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Dienstag, 17. Juni 2014

FLEISCH

FLEISCH

Der zehnte Tonfilm Fords (im deutschen Fernsehen in späteren Jahren auch als RING FREI FÜR DIE LIEBE gelaufen, aber das eliminiert den Bezug zu Sex und Gewalt worauf der Titel FLEISCH anspielt), dass schicke ich gleich mal vorweg, ist der bewegendste Film, den ich bisher in meinem Filmjahr 2014 gesehen habe. Ford liefert hier den letzten Beitrag zu seinem Deutschland-Zyklus, den er 1927 mit VIER SÖHNE begonnen hat. Es ist der dritte Film infolge, den Ford nicht für sein Stamm-Studio, die FOX, realisierte. Diesmal war es die MGM, die zu dieser Zeit mächtigste Produktionsfirma (man hatte die Paramount zu Beginn der 1930er endlich auf Platz 2 verwiesen), die zunächst an nichts weiter dachte, als an eine Wiederholung ihres Mega-Hits DER CHAMP. Dieser kam 1931 in die Kinos, von King Vidor, zu diesem Zeitpunkt der bedeutendste Regisseur des Studios, inszeniert, bei Kritik wie Publikum der Hit und mit Oscars überhäuft. Einer ging an einen der ungewöhnlichsten Stars der 30er Jahre: Wallace Beery. Verschiedene Regisseure waren für dieses Projekt vorgesehen, für das mit William Faulkner einer der bedeutendsten Literaten des 20. Jahrhunderts das Drehbuch schrieb. Schließlich entschied man sich für John Ford und dieser machte auch aus dieser Auftragsarbeit, was Regisseure wie Curtiz, Walsh oder Dyke nicht taten: seinen Film.
Erzählt wird die Geschichte zunächst aus Sicht von Laura Nash, eine Amerikanerin, die zusammen mit ihrem Liebhaber in Deutschland im Knast gelandet ist. Da sie schwanger ist wird sie schon wieder nach ein paar Wochen entlassen, aber ihr geliebter Nicky bleibt drin. Ihre Ergebenheit ihm gegenüber lässt sich bereits als hündisch bezeichnen. Der dritte im Bunde, der nicht geschnappt wurde, sollte Laura eigentlich in einer bayerischen Bierstube treffen, lässt sie aber sitzen. Laura, die sich nach der Gefängniskost in dem Lokal vollgestopft hat, sitzt nun ohne Kohle da. Sie ist tough, ohne Frage, was für eine Frau, die alles gesehen hat, doch als die Bullen gerufen werden sollen, wird ihr doch mulmig, da sie den Knast als Hölle empfand. Fast bietet sie sich dem Geschäftsführer an, doch da kommt ihr Retter: Polakai. Ein gefühlter 3-m-Riese, stark wie Samson, einfältig, aber gutmütig. Er ist die kleine Sensation des Viertels, den er ist ein Wrestler, der die Chance auf den deutschen Titel hat. Er zahlt die Rechnung, er rettet sie, als ein Wachtmeister sie für eine Hure hält, er lässt sie bei sich schlafen und sperrt sich aus, damit sie sich keine Sorgen macht, er hält auch noch zu ihr, als sie ihm - natürlich für Nicky - seine Lebensersparnisse klauen will. Und so lügt sie Polakai vor, dass Nicky ihr Bruder wäre und dass er zu Unrecht im Knast säße. Polakai setzt alles daran, den vermeintlichen Bruder aus dem deutschen Gefängnis zu holen. Und tatsächlich ist Nicky ein noch größeres Schwein als Duke aus AIR MAIL. Er betreibt ein Ränkespiel, verschachert die ihm ergebene Laura, in dem sie Polakai, der ihr, trotz seiner Gutmütigkeit, zuwider ist, heiraten soll und man die Kuh so ewig melken kann. Tatsächlich geht der Plan auf. Nicky ergattert jede Menge Geld und setzt sich in die USA ab, Laura bleibt als Ehefrau zurück und erwartet nun Nickys Sohn, den sie dem in biologischen Fragen nicht so bewanderten Polakai als Kuckucksei unterjubelt. Eine Veränderung ergibt sich, als die Besitzer der Bierstube ihrerseits Pläne für die Ausreise aus Deutschland treffen, die Deutschen, unter denen auch Juden sind (der Film kam 8 Wochen vor der "Machtergreifung in die amerikanischen Kinos), wollen nach New York auswandern, um ein wenig deutsche Lebensart nach Amerika zu bringen, wie sie meinen. Polakai und seine Frau sollen mitkommen. Für Laura, die wie in einem Albtraum lebt, besteht damit endlich die Chance Nicky wiederzusehen. Für Polakai, der gerade deutscher Champion geworden ist, scheint ebenfalls ein Traum wahr zu werden. Er könnte in den Staaten um die Weltmeisterschaft kämpfen. Doch für Polakai entwickelt sich der amerikanische Traum seinerseits zu einem Albtraum. Ford demystifiziert ihn als nichts weiter als eine große Lüge. Doch nicht nur darum geht es. Es ist auch ein Film über die Unmöglichkeit zueinander zu finden. Laura will Nicky, doch der will nur ihr Zuhälter sein, Polakai will Laura, doch die will nur Nicky. Obwohl Laura und Polakai heiraten, kommen sie nicht zusammen. Als Laura Nicky seinen Sohn zeigt, lehnt dieser ihn ab, Polakai liebt seinen Sohn, aber tatsächlich ist es nicht seiner. Als Laura und Polakai endlich zueinander finden, können sie nicht mehr zueinander kommen.

Meine Frau und ich hatten am Ende Tränen in den Augen. Einen krasseren Gegenfilm zum eiskalten AIR MAIL hätte Ford nicht drehen können. Keine Ahnung ob Stallone, Avildsen oder Arronofsky den Film für ROCKY oder THE WRESTLER als Vorbild genommen haben. Man könnte es meinen.

Monotonie des Gefängnisalltages. Im Rondell innerhalb des Quadrates.

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Laura sitzt in Deutschland fest

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Polakai ist der schönen Laura vollkommen verfallen

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Umgedrehtes Geschlechterverhältnis. Laura soll sich von Polakais straffen Hintern überzeugen

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Polakai ist stolz auf "seinen" Sohn. Für ihn hat er den Titel gewonnen. Laura ist am Rande des Nervenzusammenbruchs

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In den USA angekommen, muss Polakai sich klar machen, dass er als ein "Niemand" gilt. Außerdem kämpft man in den Staaten härter und unfairer

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Polakai wird damit vertraut gemacht wie das Sportgeschäft in den USA läuft. Als er anmerkt, dass dann ja alles nur Lug und Trug wäre, sagt man ihm: "Hey Kid, you're in America."

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Laura hat Polakai verlassen. Dieser wendet sich an Nicky. Jetzt kann Nicky Polakais Liebe zu Laura nutzen, damit dieser abgesprochene Kämpfe macht

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Laura will Nickys Plan nicht mitmachen. Er schlägt ihr auch mal mit geballter Faust in die Fresse, damit sie spurt

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Polakai verdient mit den gefaketen Kämpfen Geld, aber seine zerrüttete Ehe und sein Gewissen treiben ihn in den Alkoholismus

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Die Stunde der Wahrheit. Polakai erkennt, dass sein Leben nur auf Lügen aufbaut

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Die letzte Schlacht im Ring. Ringen war für Polakai sein Lebensinhalt, jetzt bedeutet es ihm nichts mehr. Ford inszeniert den Kampf als bedeutungslos

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