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Freitag, 15. Juni 2012

Matriarchat-Trilogie

Der Filmgelehrte Andrew Sarris hat drei Filme John Fords zu einer so genannten Matriarchat-Trilogie zusammengefasst, TROMMELN AM MOHAWK, SCHLAGENDE WETTER und SIEBEN FRAUEN. In allen drei Filmen ist das "weibliche Prinzip" das bündelnde Element und die Filme werden mal mehr mal weniger aus der weiblichen Perspektive erzählt. Interessant genug, um hier mal eine Fotostrecke mit den Filmen zu beginnen.

In TROMMELN AM MOHAWK (1939) spielt Claudette Colbert ein Mädchen aus gutem und wohlhabendem Hause, welches gegen den Willen der Eltern einen Mann aus ärmlichen Verhältnissen heiratet (Henry Fonda) und dem Elternhaus in Neuengland den Rücken kehrt. Der Film spielt zurzeit des Unabhängigkeitskriegs und nun gehören sie zu den vielen Pionieren, die sich eine eigene Existenz aufbauen wollen. Schnell muss sie erkennen, dass das Leben auf einer Farm, die alleine bewirtschaftet werden muss, kein Zuckerschlecken ist. Die Briten machen sich unterdessen die Mohawk-Indianer zunutze, in dem sie sie gegen die weißen Siedler aufhetzen (ohne Elemente der unfreiwilligen Komik wie in DeMilles DIE UNBESIEGTEN). Zum Schluss verbarrikadiert sich das, was Amerika mal sein wird, in einer Blockhütte gegen die Angreifer. In dieser Hütte befinden sich Weiße, Schwarze und Indianer, die gegen die von Briten gelenkten Mohawks kämpfen.


Noch hat Lana gut lachen.


Nachdem sie alles verloren haben, kann ihnen nur Mrs. McKlennar weiterhelfen, welche die ganze Region fest im Griff hält.


Mrs. McKlennar weiß, wie man Feste feiert. Wie jedes Jahr hält sie die Rede zum Erntedankfest.


Daisy lebt als freie schwarze Frau auf dem Besitz der McKlennar.


Frauen zu den Waffen. Lana gehört zur letzten Hoffnung in der Blockhütte.


Das Feuer wird eröffnet. Die Frauen sind die letzte Bastion gegen den Zusammenbruch.


Am Ende der Schlacht sucht nicht die Frau nach dem Soldaten, sondern ein verstörter Mann nach der Soldatin.


Der zweite Film der Matriarchat-Trilogie ist die monumental angelegte Familien Chronik SCHLAGENDE WETTER (1941) in der Ford die Geschichte einer Bergarbeiterfamilie in Wales im ausgehenden 19. Jahrhundert erzählt. In Fords ihm eigenen "schwebenden Stil" bildet das walisische Dorf und seine Existenz durch den Bergbau eine Klammer innerhalb derer dutzende kleinere und größere Episoden erzählt werden können. Zeitlich handelt es sich um eine einzige große Rückblende aus einem Fenster gefilmt - Fords Standardmetapher -, die am Ende transzendiert wird zu einem Gleichzeitigkeitserleben von Realität und Fantasie. Auch der Erzähler der Geschichte, Huw, der durch die Rückblende alle Ereignisse aus der Sicht eines Kindes berichtet, ist sich am Ende nicht mehr sicher und expliziert, was Ford durch die letzten Bilder erkennen lässt, dass Traum und Wirklichkeit eins werden.

Da es in SCHLAGENDE WETTER, anders als bei TROMMELN AM MOHAWK, nicht um eine archaische Grundsteinlegung geht, sondern genau andersherum um die langsame Zerstörung einer in sich harmonischen Welt durch kapitalistische Mechanismen und die Weigerung der Dorfbewohner rigide Strukturen zu überdenken, kann Ford einen wesentlich komplexeren Blick aus Sicht der "weiblichen Perspektive" einnehmen. Vorrangig geht es um die Regulierung im Hintergrund, die von Frauen getätigt wird, sowie sexuelle Selbstbestimmung, Aufbrechung überholter Normen, welche die Frau gängeln und Patchwork-Familie.

