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Montag, 21. Februar 2011

Hitchcock-Reihe: Reisefieber


Wenn man sich die bisherigen Reviews auf der Ofdb zu diesem Film durchliest, meint man etwas zu seiner Ehrenrettung beitragen zu müssen, hat man es hier doch mit einem der interessantesten Werke  von Hitchs britischer Phase zu tun.

Fred in der Beamtenmühle
Der kleine Büroangestellte Fred Hill hat die Schnauze voll vom Biedermann-Dasein und träumt vom großen Geld. Endlich die Welt sehen, Abenteuer erleben, heiße Nächte an exotischen Orten, sich als Mann beweisen. Seine Frau Emily hingegen ist genügsam und macht sich nichts aus solcherlei Hirngespinsten. Da knallt vom Schicksal die Nachricht herein, dass der reiche Erb-Onkel schon vor seinem Ableben seinem Neffen Fred ein stattliches Sümmchen hinterlassen will. Er solle "Erfahrungen sammeln" und "das Leben kennen lernen". Und genauso kommt es...

Überforderung in Paris

Wieder einmal Blick-Montagen
Was Hitchcock im Weiteren zeigt, ist ein losgetretene Lawine, die nur sporadisch konventionellen Dramaturgiestrukturen folgt und stattdessen die Figuren von einer die Erwartungshaltung ständig unterlaufenden Situation in die nächste jagt. Als man nach erhaltenem Geld erst mal die ersehnte Kreuzfahrt macht und Fred tönt, dass er sich schon immer zur See hingezogen gefühlt hat, fällt er fast ein Drittel der Handlung aus, weil er seekrank wird. Die kleine niedliche Emily lernt, ohne dass sie dies wollte, einen renommierten britischen Offizier kennen, der sich in sie verliebt. Fred, in der Mitte der Spielzeit endlich gesundet, macht sich endgültig zum Hanswurst und betrügt seine Frau mit einer Gräfin.

Ehestreit als Rikschafahrt
Plötzlich schlägt der Ton von einer lockeren Komödie in ein ernsthaftes Ehedrama um, bei dem Emily sich als die Überlegene erweist und die beiden zusammenhält. Außerdem bekommen wir es noch mit untergegangenen Kreuzfahrtschiffen, chinesischen Piraten und gekochten Katzen zu tun. Am Ende heißt es dann wieder "Home, Sweet Home" und es ist Hitchcocks trockener Humor, der dafür sorgt, dass dies nicht zur Glorifizierung des Spießerglücks wird, sondern uns nachempfinden lässt, dass die beiden froh sind mit dem Leben davongekommen zu sein. Das neue Glück einer Familienerweiterung soll dann auch mit einem Versicherungsbetrug finanziert werden.

Ohne Emily ist Fred verloren
Es verwundert nicht, dass auch heute noch viele Leute mit ENDLICH SIND WIR REICH nichts anfangen können. Zu schnell, zu abstrus, zu unglaubwürdig präsentiert Hitchcock die Geschehnisse und verleiht dem Film damit etwas seltsam Zeitloses. Genau so muss man eine Komödie drehen, wenn man ihr eine eigene Note verleihen möchte, aber das versteht man nicht, wenn man den Regisseur immer nur an seinen Thrillern misst. Ich, der seit jeher ein gespaltenes Verhältnis zu Hitch hat, war über diese Entdeckung sehr froh, bringt er mir die Person einfach noch ein Stück näher und erzieht mich so für seine anderen Filme.

7 Kommentare:

  1. Ich muss mich echt mal dran machen, meine Hitchcock-Werkschau zu Ende zu bringen. Danke dafür, dass du mich unfreiwillig darauf hingewiesen hast :)

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  2. Gern geschehen.Ich hoffe, ihn mir jetzt endlich mal "in all seiner Pracht" erarbeiten zu können. ;)

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  3. Ich, der ich leider auch ein wenig auf den "Master of suspense" mit allen seinen Facetten fixiert bin, kann mich vage daran erinnern, "Rich and Strange" vor vielen Jahren im ZDF gesehen zu haben. Er war zweifellos unterhaltsamer als der verzweifelte Versuch, mit "Mr. & Mrs. Smith" (1941) eine Screwball Comedy zu drehen (wozu ihn Carole Lombard überredet hatte).

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  4. Ich hatte bei ENDLICH SIND WIR REICH das Gefühl, dass sich das "strange" des Originaltitels nicht nur auf die merkwürdigen Begebenheiten die den Figuren widerfahren bezieht, sondern auch auf die narrative Struktur.

    Mein Problem bei Hitch ist einfach, dass mir vieles mit der kalten Hand eines Ingenieurs, der in sein Spielzeug verliebt ist, inszeniert erscheint. Es geht nicht darum, dass ich nicht Größe und Bedeutung seiner Werke erkennen würde. Es lässt mich nur in aller Regel kalt. Selbst Hawks ist mir da näher. Ford sowieso, um mal die drei wichtigsten beisammen zu haben. Ich hoffe, dass diese Werkschau mich ihm näher bringt. Bei Dario Argento hat's schließlich auch geklappt und das war wirklich ein hartes Stück Arbeit.

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  5. Zur rückwärtigen Annäherung möchte ich LIFEBOAT (1944) empfehlen. Bedingt durch die lediglich etwa 15qm (plus unendlicher Atlantik) auf denen der spielt, setzt Hitchcock hier seine technische Raffinesse dazu ein sie/sich unsichtbar zu machen, anstatt damit herumzuspielen. Für mich ein Eye-Opener. Und wie er es dennoch schafft seinen unvermeidlichen Cameo Auftritt zu inszenieren,... sehr genial.

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  6. Das hört sich spannend an. Im Moment gehen wir chronologisch vor. NUMMER 17 hatte mir aufgrund seines experimentellen und chaotischen Charakters sehr gefallen. Etwas brauchen wir noch, bis wir in der amerikanischen Phase sind. Wie bei jedem großen Regisseur, zeigt sich dessen Klasse wohl vor allem bei kleinen Arbeiten. Spontan fällt mir noch BEI ANRUF: MORD ein, der auch mit sehr überschaubaren Ausgangbedingungen arbeitet, mir aber inzwischen (das war mal anders) als einer der besten Filme Hitchcocks erscheint.

    Grüße übrigens an einen Exilanten aus der saarländischen Heimat. Ich selbst bin allerdings auch Exilant. Ich komme aus Hamburg. :)

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  7. "Im Moment gehen wir chronologisch vor", ... ah, sorry, nicht gecheckt. Werde mich dann mal sehtechnisch dort hinten einklinken.

    Ach ja, das Saarland. Manchmal wache ich in der Nacht auf um habe so einen seltsamen Geschmack von Kohlestaub auf der Zunge.

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