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Mittwoch, 27. November 2013

Siegfried-Kracauer-Preis 2013

In diesem Jahr wurde zum ersten Mal der Siegfried-Kracauer-Preis durch die Filmförderung Baden-Württemberg und dem Verband der deutschen Filmkritik in Berlin verliehen. Von meiner Seite ist dies erwähnenswert, da ich mit meinem Text zu dem Film DRAGON EYES völlig überraschend zu den Nominierten zählte. Nochmal vielen Dank an die Jungs und Mädels der Seite critic.de und dem VdFk. Allein nominiert gewesen zu sein, ist bereits eine große Ehre. Alle Informationen zur Verleihung und den Gewinnern gibt's hier.

Dienstag, 26. November 2013

Magical History Tour 1903

Im Jahr 1903 erfolgte der Durchbruch des narrativen Kinos durch den amerikanischen Filmpionier Edwin S. Porter mit seinem Film DER GROSSE EISENBAHNRAUB. Doch neben diesem bahnbrechenden Werk hat Porter natürlich auch noch anderes gedreht – allein im Jahr dieses Filmes inszenierte er noch 21 weitere – und konnte so auf verschiedene Arten mit der neuen Technik experimentieren. UNCLE TOM’S CABIN ist eine Verfilmung des berühmten Romans von Harriet Beecher Stowe und folgt rein strukturell der üblichen Tableau- und Illustrationsvorgehensweise der Zeit wie sie auch in dem hier zuletzt besprochenen ALI BABA UND DIE 40 RÄUBER von Ferdinand Zecca genutzt wurde. Der gravierende Unterschied zwischen dem französischen, allgemeiner dem europäischen, und dem amerikanischen Kino besteht aus dem stetigen Rückgriff der Amerikaner auf das Alltägliche. Die Einbettung menschlicher Schicksale ins Alltägliche, Gegenwärtige oder mit der eigenen Geschichte verknüpfte ist eine direkte Folge der Denkrichtung des amerikanischen Pragmatismus' wie er von Charles Sanders Peirce und anderen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts propagiert wurde. Die selbstverständlich sehr an monetären Erfolgen interessierten Manufakturanstalten, die in den 1890er Jahren Film an der amerikanischen Ostküste produzierten, folgten teils wissentlich, teils unwissentlich dem Credo des amerikanischen Pragmatismus, in dem sie Stilisierung und Entwicklung kleinster Handbewegungen dem Theater entlehnten, aber doch größtenteils neu entwickeln mussten, damit sich bei Betrachtung, insbesondere von Spielhandlungen, ein Empfinden von Realismus ergab. Die Kontrastierung der sehr dem Theater und großen Gesten verbundenen Spielweise in Zeccas ALI BABA UND DIE 40 RÄUBER und die bereits bis in kleinste Elemente interaktionistische Spielweise des Porter-Films UNCLE TOM’S CABIN zeigt im amerikanischen Fall den Hang zu einer Art Grounding des Zuschauers und eines „In die Szene“-Holens auf identifikatorischer Basis (siehe den Messer-Slapstick bei 01:40). Ein weiterer wichtiger Aspekt, der eine direkte Folge des amerikanischen Pragmatismus war, zeigte sich im Lehrprinzip. Nach dem Sezessionskrieg wurde das Lehren und Lernen als essentiell für die Entwicklung eines jeden amerikanischen Individuums angesehen, als wichtig für den Erhalt der Demokratie. Ganz nach der Abwandlung des Prinzips des Horaz "prodesse et delectare", bestand die amerikanische Erzählung also nicht nur aus einer Bebilderung der Historie, sondern auch aus einem erzieherischen und moralischen Duktus. Dies wurde durch die bereits genannten Alltagsdarstellungen in Bewegung und Identifikation erreicht (Spielberg ist bis heute ein Regisseur der dieser Maxime folgt) und die ständige Berufung auf die eigene Geschichte. Die Effektgestaltung, wie z.B. durch Doppelbelichtung, wie sie das Kino George Méliès oder de Chomón verdankt, wird völlig in den Dienst einer christlichen Botschaft gestellt (siehe 11:25 bei der seelischen Auferstehung Evas, oder der Errettung Toms durch einen Engel 18:11). Das Ende des Films weist dann schließlich auf den historischen Zusammenhang der USA – Nord und Süd im Krieg, Abraham Lincoln, der schließlich den Sklaven die Freiheit bringt, Einigung des Landes – und filmhistorisch auf David Wark Griffiths, der Regieassistent bei Porter war, megalomanisches Meisterwerk DIE GEBURT EINER NATION (1915) hin.


Dienstag, 19. November 2013

Magical History Tour 1902

Der 39. Film von Ferdinand Zecca ist eine Bebilderung aus dem fernen Orient. Er war neben Segundo de Chomón einer der zentralen Regisseure der Pathé-Studios und arbeitete als Pionier grundsätzlich alle geschichtlichen Möglichkeiten auf, die sich mit Film erzählen ließen. Es wird ihm mit DIE GESCHICHTE EINES VERBRECHENS (1901) die Alleinverantwortlichkeit für den ersten Krimi der Filmgeschichte zugesprochen und er erarbeitete, wie es sich für einen Filmpionier der ersten Tage gehört, verschiedene Positionierungen der Kamera und Ansätze für den Schnitt heraus. ALI BABA UND DIE VIERZIG RÄUBER hat noch nichts von der Furiosität des ein Jahr später entstandenen DER GROSSE EISENBAHNRAUB von Edwin S. Porter, doch lässt sich bereits eine vereinfachte aristotelische Drei-Akt-Form wiederfinden, die das spätere narrative Kino bestimmen und die ein Apologet derselben wie Syd Field immer wieder propagieren sollte. Abseits der wirklich reinen Umsetzung inhaltlicher Schlaglichter der Ali-Baba-Erzählung, deren arabischer Ursprung umstritten ist, ist eher die ästhetische Umsetzung durch die Hand-Colorierung bemerkenswert. Zum Ende hin haben wir dann aber doch noch eine Aufbrechung der narrativen Form in einer die Sinne überfordernden Einstellung, die Triumph und Gedanke zusammenfließen lässt. Ähnlich der Frontalkonfrontation Porters in DER GROSSE EISENBAHNRAUB oder sogar Griffiths Aufbrechung aller Strukturen in DIE GEBURT EINER NATION.