Ich habe wiederum hauptsächlich Nah- und Close-Up-Aufnahmen gewählt.

Gleich zu Beginn nimmt Ford Bildwirkungen des Neorealismus vorweg. Das einst blühende Tal ist zerstört, Gebäude verfallen, die Familien sind zersplittert und das Geld ist knapp.




Im Dorf halten sich nur noch alte Frauen auf, die auf die wenigen Arbeiter warten, die für einen Hungerlohn tätig sind. Viele sind fortgezogen oder tot.


Hier nun in der Rückblende, die gleichzeitig als Erinnerung ausgegeben ist, waren die Zeiten besser. Die im Bergwerk arbeitenden Männer führen ihren Lohn brav bei den Frauen ab. Beth Morgan ist die Alma Mater.


Als die Löhne immer schlechter werden kommt es zu Streiks, Streikbrechern und Niedriglohnarbeitern von außerhalb. Die Dorfgemeinschaft droht zu zerbrechen, die Bergbaufirma scheint zu gewinnen. Beth Morgan (Sara Allgood) hält eine flammende Rede, um das Dorf zu retten.


Beth Morgan bezahlt ihren Einsatz fast mit dem Leben und es beginnt ein langer Genesungsprozess. Als sie wieder gesund ist, dankt ihr das gesamte Dorf.


Hier kulminiert sehr viel. Ford zeigt einen Moralapostel, der die Kirche nutzt, um eine Frau bloßzustellen, die mehrfach unehelichen Sex hatte und nun ein Kind erwartet. Er möchte sie nicht nur des Dorfes verbannen, sondern auch in die ewigen Feuer der Hölle. Angharad (Maureen O'Hara) steht plötzlich auf und protestiert gegen diese Heuchelei. Sie verlässt wutentbrannt die Kirche.


Angharad liebt den neuhinzugezogenen, liberalen Prediger. Er kommt aus der großen Welt und sie möchte ihn haben, doch er hat Angst vor dem, was die Leute sagen könnten. Eines Nachts schleicht sie in sein Haus und überrascht ihn. Beim langsamen heller werden der Lampe scheint sie wie aus der Dunkelheit zu schweben, obwohl sie unbewegt auf dem Sessel sitzt. Bildkompositorisch meisterhaft!


Da Angharad die wahre Liebe verwehrt bleibt, kommt es zu einer Zweckhochzeit. Sie verlässt das Dorf mit ihrem wohlhabenden Mann und wird wie in einem Glaskäfig leben. Als sie in das Dorf zurückkehrt, wird sie schließlich doch noch eine Affäre mit ihrem Prediger beginnen. Das Dorf wird sie dafür als Ehebrecherin und als Verführerin eines Geistlichen brandmarken. Die Fraktion der Moralapostel wird erreichen, dass er abberufen wird. Ihre Liebe hat aufgrund rigider Normen keine Chance.


Durch Bronwyn (Anna Lee) wird sich der nicht mal 10 Jahre alte Huw seiner sexuellen Wünsche bewusst. Er selbst erzählt sogar, dass manche behaupten würden, Kinder könnten so etwas nicht empfinden, aber er weiß schon jetzt, dass es die Frau ist, die er ewig lieben wird.


Bronwyn heiratet einen Bruder Huws, doch dieser wird im Bergwerk umkommen. Glückliche Momente sind immer nur von kurzer Dauer. Sie fühlt sich einsam und die Morgans wollen sie bei sich aufnehmen. Da sie wissen, dass dies Bronwyns Stolz als selbstständige Frau und alleinerziehende Mutter verletzen würde, soll der kleine Huw dies auf formalem Wege regeln. Er bittet sie ins Haus der Familie zu kommen.


Die Katastrophe einer Schlagwetterexplosion führt die drei zentralen Frauenfiguren nach langer Zeit wieder (in einer Einstellung) zusammen.


Das Ende lässt sich aufgrund seiner Verquickung aus Rückblendenaufnahmen, Traum- und Wunschvorstellungen, sowie deren Montage als Aufbrechung von Raum und Zeit (vom Erzähler etwas über Gebühr erwähnt, aber 1941 brauchte ein Publikum das in einem Nicht-Musical-Film wohl) leider nicht sinnvoll in Stills abbilden.

