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Dienstag, 17. Juni 2014

PILGRIMAGE

PILGRIMAGE

Mit diesem Film kehrte John Ford, nach seinen Ausflügen zu anderen Produktionsfirmen, zu seiner Stamm-Firma, der FOX zurück. Nach drei so unterschiedlichen Filmen wie ARROWSMITH (Goldwyn), AIR MAIL (Universal) und FLEISCH (MGM), die aber allesamt zu den wichtigen Filmen der jeweiligen Studios im jeweiligen Kinojahr zählten, konnte man ihn bei der FOX nicht mehr ignorieren und gab ihm ein ernsthaftes Projekt, welches tiefe Schwere beinhaltete. In seinem elften Tonfilm konnte Ford endlich da anschließen, wo er sich vor Einführung des Tonfilms bereits mit schwermütigen Werken wie VIER SÖHNE, HANGMAN'S HOUSE oder MOTHER MACHREE befand. Erzählt wird die Geschichte der beinharten Hannah Jessop, die mit ihrem Sohn auf ihrer eigenen Farm lebt. Ein Vater existiert nicht und wird mit keinem Wort erwähnt. Jim hat sich in Mary verliebt, doch die ist die Tochter eines stadtbekannten Alkoholikers und mit solchem Gesocks soll Jim sich nach Hannahs Meinung nicht einlassen. Jim wirft ihr vor, dass sie gegen jede Frau etwas haben würde, egal wer sie ist und das sie ihn am liebsten tief in sich einsperren würde. Jim ist in einer Zwischenphase. Alt genug für den Krieg, aber noch nicht volljährig, also alt genug, um über sich selbst bestimmen zu dürfen. Als Jim sich nachts wegschleicht, um sich mit Mary zu treffen - in dieser Nacht werden sie ihren Sohn zeugen - meldet Hannah ihren Jim am nächsten Tag für den Eintritt in den Ersten Weltkrieg an. Als sie die Papiere unterzeichnen muss, weist Ford schon durch die Inszenierung darauf hin, dass sie sein Todesurteil unterzeichnet hat. Und so wird auch narrativ mit der zu erwartenden Konvention gebrochen. Anders als man es aufgrund des Anfangs erwartet, wird nicht die Geschichte von Mary und Jim erzählt, die versuchen trotz widriger Umstände zusammenzukommen, sondern die Geschichte von Hannah Jessop. Jim fällt recht banal in WWI. Mary bleibt allein und unverheiratet mit einem Kind zurück in einer Gegend, wo man sie dafür als Hure abstempelt. Hannah Jessop will nichts von dieser Hure und ihrem Bastard wissen. Auch, dass sie ihren Sohn aus falscher Mutterliebe in den Tod geschickt hat, vergräbt sie in sich. Doch zehn Jahre nach Ende des Krieges geschieht etwas, was tatsächlich geschehen ist. Die amerikanische Regierung möchte gerne, dass die "stolzen Mütter" der gefallenen Söhne nach Paris reisen und dort Blumen auf die Gräber ihrer Söhne legen. Eine Art "Pilgerfahrt". Nach anfänglicher Ablehnung fährt Hannah Jessop schließlich mit. Doch in diesem durchorganisierten, medienwirksam aufbereiteten Spektakel findet sie keine Ruhe. Stattdessen wird sie immer mehr damit konfrontiert, dass sie für den Tod ihres Sohnes verantwortlich ist. Sie rennt aus der Festhalle in die Nacht von Paris, des Französischen nicht mächtig, und wird ihre ganz eigene "Pilgerfahrt" durchleben.

Der Film wird unter manchen Filmhistorikern heute als eines der großen Frauen-Dramen der 1930er Jahre gefeiert. Ford inszeniert das letzte Drittel, die eigentliche Pilgerfahrt der Hannah Jessop, fast wie im Märchen. Er schenkt ihr Absolution, er meint es gut mit ihr. Fords Mutter starb während der Dreharbeiten. Da er ihr sehr verbunden war, sehen Biographen da einen Zusammenhang. Interessant bei dieser Betrachtung war für mich, dass ich den Film zwar durchaus in einigen Momenten bewegend fand, er mich im Großen und Ganzen aber eher auf der rationalen Ebene hatte. Meine Frau hingegen kam irgendwann aus dem Heulen nicht mehr raus. Fast habe ich das Gefühl, FLEISCH war der emotionale Film für die Männer, PILGRIMAGE der für die Frauen. Als ebenfalls wichtiger Stepstone für Fords Karriere wird dem Film angerechnet, dass er etwas aufzeigt, was damals so noch nicht wahrgenommen wurde, was unter vielen Hollywood-Regisseuren aber langsam Konsens wurde. John Ford war der vielleicht einzige Regisseur, dessen persönlicher Stil nicht verschwinden musste und der trotzdem alles inszenieren konnte.

Das Leben auf "Three Cedars" erscheint zunächst wie ein Traum

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Hannah Jessop will nicht zulassen, dass ihr Sohn in den Armen einer anderen liegt

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Kurz vorm Ausrücken erfährt Jim, dass Mary schwanger ist

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Nachdem Hannah erfährt, dass ihr Sohn gefallen ist, versucht sie das einzige Foto, das sie von ihm hat und welches sie aus Wut zeriss, wieder zusammenzusetzen.

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Mary reicht Hannah einen Blumenstrauss und fleht, Hannah möge ihn auf das Grab legen. Mit eiserner Hand - Ford lässt in diesem Moment das Pfeifen der Lok ertönen und zu einem Kreischen werden - ergreift Hannah den Strauss.

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Am Abreisehafen in New York kommen Hunderte von Müttern zusammen. Ford macht den "melting pot" Amerika deutlich, da auf dieser Bank eine italienische, eine irische und eine deutsche Mutter sitzen.

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Auch schon 1928. Eine Mischung aus Andenken und Sensationsgier, als man den Spuren des Krieges folgt

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Im letzten Drittel des Films widerfährt Hannah etwas geradezu Märchenhaftes. Sie hat die Chance für andere alles gut zu machen. Dabei wird die Pilgerfahrt in die Ferne endgültig die Pilgerfahrt in ihr Inneres. Sie durchlebt ihr Trauma als Schatten der Vergangenheit.

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Hannah Jessop hat sich mit ihren Dämonen, der Ambivalenz des Mutter-Sohn-Verhältnisses, auseinandergesetzt. Von ihrem Sohn bleibt ihr nur noch ein Grab

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2 Kommentare:

  1. Sehr schöne Retrospektive zu einem Regisseur, dessen riesiges Werk für mich leider immer noch in weiten Teilen unentdecktes Land ist. Macht direkt Lust, dort mal auf Entdeckungsreise zu gehen. Erst einmal freue ich mich aber auf die Fortsetzung hier … :-)

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  2. Vielen Dank. Leider sind von Fords mehr als 140 Filmen, davon allein 131 Spielfilme, nur noch 78 aufzutreiben. Aber auch das ist natürlich ein Berg. Ich versuche hierbei mal ausnahmsweise am Ball zu bleiben ;)

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