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Dienstag, 29. Mai 2012

Weltenkollisionen und Anderes

(THE SEARCHERS)
USA 1956
Regie: John Ford

Aus der Schwärze einer Hütte, Amerika, schreitet die Geliebte, die einen anderen geheiratet hat, durch die Tür in das wilde Land hinaus. Noch lächelt sie, denn sie sieht einen Geist der Vergangenheit. Jenseitig ist Ethan Edwards bereits, doch er muss sich noch durch dieses Land schleppen, welches so rot, wild und zerklüftet ist, wie die Menschen, die es ursprünglich bewohnen. In dieser Marslandschaft wirkt die Farm wie ein Fremdkörper. Sie gehört dort nicht hin und auch Ethan gehört dort nicht hin. Sein Leben wird durch die ständige Bewegung definiert. Stillstand wäre der Tod, würde er ihn mit der Sinn- und Bedeutungslosigkeit seiner Existenz konfrontieren. So flüchtete er in einen Krieg, weil die Frau, die er liebte, einen anderen, seinen Bruder, geheiratet hat. So hatte er keine Chance auf Familie und lebte für den Krieg. Auch da versagt er, stand er auf der Seite der Verlierer, doch kann er vor der Niederlage nicht davon laufen, da sie innerhalb seines eigenen Landes stattfand. So wurde er zum Drifter, hat frisch geprägtes Gold aus dubios erscheinenden Quellen, gibt ungenaue Antworten über Verbleib und Tätigkeit in den Jahren nach dem Krieg. Kinder verstehen ihn, Kinder mögen ihn. Nur die Erwachsenen, die in dieser zivilisierten Welt leben, die versteht er nicht.

Als Fremdkörper in der eigenen Familie hängt er sich an die erstbeste Gelegenheit wieder loszuziehen. Gegen Komantschen geht es. Sehr gut. Das Zwei-Fronten-Prinzip nicht zu vereinigender Kulturen wird widergespiegelt durch sich in Hass wälzenden Vertretern ebendieser. Der Kommantschenhäuptling tötet aus Rache für seine von Weißen getöteten Söhne. Ethan tötet,…, ja, Ethan tötet. Warum? Weil es nichts mehr zu tun gibt. Weil er keine Aufgabe, keine Funktion mehr hat. Er sucht sich einen Grund zum Töten, in dem er die Suche nach seiner Nichte, zu der er keinerlei Verbindung außer die Blutsverwandtschaft hat, zu einer Art Chefsache erklärt. Diese Suche soll ihm wieder einen Sinn geben. Er darf sie nicht finden. Er braucht die Suche nur, um seinen Hass auf das Wilde, das Ungezähmte ausleben zu können. Auf das, was er selbst geworden ist. Was er abgrundtief hasst und gleichzeitig bewundert, weil es in der Struktur der Nomaden als ewige Fortbewegung eins mit dem Land lebend existiert. So wie er es gerne tun würde, aber nicht kann, denn er ist ein Weißer, der nur Okkupation, aber nicht Integration kennt. Doch seine Leute wollen ihn auch nicht. Niemand will ihn. Er war mal zu etwas Nutze, doch jetzt soll er bitte verschwinden. Sein Hass, seine Ausdauer, sein Willen lassen ihn zum Ziel kommen, welches er vernichten will. Vernichten will er seine Nichte, denn sie ist, was er gerne wäre, aber nie sein wird und deshalb hasst, so wie er alles hasst, was er ist, aber nicht sein kann. Passend zum Heyoka-Prinzip des Stammes, den er jagt. Dem Prinzip, das Eine zu sagen und das Gegenteil zu machen. Darin ist Edwards gefangen. Er kann es nicht bewusst leben. Nur unbewusst. Wie ein Tier. Die traurige Bilanz der Pervertierung eines stolzen Kriegers durch zivilisatorische Mechanismen.

HOUSE
(HOUSE)
USA 1985
Regie: Steve Miner

Fast schon virtuos werden die Skills des Horrorkinos in ein postmodernes Gewand gekleidet, zwecks Inkludierung amerikanischer Vergangenheitsbewältigung für einen verlorenen Krieg, Rehabilitierung verlorener Tugenden und Reaktivierung des Mythos, aber gleichzeitig der (fiktionalen) Wahrhaftigkeit über das männliche Prinzip der Errettungsfantasie, um sie so zu einer regressiven Reise in die Manifestationen unbewusster Ängste als Konfrontation mit der physikalischen Verzerrung ebensolcher hochzuspielen und durch humoristische Relativierung mit adoleszenten Vorstellungen von Erwachsenenrealitäten gefügig zu machen. Sehr unterhaltsam.

HOSTEL
(HOSTEL)
USA 2005
Regie: Eli Roth

Enorm verdichtende Zuspitzung eines Isolationszustandes, der in der Liberalität eines Amsterdamer Rotlichtbezirks beginnt und in einem dunklen Kellerraum am Ende eines Ganges endet, bis die neu erworbene Lebensbedeutung auf den kleinsten Nenner fixiert ist und ihrerseits, trotz symmetrischer Retributionsattacken, im ausgelebten Blutrausch als Replik einer narzisstischen Kränkung mündet. Der symbolische Vertreter einer Kapitalismusnation wird mit den pervertierten Auswüchsen seiner von ihm selbst stolz aber unwissend vorgetragenen Kolonialisierungsidee konfrontiert und wird auf deren geistiges Ur-Prinzip zurückgeworfen, dass totale Individuation Isolation bedeutet.  