Der dritte Film der Matriarchat-Trilogie ist auch gleichzeitig der letzte Spielfilm John Fords. Im Gegensatz zu anderen Regisseuren seines Formats hatte Ford erhebliche Probleme damit, seine Karriere zu beenden. Das kommt wiederum seinem Alterswerk zugute. Der japanische Film- und Literaturwissenschaftler Shigehiko Hasumi, der durch Übersetzungen von Deleuze, Derrida und Barthes den Poststrukturalismus nach Japan brachte, meinte, dass wohl kein anderer Filmregisseur sein Werk mit derartiger Meisterschaft zu Ende gebracht habe.

Eingefügtes Bild

Mit Blick auf den 1965 entstandenen SIEBEN FRAUEN möchte ich ihm da fast recht geben. Ford schafft eine geradezu beängstigende Isolationssituation, wenn er eine von einer Amerikanerin geführte Missionsstation zeigt, die sich im China der 1920er Jahre vor allem was ihr fremd erscheint verschließt. Tatsächlich in der Annahme verhaftet, den wahren Glauben zu vermitteln, leben die Menschen dort in einer Enklave. Anders als in den anderen beiden Filmen spielen Männer in SIEBEN FRAUEN praktisch keine Rolle mehr. Sie sind präsent in Form marodierender Mongolen, die plündern, vergewaltigen und morden, sowie mit ihren stark geschminkten Gesichtern die häßlichen Fratzen gewalttätiger und besitzergreifender Männer darstellen, ganz aus der Sicht unterdrückter Frauen. Das "männliche Prinzip" ist gekenzeichnet durch Eroberung, Gewalt und Destruktion. Die Psychodynamiken konzentrieren sich vollständig auf die Frauenfiguren.


Agatha Andrews führt die Station mit Eiserner Hand. Um eine Verbreitung irgendwelcher Anschauungen geht es schon lange nicht mehr. Man ist in einen fremden Raum eingedrungen, um dort weltfremd zu leben.


Anders als in anderen Filmen Fords führt das Abbilden von Ritualen und Traditionen nur noch in die Regression.


Agatha ist in die 18-jährige Emma verliebt, aber ihr strenger Glaube verbietet ihr, sich zu dieser Liebe zu bekennen. Zaghafte Annäherungen als Besorgnis getarnt, sind alles, was sie sich zugesteht.


Dr. Cartwright ist der neue Missionsarzt, der eingeritten kommt wie John Wayne. Nur ist Er eine Sie.


Cartwright ist eine Frau mit modernen Ansichten und hat für das Regiment der Andrews nur Spott übrig. Sie bezeichnet sie als einen "small time dictator".


Charles Pether ist der einzige Mann der Station. Dem starken Willen von Agatha Andrews ist er nicht gewachsen.


Cartwright ist Andrews ebenbürtig. Bei ihr hat Agatha das Gefühl sich aussprechen zu können. Es entsteht ein kurzer Moment der Öffnung.


Als die Männer in die Station eindringen, bricht die Hölle los.


Mrs. Pether, obwohl hochbetagt, bringt einen Sohn zur Welt. Agatha Andrews ist dem religiösen Irrsinn verfallen. Emma ist durch die schrecklichen Ereignisse gereift.


Mrs. Ling, die Dolmetscherin der Station, ist eines von vielen Vergewaltigungsopfern.


Cartwright kann durch ihr Selbstopfer die anderen retten. Mit einem sehr innigen Kuss verabschiedet sie sich von Miss Binns. Ähnliche offensichtliche homoerotische Zärtlichkeit gibt es übrigens auch in FAUSTRECHT DER PRÄRIE und besonders in WEM DIE SONNE LACHT. Da allerdings zwischen Männern.


Cartwright vereint in der letzten Einstellung die Geschlechter. Beides hat sie im Film repräsentiert. Sie tötet den Mongolenfürsten und wird ihrem Leben ein Ende setzen, um der Massenvergewaltigung zu entgehen. Ford blendet ab und sich aus dem Kino aus.


