Samstag, der 05.02.2011, war Nadines Geburtstag. Hier sieht man sie gerade beim Vernichten ihres Kunstwerks Tempmahplast, welches die Vergänglichkeit von Denkmälern symbolisieren soll. Nachdem wir uns den halben Tag eine Ausstellung der Absolventen der HBK Saarbrücken angesehen haben, befanden sie, ihr Freund, meine Frau und ich uns bereits in etwas anderen Welten, da die permanente Zurschaustellung narzisstisch-onanistischer Innenwelten junger Künstler einem nicht nur einiges abverlangt, sondern auch mit dem älter werden konfrontiert. Obwohl ich damals selbst noch ein Bengel war, hat mich der Versuch einer perfekt nachgestellten Garagenversion von Andy Warhols großem Gegenpart, Joseph Beuys, mit den Zeiten kollidieren lassen. Nach so viel Kultur gaben wir uns am frühen Abend den Culture-Clash in einer Butzenscheibenkneipe, mit Holzfällersteak und irgendeinem Exportbier. Nadines Freund, David, wurde müde und so musste Stimmung erzeugt werden, mit einem Ausguck auf die andere Welt:
Ich muss zugeben, dass ich einen gewissen Faschismus gegenüber einigen Filmen betreibe. Ich bin bei der Betrachtung von Filmen ein erklärter Anti-Alles-Mensch, denn absolute Klarheit ist das oberste Gebot. Ich reagiere schon aversiv darauf, wenn sich überhaupt eine durch externale Einflüsse irgendwie in ihrem Bewusstsein veränderte Person im gleichen Raum befindet, wo der Film läuft. Tatsächlich bin ich aber in der Lage bei manchen Filmen diesen zwanghaften Vorsatz aufzugeben, was einem gewissen induktiven Vorurteil geschuldet ist. Ich nehme einfach an, dass der Film strukturell so desintegriert ist, dass eine Bewusstseinsveränderung ihm zu Gute kommt. So begaben wir uns mit reichlich Bier, Wodka und Absinth in den Videoraum und genossen ein weiteres "Cut & Paste"-Meisterwerk Godfrey Hos.
Alles dreht sich um diesen kleinen Freund
Japan, wie uns durch eine Einblendung des Wortes weisgemacht werden soll, voll von Jägerzäunen und schon schweift der Blick auf ein mysteriöses Gebäude, ähnlich der Halle des örtlichen Tischtennisvereins. In deren Abstellkammer findet eine geheimnisvolle Zeremonie statt, bei der dem Golden Ninja Warrior gehuldigt wird. Einer Statue, die Ähnlichkeit mit Mr. Spock aufweist, der gerade zwei Schwerter hochhält. Der Ober-Ninja betritt, sich vor lauter WHARHARRHARRS kaum halten könnend, den Abstellraum und fuchtelt hektisch mit den Händen vor der heiligen Ninja-Statue herum. Daraufhin ist er unbesiegbar und lässt sich von unseren Vertretern der westlichen Hemisphäre mit Schwertern zusammendreschen. Gegeben werden diese von den Dauerstars des Genres Jonathan Wattis und Richard Harrison. Nach der Zeremonie sehen wir drei schwarze Ninjas eine Treppe herunterlaufen - sie haben den Golden Ninja Warrior gestohlen - und Schnitt und noch mal drei Typen, die jetzt rote Ninja-Anzüge tragen. Das ganze wird noch mal mit einem Wiederholungsschnitt garniert, so dass der Eindruck entstehen soll, unsere drei schwarzen Ninjas würden von einer ganzen Armee roter Ninjas verfolgt. Nach dem üblichen Saltogehampel sind zwei Jahre vergangen und einer der drei schwarzen Ninjas steht kurz vor der Vollendung der Ninja Supreme Technique, weil er den Rumpf der dreiteiligen Statue hat. Doch nicht schnell genug. Ein Shuriken trifft ihn und aus ist's mit der Ninja-Super-Power.