Zusatz: Da sich zu meinem Text an anderer Stelle eine Diskussion entwickelt hat, werde ich diese in den Kommentaren veröffentlichen. Über eine Teilnahme würde ich mich sehr freuen.

Donnerstag, 3. Mai 2012

Kurts Eindrücke

COCKTAIL FÜR EINE LEICHE

Der Originaltitel ROPE lässt die inhaltliche Ebene des strangulierenden Seiles und die experimentelle formale Ebene des nicht-sichtbaren Schnittes erkennbar werden. Wie an den Verlauf des geflochtenen Stricks erinnert der Verlauf des Filmes. Läuft oberflächlich gesehen gerade an ihm entlang, mit fühlbaren Unebenheiten, wenn man das Seil genauer anfasst, verdeutlicht durch plötzlich sichtbare Schnitte, präzis gesetzt. Etwas sehr ein Planspiel, aber das macht nichts.

RAMBO III

Eine sehr affektorientierte Betrachtung, die mir das Gefühl vermittelte, jede Zelle meines Körpers würde vom Film durchdrungen. Die Mythologisierung ging bei dieser Betrachtung voll auf. Lachen verboten!

AMERICA'S MOST WANTED

Sowas formelhaftes muss man erst mal auf die Reihe kriegen.

HARD RIDER

Kleines Meisterwerk unter den Bikerfilmen. Der Schwarze ist tot und der Weiße hat ihm versprochen dafür zu sorgen, dass der Indianer zu seiner Beerdigung kommt. Der Schwarze war eine Weise, geliebt von allen, die ihn kannten und der Weiße erbt seinen Feuerstuhl und seine weiße Braut. Der Weiße ist der Stellvertreter für den Schwarzen und in Vietnam hat der Weiße dem Schwarzen versprochen, dass er ihn nie alleine lassen würde. Und er hält Wort. Nach einem Akt der Gewalt müssen zwei Särge aufgebahrt werden. Mir standen die Tränen in den Augen.

DIE GROSSE KEILEREI

Durch westliche Mechanismen gezähmtes Hongkong-Spektakel. Ein Schlag in die Fresse ist die ultimative Problemlösung. Kino in seiner ursprünglichsten Reinheit.

SKLAVIN DES HERZENS

Wie schon bei dem von mir für genial befundenen RIFF-PIRATEN ist es interessant Hitchcock und seine Stilmittel, seine künstlerischen Visionen in artfremden Genrefilmen zu sehen (außer im katastrophalen MR. UND MRS. SMITH). Etwas dialoglastig wird hier ganz wunderbar der Ständekampf, das Fallhöhenprinzip, die Schuldfrage und der Giftmord auf eine Weise thematisiert, die keine Figur - nicht mal die Haushälterin - schlecht wegkommen lassen. Gerade so, als würde sich Hitch bei den Figurenzeichnungen bei Ford bedienen. Wobei diese Ausgeglichenheit natürlich auch ein Merkmal Hitchcocks ist, doch fiel es mir hier mehr auf. Nebenbei ein schöner Film über die Reibungspunkte zwischen Konventionen und Idealen und beschenkt mit einer der besten Kameraführungen von allen Hitchcocks.

DEATH WISH V - THE FACE OF DEATH

Paul Kersey geht in das Licht.

DIE ROTE LOLA

Jane Wyman ist toll und Marlene Dietrich... mir fehlen die Worte. Ansonsten finde ich es bemerkenswert, wie unterhaltsam Hitch es fertig bringt eine völlig ohne Spannung auskommende Geschichte zu erzählen. Spannung im Sinne einer Bedrohung. Die Kameraführung ist wieder konventioneller, jedoch ist die Zeitverzerrung am Ende, wenn Jane Wyman die Kutsche verlässt, eines der eindrucksvollsten Stilmittel, welches ich in diesem Jahr gesehen habe. Zeit steht still, wenn vermeintliche Mütterlichkeit männlichen Mordwahnsinn "caregived" und dann ist es doch einfacher Selbsterhaltungstrieb. Der Film ist durch die biedere Grundgeschichte in ihrer Umsetzung eigentlich einer der größten beweise für Hitchcocks Können.

14 TAGE LEBENSLÄNGLICH

Gefällt mir immer noch. Ein guter deutscher Versuch, den Deutschen an das heranzuführen, was er aus seinem eigenen Lande hasst: einen Genrefilm.

DER FREMDE IM ZUG

Umkehrung der Jane-Wyman-Figur. Die männliche Hauptfigur ist absolut handlungsunfähig und kann nur aktiv werden, wenn andere die Verdichtung heraufbeschwören. Selbst ein Toter trägt mehr zur Rettung unseres Protagonisten bei, als er selbst. Wunderbar die Einstellung, wenn der Unhold im Sterben begriffen, immer noch überzeugend alle Schuld unserer depperten Hauptfigur geben kann und jeder ihm glaubt und erst im letzten Atemzug das ihn verratende Feuerzeug durch Erschlaffung seines Körpers, im Tode nun, dem Polizisten entgegen reicht. Das Karusselfinale camoufliert geschickt den etwas uninspirierten Verlauf.

VATERTAG

Gelungener dritter Teil der Stepfather-Trilogie. Nach dem katastrophalen zweiten Teil ein durchdachtes Drehbuch über die Unerfüllbarkeit einer ES-gesteuerten Pathologie und eine sorgfältige Regie. Allerdings benötigt man innere Ruhe für den Film.