11 Kommentare:

  1. Faszinierende und definitiv verlockende Screenshots, die du mit spannenden Kommentaren bereicherst. :) Leider muss ich gestehen, dass ich von den drei Filmen erst "How Green Was My Valley" gesehen habe, obwohl du mich doch einst darauf aufmerksam machtest, dass man in "Trommeln am Mohawk" auch die "dark side of the moon" der Colbert zu sehen bekommt - was allein schon eine Sichtung lohnen dürfte.

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    1. Pass nur auf, dass Du nicht versehentlich die "dark side of the moon" von Edna May Oliver zu sehen bekommst! Die verfügt zwar über große Schauspielkunst, aber auch über eine schrille Stimme, und von ihrer "dark side of the moon" wollen wir jetzt lieber schweigen (Wittgensteins Rat folgend).

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  2. Ist es nicht ziemlich willkürlich, drei Filme zu einer Trilogie zu erklären, zwischen denen 26 Jahre und ca. 40 andere Filme liegen, und die Ford selbst bestimmt nicht als Trilogie sah? Da könnte man noch viele andere Trilogien finden, von denen der jeweilige Regisseur nichts geahnt hatte ... Aber egal - als Anlass für einen Artikel mit vielen schönen Screenshots soll's mir recht sein! :-Þ

    Heißt diese eine Witwe da nicht McKlennar? Mrs. Weaver ist doch eine andere Dame, die erst im Verlauf der Handlung zur Witwe wird, oder erinnere ich mich da falsch? Jedenfalls meine ich, dass die beiden Bilder die grandiose Edna May Oliver zeigen. DRUMS ALONG THE MOHAWK ist auch ein Film über die Zyklen des Lebens: Jahreszeiten, Aussaat und Ernte, Hochzeit, Geburt, Tod. Strukturiert durch Feste - eine Hochzeit am Anfang, Erntedank in der Mitte, eine Siegesfeier am Schluss (bei der das Militärische relativiert wird, indem Fonda und Colbert zur wichtigeren Feldarbeit entschwinden). Alles sehr grandios, einer meiner Lieblings-Fords.

    Ford zeigt einen Moralapostel, der die Kirche nutzt, um eine Frau bloßzustellen, die mehrfach unehelichen Sex hatte und nun ein Kind erwartet. Er möchte sie nicht nur des Dorfes verbannen, sondern auch in die ewigen Feuer der Hölle. Angharad (Maureen O'Hara) steht plötzlich auf und protestiert gegen diese Heuchelei.

    Das erinnert mich etwas an die denkwürdige Sitzung der Screen Directors Guild, als Ford aufstand und Cecil B. DeMille und seinen reaktionären Anhang, die den liberalen Joseph L. Mankiewicz stürzen und einen verpflichtenden "Treueeid" für alle Regisseure einführen wollten, lächerlich machte und zum Rückzug zwang.

    Anders als in den anderen beiden Filmen spielen Männer in SIEBEN FRAUEN praktisch keine Rolle mehr. Sie sind präsent in Form marodierender Mongolen, die plündern, vergewaltigen und morden, sowie mit ihren stark geschminkten Gesichtern die häßlichen Fratzen gewalttätiger und besitzergreifender Männer darstellen, ganz aus der Sicht unterdrückter Frauen.

    Das ist doch eigentlich wie immer: Das sind schlicht Indianer, die nach CHEYENNE AUTUMN keine Indianer mehr sein dürfen, weil das nicht mehr opportun und politisch korrekt wäre, also sind es jetzt halt Mongolen.

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  3. Danke für den Hinweis. Mrs. McKlennar ist natürlich richtig. Die Betrachtung liegt schon fast 2 Jahre zurück. Da habe ich das nicht mehr so gut erinnert. :)

    "Ist es nicht ziemlich willkürlich, drei Filme zu einer Trilogie zu erklären, zwischen denen 26 Jahre und ca. 40 andere Filme liegen, und die Ford selbst bestimmt nicht als Trilogie sah? Da könnte man noch viele andere Trilogien finden, von denen der jeweilige Regisseur nichts geahnt hatte"

    Es geht ja auch nicht darum den exakten Intentionen des Werkschöpfers auf die Schliche zu kommen (den Positivismus haben wir bei Werkanalysen ja hinter uns), sondern um Inkludierungen in kulturelle Hintergründe und deren Plausibilisierung am Werk. Weiterhin geht es um die Herausarbeitung bestimmter Anteile im Werk - Bottom-Up-Analyse - und nicht um Deckelungen, also Top-Down-Analyse. Außerdem kann sich ein Künstler auch immer nur in einem begrenzten Rahmen klar darüber sein, was er tut. Dafür müssen wir Rezipienten dem Werk zu Hilfe kommen.


