FLEISCH
Der zehnte Tonfilm Fords (im deutschen Fernsehen in späteren Jahren auch
als RING FREI FÜR DIE LIEBE gelaufen, aber das eliminiert den Bezug zu
Sex und Gewalt worauf der Titel FLEISCH anspielt), dass schicke ich
gleich mal vorweg, ist der bewegendste Film, den ich bisher in meinem
Filmjahr 2014 gesehen habe. Ford liefert hier den letzten Beitrag zu
seinem Deutschland-Zyklus, den er 1927 mit VIER SÖHNE begonnen hat. Es
ist der dritte Film infolge, den Ford nicht für sein Stamm-Studio, die
FOX, realisierte. Diesmal war es die MGM, die zu dieser Zeit mächtigste
Produktionsfirma (man hatte die Paramount zu Beginn der 1930er endlich
auf Platz 2 verwiesen), die zunächst an nichts weiter dachte, als an
eine Wiederholung ihres Mega-Hits DER CHAMP. Dieser kam 1931 in die
Kinos, von King Vidor, zu diesem Zeitpunkt der bedeutendste Regisseur
des Studios, inszeniert, bei Kritik wie Publikum der Hit und mit Oscars
überhäuft. Einer ging an einen der ungewöhnlichsten Stars der 30er
Jahre: Wallace Beery. Verschiedene Regisseure waren für dieses Projekt
vorgesehen, für das mit William Faulkner einer der bedeutendsten
Literaten des 20. Jahrhunderts das Drehbuch schrieb. Schließlich
entschied man sich für John Ford und dieser machte auch aus dieser
Auftragsarbeit, was Regisseure wie Curtiz, Walsh oder Dyke nicht taten:
seinen Film.
Erzählt wird die Geschichte zunächst aus Sicht von Laura Nash, eine
Amerikanerin, die zusammen mit ihrem Liebhaber in Deutschland im Knast
gelandet ist. Da sie schwanger ist wird sie schon wieder nach ein paar
Wochen entlassen, aber ihr geliebter Nicky bleibt drin. Ihre Ergebenheit
ihm gegenüber lässt sich bereits als hündisch bezeichnen. Der dritte im
Bunde, der nicht geschnappt wurde, sollte Laura eigentlich in einer
bayerischen Bierstube treffen, lässt sie aber sitzen. Laura, die sich
nach der Gefängniskost in dem Lokal vollgestopft hat, sitzt nun ohne
Kohle da. Sie ist tough, ohne Frage, was für eine Frau, die alles
gesehen hat, doch als die Bullen gerufen werden sollen, wird ihr doch
mulmig, da sie den Knast als Hölle empfand. Fast bietet sie sich dem
Geschäftsführer an, doch da kommt ihr Retter: Polakai. Ein gefühlter
3-m-Riese, stark wie Samson, einfältig, aber gutmütig. Er ist die kleine
Sensation des Viertels, den er ist ein Wrestler, der die Chance auf den
deutschen Titel hat. Er zahlt die Rechnung, er rettet sie, als ein
Wachtmeister sie für eine Hure hält, er lässt sie bei sich schlafen und
sperrt sich aus, damit sie sich keine Sorgen macht, er hält auch noch zu
ihr, als sie ihm - natürlich für Nicky - seine Lebensersparnisse klauen
will. Und so lügt sie Polakai vor, dass Nicky ihr Bruder wäre und dass
er zu Unrecht im Knast säße. Polakai setzt alles daran, den
vermeintlichen Bruder aus dem deutschen Gefängnis zu holen. Und
tatsächlich ist Nicky ein noch größeres Schwein als Duke aus AIR MAIL.
Er betreibt ein Ränkespiel, verschachert die ihm ergebene Laura, in dem
sie Polakai, der ihr, trotz seiner Gutmütigkeit, zuwider ist, heiraten
soll und man die Kuh so ewig melken kann. Tatsächlich geht der Plan auf.
Nicky ergattert jede Menge Geld und setzt sich in die USA ab, Laura
bleibt als Ehefrau zurück und erwartet nun Nickys Sohn, den sie dem in
biologischen Fragen nicht so bewanderten Polakai als Kuckucksei
unterjubelt. Eine Veränderung ergibt sich, als die Besitzer der
Bierstube ihrerseits Pläne für die Ausreise aus Deutschland treffen, die
Deutschen, unter denen auch Juden sind (der Film kam 8 Wochen vor der
"Machtergreifung in die amerikanischen Kinos), wollen nach New York
auswandern, um ein wenig deutsche Lebensart nach Amerika zu bringen, wie
sie meinen. Polakai und seine Frau sollen mitkommen. Für Laura, die wie
in einem Albtraum lebt, besteht damit endlich die Chance Nicky
wiederzusehen. Für Polakai, der gerade deutscher Champion geworden ist,
scheint ebenfalls ein Traum wahr zu werden. Er könnte in den Staaten um
die Weltmeisterschaft kämpfen. Doch für Polakai entwickelt sich der
amerikanische Traum seinerseits zu einem Albtraum. Ford demystifiziert
ihn als nichts weiter als eine große Lüge. Doch nicht nur darum geht es.
Es ist auch ein Film über die Unmöglichkeit zueinander zu finden. Laura
will Nicky, doch der will nur ihr Zuhälter sein, Polakai will Laura,
doch die will nur Nicky. Obwohl Laura und Polakai heiraten, kommen sie
nicht zusammen. Als Laura Nicky seinen Sohn zeigt, lehnt dieser ihn ab,
Polakai liebt seinen Sohn, aber tatsächlich ist es nicht seiner. Als
Laura und Polakai endlich zueinander finden, können sie nicht mehr
zueinander kommen.
Meine Frau und ich hatten am Ende Tränen in den Augen. Einen krasseren
Gegenfilm zum eiskalten AIR MAIL hätte Ford nicht drehen können. Keine
Ahnung ob Stallone, Avildsen oder Arronofsky den Film für ROCKY oder THE
WRESTLER als Vorbild genommen haben. Man könnte es meinen.
Monotonie des Gefängnisalltages. Im Rondell innerhalb des Quadrates.
Laura sitzt in Deutschland fest
Polakai ist der schönen Laura vollkommen verfallen
Umgedrehtes Geschlechterverhältnis. Laura soll sich von Polakais straffen Hintern überzeugen
Polakai ist stolz auf "seinen" Sohn. Für ihn hat er den Titel gewonnen. Laura ist am Rande des Nervenzusammenbruchs
In den USA angekommen, muss Polakai sich klar machen, dass er als ein
"Niemand" gilt. Außerdem kämpft man in den Staaten härter und unfairer
Polakai wird damit vertraut gemacht wie das Sportgeschäft in den USA
läuft. Als er anmerkt, dass dann ja alles nur Lug und Trug wäre, sagt
man ihm: "Hey Kid, you're in America."
Laura hat Polakai verlassen. Dieser wendet sich an Nicky. Jetzt kann
Nicky Polakais Liebe zu Laura nutzen, damit dieser abgesprochene Kämpfe
macht
Laura will Nickys Plan nicht mitmachen. Er schlägt ihr auch mal mit geballter Faust in die Fresse, damit sie spurt
Polakai verdient mit den gefaketen Kämpfen Geld, aber seine zerrüttete Ehe und sein Gewissen treiben ihn in den Alkoholismus
Die Stunde der Wahrheit. Polakai erkennt, dass sein Leben nur auf Lügen aufbaut
Die letzte Schlacht im Ring. Ringen war für Polakai sein Lebensinhalt,
jetzt bedeutet es ihm nichts mehr. Ford inszeniert den Kampf als
bedeutungslos
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