Rote Ninjas greifen an
Im Weiteren schneidet Godfrey Ho hier drei Filme zusammen. Zum einen haben wir als Grundlage den südkoreanischen Actionfilm STAFFERYUI BULCHEONGGAEK, in dem es um eine Drogenschmugglerbande geht, die von einem aufrechten Interpolagenten verfolgt wird, dessen Name in der Synchro abwechselnd mal Jaques Wong, dann wieder Chuck Wong und dann wieder Jack Wong ausgesprochen wird. Weiterhin einige Stand-Ins mit Phillip Ko und die üblichen Szenen für den westlichen Markt mit Richard Harrison und Jonathan Wattis. Bei Letzterem waren sich Ho und Lai offensichtlich nie so sicher, ob er nun ein Guter sein soll, sprich zusammen mit Richard Harrison gegen das böse Ninja-Imperium und dessen Weltherrschaftspläne mit dem Golden Ninja Warrior kämpft, oder ob er die Drogenbande aus dem südkoreanischen Film anführt und versucht Richard Harrison zu erpressen ihm die Drogen wiederzugeben, die Tiger-Chan, Jonathan Wattis' bester Mann, unbedingt widerhaben will. Jaques/Chuck/Jack Wong geht währenddessen eine Liaison mit Lilly ein, die das Lustobjekt von Victor, Tiger-Chans rechter Hand ist, und die ihm helfen kann, Informationen über die bevorstehende Entführung Michikos, der Schwester des ersten getöteten schwarzen Ninjas, zu verschaffen, die alles über den Drogendeal und den Verbleib der anderen beiden Golden-Ninja-Warrior-Hälften weiß, aber dann doch entführt wird und schließlich nur vom Ninja-Imperium losgeschickte Roboter in der Lage sind, zwischen Richard Harrison und Jonathan Wattis zu vermitteln, obwohl das Imperium sie gegeneinander hetzen möchte, damit sie ihre Statue-Hälften rausrücken und Richard seinen Mann Jaques/Chuck/Jack zurückruft, damit Jonathan durch Tiger-Chan seine Drogen verticken kann und wer bis hier noch alles verstanden hat, kontaktiere mich bitte, damit auch ich klar sehe.
Tiger-Chan spielt ein gefährliches Verwirrspiel
Angriff der Transformers
Interessant ist, dass dieses von Godfrey Ho veranstaltete Chaos - im Gegensatz zu dem neulich gesichteten BRENNPUNKT LAS VEGAS - tatsächlich einen Sinn ergibt, ich mich nur aufgrund der stattgefundenen Rezeption nicht in der Lage sehe, diesen wiederzugeben. Auf jeden Fall lässt sich sagen, dass der religiöse Synkretismus ein fester Bestandteil in den Dramaturgiestrukturen asiatischer Erzählweisen ist. Die Unmittelbarkeit der Erfahrung wird zunehmend zum Ziel der Betrachtung, affektorientierte Plottwists und transzendente Kampfduelle sind der eigentliche Schlüssel zu dieser Kultur. Geradezu lächerlich erscheint es, wenn man mit abendländischen Vorstellungen von Narration versucht solch infantil-freiheitliche Momentaufnahmen in eine logische Struktur zu bannen. Die ständige Verwendung von Zooms, die Doppel-Schnitt-Technik und -Vertonung bei Schlägen und Bewegungen (Jahre vor dem dies zugeschriebenen BLOODSPORT), die nebeneinander stehenden filmischen Einzelsegmente und ihre Verbindung durch das Telefon, schaffen den kuriosen Netzgedanken innerhalb der Filmwelten. Tatsächlich werden sämtliche Fäden der drei unterschiedlichen Filme immer nur durch Telefongespräche verbunden (heute wären es Chats oder kurze SMS-Nachrichten) was in geradezu erschreckender Weise darauf verweist, wie Kommunikation funktioniert, ja sogar die Wahrnehmung von Realität. Es gibt genug Leute, die überhaupt nicht bemerken, dass hier, dank der Montage, Realitäten zusammengebracht werden, die gar nicht zusammen gehören. Die dies hinnehmen und alles kognitiv ausgleichen können, in der Hoffnung, dass die Dinge einen Sinn ergeben werden. Ständige Versuche an meiner Familie und Freunden mit solcherlei Filmen haben mich zu diesem Schluss kommen lassen.
Energische Telefongespräche verbinden Raum und Zeit
So war es bei uns nun nicht. Wir haben - hysterisch nahezu - gelacht über die Unzulänglichkeiten und sind gleichzeitig im Moment des Geschehens aufgegangen. Haben es genossen vom Film entführt zu werden und tatsächlich: Am Ende waren alle tot und Kuhauge Richard Harrison hat überlebt.
Eine ungefähre Wiedergabe des Erlebten
P.S.: Wäre die Synchro nicht, wie in vielen dieser Filme, aus München gewesen, weswegen die halbe Crew der Simpsons-Specher versammelt war, dann hätte ich überhaupt keinen Überblick mehr über irgendwas gehabt.
P.P.S.: Ein schönes Interview mit Godfrey Ho über Hongkong, Gweilos und natürlich seine Zeit bei der IFD.
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