. Niemand will ihn. Er war mal zu etwas Nutze, doch jetzt soll er bitte verschwinden. Sein Hass, seine Ausdauer, sein Willen lassen ihn zum Ziel kommen, welches er vernichten will. Vernichten will er seine Nichte, denn sie ist, was er gerne wäre, aber nie sein wird und deshalb hasst, so wie er alles hasst, was er ist, aber nicht sein kann. Passend zum Heyoka-Prinzip des Stammes, den er jagt. Dem Prinzip, das Eine zu sagen und das Gegenteil zu machen. Darin ist Edwards gefangen. Er kann es nicht bewusst leben. Nur unbewusst. Wie ein Tier. Die traurige Bilanz der Pervertierung eines stolzen Kriegers durch zivilisatorische Mechanismen.

HOUSE
(HOUSE)
USA 1985
Regie: Steve Miner

Fast schon virtuos werden die Skills des Horrorkinos in ein postmodernes Gewand gekleidet, zwecks Inkludierung amerikanischer Vergangenheitsbewältigung für einen verlorenen Krieg, Rehabilitierung verlorener Tugenden und Reaktivierung des Mythos, aber gleichzeitig der (fiktionalen) Wahrhaftigkeit über das männliche Prinzip der Errettungsfantasie, um sie so zu einer regressiven Reise in die Manifestationen unbewusster Ängste als Konfrontation mit der physikalischen Verzerrung ebensolcher hochzuspielen und durch humoristische Relativierung mit adoleszenten Vorstellungen von Erwachsenenrealitäten gefügig zu machen. Sehr unterhaltsam.

HOSTEL
(HOSTEL)
USA 2005
Regie: Eli Roth

Enorm verdichtende Zuspitzung eines Isolationszustandes, der in der Liberalität eines Amsterdamer Rotlichtbezirks beginnt und in einem dunklen Kellerraum am Ende eines Ganges endet, bis die neu erworbene Lebensbedeutung auf den kleinsten Nenner fixiert ist und ihrerseits, trotz symmetrischer Retributionsattacken, im ausgelebten Blutrausch als Replik einer narzisstischen Kränkung mündet. Der symbolische Vertreter einer Kapitalismusnation wird mit den pervertierten Auswüchsen seiner von ihm selbst stolz aber unwissend vorgetragenen Kolonialisierungsidee konfrontiert und wird auf deren geistiges Ur-Prinzip zurückgeworfen, dass totale Individuation Isolation bedeutet.  


Zusatz: Da sich zu meinem Text an anderer Stelle eine Diskussion entwickelt hat, werde ich diese in den Kommentaren veröffentlichen. Über eine Teilnahme würde ich mich sehr freuen.

Donnerstag, 3. Mai 2012

Kurts Eindrücke

COCKTAIL FÜR EINE LEICHE

Der Originaltitel ROPE lässt die inhaltliche Ebene des strangulierenden Seiles und die experimentelle formale Ebene des nicht-sichtbaren Schnittes erkennbar werden. Wie an den Verlauf des geflochtenen Stricks erinnert der Verlauf des Filmes. Läuft oberflächlich gesehen gerade an ihm entlang, mit fühlbaren Unebenheiten, wenn man das Seil genauer anfasst, verdeutlicht durch plötzlich sichtbare Schnitte, präzis gesetzt. Etwas sehr ein Planspiel, aber das macht nichts.

RAMBO III

Eine sehr affektorientierte Betrachtung, die mir das Gefühl vermittelte, jede Zelle meines Körpers würde vom Film durchdrungen. Die Mythologisierung ging bei dieser Betrachtung voll auf. Lachen verboten!

AMERICA'S MOST WANTED

Sowas formelhaftes muss man erst mal auf die Reihe kriegen.

HARD RIDER

Kleines Meisterwerk unter den Bikerfilmen. Der Schwarze ist tot und der Weiße hat ihm versprochen dafür zu sorgen, dass der Indianer zu seiner Beerdigung kommt. Der Schwarze war eine Weise, geliebt von allen, die ihn kannten und der Weiße erbt seinen Feuerstuhl und seine weiße Braut. Der Weiße ist der Stellvertreter für den Schwarzen und in Vietnam hat der Weiße dem Schwarzen versprochen, dass er ihn nie alleine lassen würde. Und er hält Wort. Nach einem Akt der Gewalt müssen zwei Särge aufgebahrt werden. Mir standen die Tränen in den Augen.

DIE GROSSE KEILEREI

Durch westliche Mechanismen gezähmtes Hongkong-Spektakel. Ein Schlag in die Fresse ist die ultimative Problemlösung. Kino in seiner ursprünglichsten Reinheit.

SKLAVIN DES HERZENS

Wie schon bei dem von mir für genial befundenen RIFF-PIRATEN ist es interessant Hitchcock und seine Stilmittel, seine künstlerischen Visionen in artfremden Genrefilmen zu sehen (außer im katastrophalen MR. UND MRS. SMITH). Etwas dialoglastig wird hier ganz wunderbar der Ständekampf, das Fallhöhenprinzip, die Schuldfrage und der Giftmord auf eine Weise thematisiert, die keine Figur - nicht mal die Haushälterin - schlecht wegkommen lassen. Gerade so, als würde sich Hitch bei den Figurenzeichnungen bei Ford bedienen. Wobei diese Ausgeglichenheit natürlich auch ein Merkmal Hitchcocks ist, doch fiel es mir hier mehr auf. Nebenbei ein schöner Film über die Reibungspunkte zwischen Konventionen und Idealen und beschenkt mit einer der besten Kameraführungen von allen Hitchcocks.

DEATH WISH V - THE FACE OF DEATH

Paul Kersey geht in das Licht.

DIE ROTE LOLA

Jane Wyman ist toll und Marlene Dietrich... mir fehlen die Worte. Ansonsten finde ich es bemerkenswert, wie unterhaltsam Hitch es fertig bringt eine völlig ohne Spannung auskommende Geschichte zu erzählen. Spannung im Sinne einer Bedrohung. Die Kameraführung ist wieder konventioneller, jedoch ist die Zeitverzerrung am Ende, wenn Jane Wyman die Kutsche verlässt, eines der eindrucksvollsten Stilmittel, welches ich in diesem Jahr gesehen habe. Zeit steht still, wenn vermeintliche Mütterlichkeit männlichen Mordwahnsinn "caregived" und dann ist es doch einfacher Selbsterhaltungstrieb. Der Film ist durch die biedere Grundgeschichte in ihrer Umsetzung eigentlich einer der größten beweise für Hitchcocks Können.

14 TAGE LEBENSLÄNGLICH

Gefällt mir immer noch. Ein guter deutscher Versuch, den Deutschen an das heranzuführen, was er aus seinem eigenen Lande hasst: einen Genrefilm.

DER FREMDE IM ZUG

Umkehrung der Jane-Wyman-Figur. Die männliche Hauptfigur ist absolut handlungsunfähig und kann nur aktiv werden, wenn andere die Verdichtung heraufbeschwören. Selbst ein Toter trägt mehr zur Rettung unseres Protagonisten bei, als er selbst. Wunderbar die Einstellung, wenn der Unhold im Sterben begriffen, immer noch überzeugend alle Schuld unserer depperten Hauptfigur geben kann und jeder ihm glaubt und erst im letzten Atemzug das ihn verratende Feuerzeug durch Erschlaffung seines Körpers, im Tode nun, dem Polizisten entgegen reicht. Das Karusselfinale camoufliert geschickt den etwas uninspirierten Verlauf.

VATERTAG

Gelungener dritter Teil der Stepfather-Trilogie. Nach dem katastrophalen zweiten Teil ein durchdachtes Drehbuch über die Unerfüllbarkeit einer ES-gesteuerten Pathologie und eine sorgfältige Regie. Allerdings benötigt man innere Ruhe für den Film.