AIR MAIL
Der neunte Tonfilm Fords (zu diesem Zeitpunkt sein 77. Spielfilm
insgesamt) führte ihn nach 11 Jahren zurück zur Universal, wo er einen
Aviator-Film umsetzen sollte. Schon in den ersten 15 Sekunden
durchschreitet Ford 200 Jahre Post-Zustell-Geschichte, wenn während des
Vorspanns durch Wischblenden ständige Wetterwechsel deutlich gemacht
werden und wir auf der Tonspur zuerst Pferdegetrappel, dann die
Eisenbahn und schließlich das Dröhnen von Flugzeugen hören. Danach
bekommen wir einen derart de-emotionalisierten, eiskalten und präzisen
Anti-Helden-Film präsentiert, der mit so ziemlich jedem Klischee
aufräumt, welches uns Flugzeug-Filme im Konkreten, oder Actionfilme im
Allgemeinen kredenzen. Die Figuren sind derart distanziert voneinander,
zynisch und versuchen nur irgendwie durchzukommen. Ford verzichtet auf
humoristische Auflockerungen oder Melancholie. Gleich zu Beginn stürzt
einer der Piloten ab und verbrennt unter Falsett-Kreischen im Wrack. Die
Hauptfigur knallt ihn ohne emotionale Regung ab, um Ruhe zu schaffen.
Der Schwester des Fliegers sagt er nichts von seinem Tun, um nicht die
aufkeimenden Liebesgefühle zu gefährden. Rational, kalt, funktional. So
verhalten sich die Figuren. Wirklich sympathisch ist hier niemand. Der
kernige Alleskönner - Held in WWI, Retter eines arabischen Staates als
illegaler Kampfpilot, Flieger in China, Verkörperer aller amerikanischen
Draufgängertugenden - wird von Ford als derartiges Arschloch
gezeichnet, dass ich in diesem Jahr noch keine unerträglichere Figur
gesehen habe. Dass er am Ende Punkte machen kann, liegt nicht daran,
dass er das Richtige tut, weil er es erkennt, sondern weil es seinen
Stolz verletzte, dass andere dachten er könne es nicht. Der Film ist
formal furios, im krassen Gegensatz zu einer möglichen Entladung durch
die Flugszenen. Ständig verengt und verdichtet Ford die Bildausschnitte,
bricht nur durch Kameraschwenks abrupt aus, um uns in die nächste Enge
des "Desert Airport" zu führen, dieses Stützpunktes, der Irgendwo im
Nirgendwo ist, um dafür zu sorgen, dass die Post auch an Weihnachten
weiter transportiert wird. Der "Christmas Rush" ist das, wovor die
Piloten am meisten Angst haben. Millionen von fröhlichen Briefen, die
quer durch Amerika gehen sollen und den Piloten nur Angst machen. Anders
als Wellmans WINGS oder Hawks START IN DIE DÄMMERUNG bietet das Fliegen
bei Ford keinerlei Freiheit. Wenn aus den engen Einstellungen in die
spektakulären Flugszenen gewechselt wird, bieten diese am Ende immer nur
den Tod.
Gleich zu Beginn crasht ein Pilot und verbrennt bei lebendigem Leib. Die
Helfer sind mehr damit beschäftigt, die Briefe zu retten, da der United
States Postal Service sonst zu viel Erstattungsgeld zahlen muss
Mike, der Stationsvorsteher und fast blinde Pilot des "Desert Airport", macht dem Gekreische des Sterbenden ein Ende
Duke, Inbegriff des amerikanischen Alleskönners, langweilt sich auf
"Desert Airport" und spannt dem Piloten "Dizzie" Wilkens seine Frau
Irene aus
Die ortsansässigen Indianer sind am Heiligabend auch mit dabei, können mit dem Christfest aber wenig anfangen
Parallel zum Gesang am Heiligabend (auf der Tonspur) und während seine Frau es mit Duke treibt, stirbt "Dizzie"
Fords Zynismus kennt in diesem Film kaum Grenzen. Aus Eitelkeit hat Duke
ein wagemutiges Manöver gemacht und den abgestürzten Mike gerettet. Er
liegt im Sterben und Rettungswagen und Post-Auto mit den - gottseidank -
geretteten Briefen liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
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