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Donnerstag, 6. Oktober 2011

Minnelli-Reihe: Abrechnungen und Nostalgie

Natürlich sind wir auch mit unseren Meister-Regisseuren voran gekommen. Da es mich aber geistig überfordert wirklich jeden dieser Filme zu besprechen, bündele ich die Regisseure kurzerhand. Als erstes ist Vincente Minnelli dran, von dem wir in letzter Zeit nur zwei Filme gesehen haben.




Strukturell ließe sich der Film wie eine Mischung aus CITIZEN KANE und ALLES ÜBER EVA beschreiben. Die zentrale Figur, der skrupellose Filmproduzent Jonathan Shields, entsteht für den Zuschauer nur aus den Erinnerungen eines Regisseurs, einer Schauspielerin und eines Drehbuchautors und statt im Theatermilieu befinden wir uns mitten in Hollywood. Minnelli gibt der mittleren Episode - der Erinnerung der Schauspielerin, natürlich - den größten erzählerischen Raum und so wunderbar ich die knapp zwei Stunden auch fand, so blieb nicht viel übrig. Es wäre hart, würde ich behaupten der Film wirke seicht und nicht bissig genug, aber man merkt, dass Minnelli eigentlich doch niemandem weh tun möchte. Er möchte niemanden demontieren - Vorbild für Jonathan Shields war angeblich David O. Selznick - sondern darauf verweisen, dass Himmel und Hölle, Ruhm und Bedeutungslosigkeit, Embleme auf ein und derselben Medaille sind. Wer sich mit dem Teufel einlässt, der muss auch nach seinen Regeln spielen. Und auch wenn unsere Drei den Produzenten hassen, so lieben sie ihn auch, wie Minnelli durch die letzte Einstellung deutlich macht. Ein meisterhaftes, klassisches Hollywoodmelodram, aber knapp am Olymp vorbei.




Mit seinem nächsten Film begibt Minnelli sich wieder in die Welt des Musicals, die so völlig eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt. Die Handlung siedelt er im Broadway-Milieu an und baut damit gleich mehrere sich überschneidende Ebenen auf. Fred Astaire spielt einen ehemaligen Broadway-Star, der in Hollywood sein Glück gemacht hat, aber nun seine besten Tage hinter sich hat und wieder nach New York zurückkehrt. Tatsächlich spielt Astaire sich selbst - zweimal wird sogar auf ihn verwiesen als ein großer Star, welcher die von Fred Astaire gespielte Figur eben nicht mehr sei - und er muss sich den neuen Gegebenheiten anpassen. Die Musicalwelt der 1930er gibt es nicht mehr und der verbindende Schritt ist absolut sinnfällig. Das Musical hat es zu einer eigenständigen Form gebracht, aber es verfügt nicht über die Bedeutungsschwere der höheren Künste. Die höheren Künste, so wie sie der Produzent des Stückes im Film wünscht, lassen sich nicht einfach in Form eines Musicals ausdrücken. Das würde beide Formen sogar zerstören, wie Minnelli am Scheitern des Musicalstücks als Shakespeare-Drama deutlich macht. Ein Musical kann Kunst oder kunstvolle Unterhaltung sein, wenn man die Künste sich ergänzen lässt. Und so kommt eine Primaballerina ins Spiel. Der Tanz des klassischen Balletts im Musical, das Musical mit dem Selbstbewusstsein, eigene Geschichten zu erzählen. In kurzen Momenten, durch kollektive Mythen, moderne wie altertümliche, durch den selbstgeschaffenen Kosmos. Das Ganze wird zu einem Rausch, der einige der mit Abstand wunderbarsten Musicalnummern der Filmgeschichte beinhaltet. Leider stolpert Minnelli bei der Einbindung in die Spielhandlung. Die wirkt im Verlauf immer statischer und die Übergänge aus Traum und Realität gelingen hier, bis auf das Finale, nicht so fließend wie bei YOLANDA UND DER DIEB, DER PIRAT oder EIN AMERIKANER IN PARIS. Den Glanz dieses Werkes kann das allerdings nicht trüben.

1 Kommentar:

  1. @Stadt der Illusionen
    J----a. Ich möchte das Werk natürlich als bissige und glänzend gespielte Abrechnung, als "All About Eve" des Films, wie du schreibst, in Erinnerung behalten. Trotzdem muss ich dir wohl oder übel zustimmen. Hollywood konnte in den 50ern vermutlich gar nicht richtig bissig sein, musste im Eleganten verharren (was schon die Besetzung mit Lana Turner andeutet). - Immerhin: Selznick befand sich in den 50ern immer wieder am Rande des finanziellen Abgrunds, weil er gnadenlos Blockbuster für sein mittelmässig talentiertes Weibchen drehen wollte. Wer verstehen wollte, verstand schon.

    Was ich an "Stadt der Illusionen" liebe: Er war neben "Some Came Running" vielleicht einer der letzten grossen Filme des Regisseurs, der sich noch nicht so unangenehm um Künstlichkeit bemüht gab wie etwa "Brigadoon", "Lust For Life", "Gigi" und andere artifizielle Ergüsse. - Und wehe, du lobst mir "Tea and Sympathy" (1956) über den grünen Klee! Die Verfilmung eines Bühnenstücks sorgte dafür, dass ich mich schämte, weil ich auf Männer stehe. Ich war neun oder zehn Jahre alt...

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