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Mittwoch, 18. Juni 2014

DR. BULL

DR. BULL

Fords zwölfter Tonfilm ist die erste Kollaboration mit dem Cherokee-Indianer Will Rogers. Will Rogers ist eine der größten Ausnahme-Erscheinungen in der amerikanischen Unterhaltungsbranche der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, nicht nur, weil er als nordamerikanischer Ur-Einwohner außerhalb solcher Varieté-Shows wie denen, die Buffalo Bill ins Leben gerufen hat, erfolgreich war, sondern weil er aufgrund seines geistigen Witzes (nach ihm ist der statistische Effekt der "kriminellen Datenvereinigung", der so genannte Will-Rogers-Effekt, benannt) und seinem Status ein echtes Original zu sein, in den USA bereits zu Lebzeiten eine Legende wurde. In Europa ist er praktisch unbekannt. 1933 war er einer der größten Stars der FOX und John Ford sollte drei Filme mit ihm realisieren. Angesiedelt ist das Ganze in einem typischen, amerikanischen Kleinstädtchen im "Herzen von Amerika". George Bull ist seit vielen Jahren die einzige medizinische Kraft in diesem Kaff und gleichzeitig ein Skeptizist gegen alles Moderne. Autos, die Menschen "tot fahren", ständig klingelnde Telefone, die einen verrückt machen, wechselnde Trends, die den Leuten erzählen wie sie glücklich werden und seit einiger Zeit auch eine Wasserleitung, die den Ort mit fließend Wasser versorgt. Bull ist der Ansicht, dass dieser nicht zu trauen ist, da er Herbert Benning, den Chef der hiesigen Wasserversorgung, kennt. Dieser ist der Patriarch einer im Ort alteingesessenen und einflussreichen Familie und vornehmlich Kapitalist. Neuerdings möchte er auch die Elektrizität in den Ort holen, um die Bewohner "noch mehr von sich abhängig zu machen", wie Bull anmerkt. Doch Bull steht dem Fortschritt nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber - er nutzt auch gerne das moderne Labor in der nächsten, wesentlich größeren Stadt - aber er möchte nicht gleich seinen Verstand zugunsten neuer Technologien in den Ruhestand schicken. Als durch verunreinigtes Leitungswasser eine Typhus-Epidemie ausbricht, überschlagen sich die Ereignisse. DR. BULL ist in Fords Schaffen eines der eindrucksvollsten Beispiele für seine Intertextualität. Eine Episode aus ARROWSMITH (die Geburt bei der nur italienisch sprechenden Einwandererfamilie) und das Ausbrechen einer Epidemie (diesmal nicht auf den Antillen, sondern mitten im Herzen des Bible-Belts) sind hier sehr auffällig. Weiterhin implementiert Ford dies in seine Technik, wie er dies im ein Jahr später gedrehten JUDGE PRIEST perfektionieren sollte, aufgrund der Zentralisierung durch einen nicht näher benannten Ort, Dutzende von Figuren durch diverse Handlungsstränge zu führen, was dafür sorgt, dass George Bull neben der Typhus-Epidemie und der Geburt eines italienischen Jungen, noch die Tochter der Bennings mit einem Football-Spieler verkuppelt, da sie von diesem schwanger ist - sie erwähnt, dass das Ereignis nur die Schuld des stehengebliebenen Autos sei, worauf Bull entgegnet: "Don't blame the car. In my times the horses stopped." -, ein Mittel gegen die Lähmung eines Dorfbewohners findet, einen Hypochonder ebenfalls unter die Haube bringt, die Preiskuh der Witwe Cardmaker rettet und nach vielen Jahren selbige endlich heiratet. Dass das Dorf sich seinetwegen entzweit, da Bull viele Gegner hat und er seinen Beruf als Arzt, trotz Rettung der Bewohner, an den Nagel hängen muss, ist der Wehrmutstropfen der Geschichte.

Eine der Bennings vertritt das Komitee für Anstand und Sitte. Dass Bull sich so häufig bei der Witwe Cardmaker aufhält, immerhin auch eine Benning, schmeckt ihr gar nicht

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Bull stört schon dadurch, dass er kräftiger singt, als der demütig daher trällernde Unisono, der sich was zusammen nuschelt

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Die Bennings echaufieren sich, dass Dr. Bull bei Witwe Cardmaker ist und nicht ihrer kranken "Mamie" hilft. Obwohl sie wissen, dass er dort ist, rufen sie ihn aber nicht dort an, sondern suhlen sich in seinem unschicklichen Verhalten. Dadurch stirbt ihr farbige "Mamie".

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Die Italiener hatten weniger Skrupel bei der Cardmaker anzurufen.

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Unter den Bennings gibt es einen Mutter-Tochter-Konflikt. Ford verweist darauf, dass Virgina an der Universität war, aber das bringt ihr nichts, da ihre Mutter für sie bereits, nach klassischem Rollenmodell, eine Ehe mit einem alten Senator arrangiert hat, damit sie eine anständige Frau wird

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Ein Standard-Topos Fords: Die Probleme der Demokratie. Alle Bewohner haben sich in der Kirche versammelt, um über das Schicksal von Bull zu richten. Den stärksten Kräften im Ort ist er ein Dorn im Auge. Die Diskussion und anschließende Abstimmung führt nur zu Uneinigkeit und einem Bruch der Gemeinde

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Bull hat zwar die Stadt gerettet und geheiratet, ein Abschied ist es trotzdem. Ein Standard-Motiv Fords: Der Zug, der den Bahnhof verlässt

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