    Die Aussage zu den Mongolen als Indianer ist ja weithin bekannt, erklärt werkimmanent aber nichts. Außer Eddie Alberts Figur haben Männer keine relevanten Dialoge in dem Film. Die Mongolen selbst werden schlimmer dargestellt als Ford seine Indianer je dargestellt hat. Sie sind mit ihren überschminkten Gesichtern eher Bestien. Das männlich Eindringende, dass, wie beim Sexualakt, durchdringen muss, um zeugen zu können. Dieser Akt der Gewalt lässt in der Mission/Vagina leben entstehen, weil Cartwright sich opfert. Eine Art regressiver Neo-Partus aus dem die Menschheit neu hervorgehen kann. Das Wilde als diese Form gewalttätiger Befruchtung und Destruktion, hat Ford in solcher Ambivalenz vorher nie gezeigt. Das hängt schon damit zusammen, dass die Indianer bei Ford immer als funktionierende Einheit dargestellt wurden, solange sich der Weiße Mann nicht einmischte. Die Mongolen funktionieren nur, wenn sie erobern und vernichten und sind sich nicht mal untereinander eins. Diesen Rückschritt in die Kernzelle einer sich neu befruchtenden und reorganisierenden Menschheit macht Ford schon im ersten Shot deutlich, wenn wir mit der Kamera der Blickrichtung von rechts nach links folgen müssen, als Agatha Andrews mit dem Auto in die Mission zurückfährt. Dieser "Tabubruch" ist natürlich nicht so drastisch wie in DER SCHWARZE FALKE, wenn Ford die Horizontalen in der Mis-en-scène zwar klassisch nach rechts gehen lässt und sie mit den von unten nach oben gehenden Senkrechten des Monument Valley verbindet, dann aber (nicht nur innerhalb des klassischen Stils ungehörig) mit der Kamera nach links (!) geht, entgegen der Laufrichtung seiner nach rechts ziehenden Reiter/Horizontalen. Das Dissoziationspotenzial solcher Aufnahmen ist enorm bei der Raumorientierung. Die Gegenlinien bei SIEBEN FRAUEN sind da zwar nicht so drastisch, werden aber eben durch die so noch nie dargestellte Rohheit "des Wilden" auf intradiegetischer Ebene explizit gemacht. Insofern nur sinnig, dass Ford den Film nicht mit einer seiner üblichen Metaphern enden lässt - Tür, Fenster etc. - sondern formal die Blende erfahrbar macht. Selten genug hat er das getan und aus heutiger Sicht meint man das Gefühl zu haben, er wusste, dass es das Ende ist.

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    1. Ich habe ja gar nichts dagegen, dass man solchen Linien im Werk eines Regisseurs nachspürt, ganz im Gegenteil. Besonders, wenn er, wie Ford, selbst dazu tendiert, theoretische oder intellektuelle Aspekte herunterzuspielen und sich selbst als Handwerker zu bezeichnen, der Filme dreht, um seine Familie zu ernähren. Ja, die Rezipienten dürfen und sollen da dem Werk zu Hilfe kommen.

      Ich finde da nur den Begriff "Trilogie" deplatziert, weil er meinem Verständnis nach Filmen vorbehalten sein sollte, die nicht nur bezüglich enthaltener Themen, sondern auch durch ihre Produktionsgeschichte zusammengehören. Das muss nicht heissen, dass sie innerhalb weniger Jahre entstanden sind, oder dass von vornherein eine Trilogie geplant war. Aber zumindest beim letzten Teil sollte dann den Beteiligten klar sein, dass die Filme irgendwie zusammengehören und Bezug aufeinander nehmen. Ein Beispiel für so eine eher lose Trilogie wäre die von Abuladse, die aus DAS GEBET, DER BAUM DER WÜNSCHE und DIE REUE besteht. Da wird man sogar im Vorspann von DIE REUE darauf hingewiesen, dass man es mit dem letzten Teil einer Trilogie zu tun hat.

      Aber bei diesen drei Filmen von Ford sehe ich das nicht. Man kann da auch fragen, warum es keine Tetralogie ist, oder eine Dekalogie (für größere Zahlen reichen meine Griechisch-Kenntnisse nicht). Du schreibst ja selbst, dass man noch weitere Filme nennen könnte. Wenn man auf zugegebenermaßen griffige Begriffe wie "Trilogie" verzichtet, dann hat man keine solchen Abgrenzungsprobleme. Wenn ein dominierender inhaltlicher Aspekt ausreicht, um eine Tri- oder Tetralogie zu konstituieren, warum haben wir dann eigentlich keine Kavallerie-Tetralogie? Es gibt schließlich auch noch THE HORSE SOLDIERS.

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    2. Viele zählen sogar MIT EINEM FUSS IN DER HÖLLE zu den Kavalleriefilmen, womit wir sogar eine Pentalogie hätten. Aber irgendwie geht das doch alles am Gegenstand der Sache vorbei. Allein erst mal diese drei Filme zu untersuchen ließ mich um die 40 Themenkomplexe aus den Filmen bergen, die ich im Text anführe und die ich jetzt noch genauer als vorher bei den anderen Filmen beobachten kann. Dafür bin ich sehr dankbar und ob da dann der Begriff Trilogie korrekt gewählt ist, ist doch eher eine Formalie, die auch mehr am Ende einer Untersuchung geklärt wird. Wenn ich mir die Analyse von Sarris, nach dem ich selbst alle Filme noch mal durchgearbeitet haben werde, noch mal zu Gemüte führe und dann mit meinen Überlegungen, die sich in dieser Zeit ansammeln werden, vergleiche, dann werde auch ich urteilen können, ob dies von ihm korrekt gewählt wurde, oder nicht. Bis zu solch abschließenden Urteilen nutze ich diesen "Trilogie-Hint" aber eher zur Inspiration. :)

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  4. Nebenbei ging es Sarris ja auch darum Filme Fords zu benennen, wo matriarchale Strukturen das System stützen oder bilden. Ähnliches findet man natürlich auch in anderen seiner Filme. Ich wollte meine Bildstrecke eventuell noch um DAS EISERNE PFERD ergänzen, wenn das Hurenhaus die Eisenbahner rettet.

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  5. Ich finde die Idee als solches nicht uninteressant, tendiere jedoch auch dazu, diese Trilogie als aus dem Kontext gerissen zu betrachten. Viel mehr sind Frauenbilder im Film und gerade auch bei John Ford doch immer ein Thema. Ich wette, daß sich sogar zum schwarzen Falken ein Bogen schlagen ließe, wenn man es wollte.

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    1. Nun ja, natürlich spielen Frauenbilder immer eine Rolle in den Filmen Fords und natürlich könnte man auch andere Filme auswählen. Im Harvard Film Archiv wird darauf hingewiesen, dass Sarris diese drei Filme gebündelt hat. Sarris beschreibt die matriarchalen Strukturen natürlich auch in Fords Kavalleriewestern und anderen Filmen. Leider habe ich Sarris John-Ford-Buch nicht mehr zur Hand, aber da er einer der ersten war, der sich mit Ford analytisch auseinandergesetzt hat und er einer der bedeutendsten Filmtheoretiker unserer Zeit ist, denke ich mal, er wird schon wissen was er tut und es entsprechend herleiten. Um in das riesige Schaffen Fords etwas Struktur zu bringen und diese Überlegung für tiefergehende Analysen als Startpunkt zu verwenden, ist diese Vorgehensweise auf jeden Fall gut geeignet. Und eigentlich auch Usus im akademischen Diskurs.

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  6. Nur nebenbei: Sarris ist heute an den Folgen eines Sturzes gestorben.

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  7. Verdammt. Heute morgen habe ich vom Tod Richard Lynchs erfahren und heute abend ist es Sarris. :(

    Vielen Dank für die Mitteilung.

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