Dieses Blog durchsuchen

Dienstag, 17. Juni 2014

ARROWSMITH

ARROWSMITH

Fords achter Tonfilm ist ein weiterer Sprung nach vorn und bedeutete einen enormen Boost für seine Karriere. Da man ihn bei FOX einfach nicht an die ganz großen Filme, die Aushängeschild-Produktionen fürs jeweilige Kinojahr, ranließ musste jemand anders seine Fähigkeiten erkennen. So war es ausgerechnet Samuel Goldwyn, der sich Ford ausborgte, um eine Anspruchs-Produktion umsetzen zu lassen. Außer MEN WITHOUT WOMEN, den Ford an sich gerissen hatte, waren seine sonstigen Tonfilme eher dem einfachen Unterhaltungssegment zuzuordnen. ARROWSMITH wurde nicht nur in wesentlich aufwendigeren Kulissen gedreht, er bot auch schon die literarisch komplexere Vorlage. Ford schafft es tatsächlich einen Brückenschlag von fast 100 Jahren in 4 Minuten abzuhandeln, wenn der durch den Pioniergeist seiner Großmutter inspirierte Knirps Martin Arrowsmith den Gedanken verfolgt Arzt zu werden. Doch er will nicht nur Arzt werden, er will die Welt retten. Angetrieben vom Forschergeist bittet er als junger Student bei dem deutschen Genie Max Gottlieb um eine Assistenzstelle. Dieser verweist darauf, dass man es im Blut haben muss, Wissenschaftler zu sein. Sonst dümpelt man nur vor sich hin. Im Weiteren wird Ford in diesem hyperkomplexen Film aufzeigen, inwiefern "das Forschergen" selbst zur Seuche wird, die Arrowsmith versucht zu bekämpfen. Nach einer gescheiterten Karriere als Landarzt, nach einer überstürzten Heirat, aber der gleichzeitigen Entdeckung eines neuen Serums gegen Rinderseuche, wird er an ein Elite-Institut berufen, um etwas zu entwickeln, von dem er nicht weiß, wie es wirkt. Es heilt, aber niemand weiß warum. Als auf den west-indischen Inseln die Beulenpest ausbricht, kommt das Institut, welches an einen Verkauf des neuen Serums an einen Konzern interessiert ist, auf die Idee Tausende von Menschen als Versuchskaninchen zu nutzen, um den Wirkstoff besser zu erforschen. Arrowsmith selbst soll entscheiden, wie viele die Kontrollgruppe sein dürfen, die das Placebo bekommen. An einer Heilung der Seuche ist niemand interessiert. Es bedarf einer persönlichen Katastrophe, dass Arrowsmith allen das Serum verabreicht, im Suff und Wahn jedoch, und am Ende die Bankrotterklärung seines Lebens unterschreiben darf, die er versucht in einem regressiven Anfall naiver Weltflucht zu überspielen. Vor allem Murnaus DER GANG IN DIE NACHT lässt sich hier öfters finden (der Schlaganfall des Mentors ist übergriffig inszeniert), eine unglaubliche Abrechnung mit einem Mann, der erst erkennt, was ihm das Wichtigste war, als es zu spät ist und dann die Karre schließlich absichtlich gegen die Wand fahren lässt, um sich in Selbstverklärung noch als Helden zu interpretieren. Voll von codierten, gesellschaftskritischen Anspielungen. Die Zensur entfernte noch Arrowsmiths Liebesaffäre zu einer femme fatale, aber das schadet nicht. John Ford, der in seiner Karriere beispiellose 6 (!) Oscars als bester Regisseur erhielt (wird wohl nie übertroffen werden) wurde hier, für die Fachwelt völlig überraschend, zum ersten Mal überhaupt für einen nominiert und alle fragten sich nur: "Eine Oscar-Nominierung für John Ford? Soll das ein Witz sein?" Der Film änderte seine Reputation in Hollywood in einem so entscheidenden Maße, wie dies erst DER VERRÄTER steigern konnte. Nebenbei auch interessant, weil Ford die erste schwarze Hauptfigur und den ersten schwarzen Hauptdarsteller in einer Hollywood-A-Klasse-Vorzeige-Produktion inszenierte, der kein "Bimbo" ist.

Der Pioniergeist der Großmutter schwebt über allem

Eingefügtes Bild

Lee setzt durch, dass man ihren Mann gefälligst unterstützt

Eingefügtes Bild

Brechen mit der Landarzt-Idylle. Arrowsmith konnte ein Kind nicht retten

Eingefügtes Bild

Pandemien sind ein globales Problem

Eingefügtes Bild

Die weißen Regierungsvertreter sind entsetzt, dass sie als Versuchskaninchen herhalten sollen

Eingefügtes Bild

Marchand ist bereit Arrowsmith zu helfen, wenn der seinen Leuten hilft

Eingefügtes Bild

Lee droht an den ständigen Toten-Prozessionen wahnsinnig zu werden

Eingefügtes Bild

Lee geht selbst ins Totenreich ein

Eingefügtes Bild

Arrowsmith gibt das Serum nicht aufgrund menschlicher Nächstenliebe, sondern aufgrund von Suff und Wahnsinn frei

Eingefügtes Bild

Sein Mentor fällt bei der Dämmerstunde des Schlaganfalls in die deutsche Sprache zurück

Eingefügtes Bild

Die allerletzte Einstellung zeigt Arrowsmith in der Unschärfe. Sein Handeln folgt einem Wunschtraum

Eingefügtes Bild

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen