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Donnerstag, 4. August 2011
Ford-Reihe: Geisteskraft
Der 102. Spielfilm des Regisseurs John Ford ist ein sehr persönlicher geworden. Mit der Produktionsfirma Argosy seines Freundes Merian C. Cooper ging er nach Mexiko und arbeitete dort mit einigen Koryphäen des mexikanischen Kinos zusammen. Gabriel Figueroa wurde, nicht zuletzt durch diesen Film, zu einem international bekannten Kamermann und diesem Film verdankt er es auch, dass Luis Bunuel nach ihm verlangte, als dieser in Mexiko drehte. Als Co-Regisseur fungierte einer der bedeutendsten mexikanischen Filmemacher zu der Zeit, Emilio Fernández, und die Vorlage entstammt der Feder Graham Greenes.
In einem lateinamerikanischen Fantasieland reitet ein Priester in ein kleines, verfallenes Dorf. In der verlassenen Kirche erwartet ihn nur eine Frau mit ihrem Baby. Ob er von der Polizei gesucht werde? Ja! Ob er ein Krimineller sei? Nein! Er ist ein Priester. Der letzte, vielleicht, den es noch in diesem Land gibt. Sie müssen mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden, vernichtet, der Irrglaube an Übernatürliches, an über den Dingen liegendes soll nicht länger die Menschen verwirren, denn es herrscht Revolution. So sieht es zumindest ein Leutnant, der die Vorgaben des totalitären Regimes rücksichtslos umsetzt und genauso namenlos bleibt wie alle anderen Figuren. Ford meditiert auf die ihm eigene Weise über Spiritualität, innere Energie und den Glauben auf Hoffnung. Gleich zu Beginn macht er deutlich, dass ihm wenig an einer Glorifizierung des Katholizismus gelegen ist. Als der Priester erfährt, dass das Baby, welches die Mutter in der Kirche in den Armen hält, unehelich geboren ist und das es davon noch Dutzende im Dorf gibt, hält er sich nicht an das nach dem Suizid größte Tabu der Katholiken diese nicht zu taufen, sondern sagt nur "Herbei mit ihnen!". Er gibt den Leuten was sie jetzt brauchen, nicht was die Kirche ihnen vorschreibt. Er betrinkt sich mit den Schergen der Staatsmacht, um an Wein für eine Totenmesse zu gelangen, denn der Besitz von Alkohol ist in diesem Land verboten. Er lässt es zu, dass die Mutter des Babys sich prostituiert, damit die ihn verfolgende Polizei nicht auf seine Spur kommt. Er irrt durch das Land, welches ein einziges, großes Gefängnis darstellt und ein mehrfacher Mörder und Bankräuber, seinerseits auf der Flucht vor den amerikanischen Behörden, rettet ihm schließlich das Leben. Der Priester erkennt seine Arroganz und wie sehr es ihm gefiel sich als zweiten Jesus vor anderen zu präsentieren und diese Lüge selbst zu glauben. Er kann nicht damit leben, dass ein anderer sein Leben für seins gegeben hat und ergibt sich der Staatsmacht. Noch im letzten Moment im Kerker muss Ford herausstellen, dass er dies weder aus Märtyrertum, noch religiöser Verblendung tut, sondern schlicht um seinen eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeit zu folgen. Er sagt noch dem ihn verfolgenden Leutnant - dem Ford viel Raum für seine kirchenkritischen Argumente lässt -, dass er nicht sterben will, dass er kein Interesse daran hat mit seinem Tod als Märtyrer in die Geschichte einzugehen, aber dass er bereit ist zu sterben, wenn die Umstände dies verlangen. Wenn man mit dem Tode bestraft wird, weil man an etwas glaubt, dann will er lieber sich Treu bleiben, als seinen Willen durch die Autorität brechen zu lassen.
All dies wird wieder einmal mit Fords typischen, universalen Symmetriestil inszeniert. Wenn der Priester, Flüchtling 1, das Dorf wieder verlässt und sich auf seine Odyssee durch das Land begibt, reitet der Mörder und Bankräuber, Flüchtling 2, gerade in das Dorf ein, um seinen Platz zu übernehmen. Der Austausch, der Dualismus der sich bedingenden Gegensätze, die doch eins sind, wird hier so deutlich herausgearbeitet, wie in wenigen anderen Filmen des Regisseurs. Der eine, salbadernd und doch so unendlich menschlich verletzlich, steht stereotyp für das Gute und wird von Ford aufgebrochen als sich in der Rolle des letzten Priesters in diesem Land Gefallender. Der Mörder ist mit seiner Beute, an der er sich bis zum Schluss festhält, stereotyp für das Schlechte, aber erkennt, dass er in ein Land ohne Zukunft geflüchtet ist und tötet skrupellos jeden Polizisten, der den Priester verfolgt. Beide bedingen sich und beide sterben am Ende. Keiner als Held und keiner gekannt.
Am Ende werden die Ereignisse transzendiert, wenn im Moment des Todesschusses ein Priester mit der Statur Henry Fondas im gleißenden Licht als Epiphanias erscheint. Ford bemüht noch den Buddhismus, wenn der neue Priester als reinkarniertes Symbol für den Glauben an die innere Kraft des Menschen in der Kirchentür steht. Von Gott ist im Film interessanterweise kaum die Rede. Stellt sich nur noch die Frage, ob auch er einen Schutzengel in Form eines gedungenen Massenmörders hat.
BEFEHL DES GEWISSENS dürfte vor allem visuell einen großen Einfluss auf Ingmar Bergman gehabt haben. Da Ford den Schnitt des Films persönlich überwachen konnte, verzichtet er auf den long shot und dynamisiert in vielen Szenen durch die Montage. Die Artifizialität des Fantasielandes überträgt Ford auf seine Bildsprache und zollt vor allem Murnau Respekt. Nicht ganz so komprimiert und geschlossen wie in seinem Meisterwerk DER VERRÄTER, der vor CITIZEN KANE als bester Film aller Zeiten galt, aber mit eben jener leichten Hand, die den Film in seiner Bildsprache so eigen macht.
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Ei sowas - ein Ford-Film, von dem ich beschämenderweise nie gehört habe - und den es bezeichnenderweise bei uns nicht auf DVD gibt.
AntwortenLöschenDanke für Deinen höchst interessanten und Neugierde erweckenden Text.
Wie die meisten Filme, die Ford mit einem poverty row gemacht hat, mochte er diesen hier besonders. Auch ist der Film ein schönes Beispiel für die Variabilität seines Regisseurs, der bei seinen knapp 70 Tonfilmen immer nur auf die 12 Western reduziert wird, die er in dieser Phase gemacht hat.
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